Süddeutsche Zeitung

Historischer Sieg für Amerikanisch-Samoa:"Ich habe eine Frau in der Innenverteidigung"

Das "schlechteste Team der Welt" hat sein erstes offizielles Fußballspiel gewonnen. Die Mannschaft von Amerikanisch-Samoa, die einst 0:31 gegen Australien verlor, rang Tonga nieder. Mit weiteren Erfolgen in der WM-Qualifikation könnte die Mannschaft sogar den letzten Platz der Fifa-Weltrangliste verlassen.

Javier Cáceres

Thomas Rongen, Fußball-Lehrer aus den Niederlanden und seit einiger Zeit Nationaltrainer von Amerikanisch-Samoa, ist ein Freund klarer Worte: "Vor meiner Ankunft hier hatte ich nie ein schlechteres Team gesehen", sagte er. Was die Frage erlaubt: Was hatte Rongen erwartet, als er in der Hauptstadt Pago Pago seinen Vertrag unterschrieb?

"Fußball ist ein Spiel, in dem man gewinnen, Unentschieden spielen oder verlieren kann. Außer uns, wir können nur verlieren", sagte mal ein früherer Trainer von Amerikanisch-Samoa.

Nach der Anerkennung durch den Fußball-Weltverband Fifa vor 17 Jahren trug Amerikanisch-Samoa 30 Spiele aus und verlor sie ausnahmslos - Torverhältnis 12:229. Legendär ist das 0:31 (0:16) gegen Australien im Jahr 2001, das in die Geschichte einging als größte Tracht Prügel, die je ein Team bei einem WM-Qualifikationsspiel erhalten hat.

Nun hat das "schlechteste Team der Welt", als das die Auswahl von Amerikanisch-Samoa gilt, wieder Geschichte geschrieben: Im Joseph-S.-Blatter-Stadion von Apia, der Hauptstadt des benachbarten Samoas, gewann sie 2:1 gegen Tonga.

Es war der erste Sieg von Amerikanisch-Samoa überhaupt (ein Erfolg über Wallis und Futuna zählt nicht, weil die Inselgruppe von der Fifa nicht anerkannt wird) - und auch die erste Pflichtpartie, in der das polynesische US-Protektorat zwei Tore erzielte.

Die Schützen waren Ramin Ott (44.) und Shalom Ruani (74.), sie stehen nun im amerikanisch-samoanischen Pantheon in einer Reihe mit einem Sprinter namens Sogelau Tuvalu, der bei der Leichtathletik-WM in Südkorea über 100 Meter knapp unter einer Minute geblieben war.

Trainer Rongen freute sich laut New York Times aber weniger für die Torschützen, sondern für Stammtorwart Nicky Salapu, 32. Dieser sei seit dem 0:31 von "größeren Dämonen" geplagt gewesen: "Immer wenn er Amerikanisch-Samoa erwähnte, sagten die Leute: 'Ah, du bist der Kerl, der 31 Dinger reingelassen hat!?'" Salapu selbst sagte: "Endlich kann ich die Vergangenheit hinter mir lassen."

Der Sieg von Amerikanisch-Samoa, das im Falle von weiteren Erfolgen gegen die Cook-Islands (das Spiel endete am Freitag 1:1) und/oder Samoa womöglich noch den Fifa-Ranglistenplatz 204 verlässt, war auch in anderer Hinsicht bemerkenswert.

In der Innenverteidigung stand Johnny Saelua - eine Fa'afafine, wie in der Kultur Polynesiens die Menschen heißen, die männlichen Geschlechts sind, sozial aber als Frau betrachtet werden, und entgegen gängiger Interpretationen weder homo- noch transsexuell sind. "Ich habe wirklich eine Frau in der Innenverteidigung!", sagte Rongen: "Könnt ihr euch das bei Spanien oder England vorstellen?"

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Quelle:
SZ vom 25.11.2011/mkoh/jbe
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