Hilfe für Schiedsrichter:Fifa entscheidet über elektronischen Tor-Beweis

In Zürich berät die Fifa an diesem Donnerstag, ob künftig Maschinen an der Torlinie eingesetzt werden. Selbst Sepp Blatter spricht sich für derartige Hilfen für die Schiedsrichter aus - das große Ziel, den Fußball gerechter zu machen, dürfte dennoch eher eine eher untergeordnete Rolle spielen. Es geht auch um viel Geld.

Daniel Theweleit

Rene Dünkler lacht, aber seine Unsicherheit ist nicht zu überhören. "Nein", sagt er, und überlegt, wie er sich am besten ausdrücken soll, "wir sind gespannt, aber ich weiß wirklich nicht, was uns in Zürich erwartet." Dünkler ist Ingenieur am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen, und er wird an diesem Donnerstag ins Hauptquartier des Fußballweltverbandes Fifa nach Zürich reisen, wo möglicherweise eine revolutionäre Entscheidung fällt.

Sepp Blatter poses with a ball at the goal line of a goal, at a local soccer pitch in Zurich

Will den Fußball gerechter machen: Sepp Blatter. Doch manch einer ist eher skeptisch.

(Foto: REUTERS)

Das International Football Association Board (IFAB), jenes Gremium, das über die Regeln im Fußball wacht, trifft sich zu einer Sondersitzung, um über die Einführung einer Technik zu entscheiden, mit der messbar ist, ob ein Ball im Tor ist oder nicht.

Dünkler und seine Erlanger Kollegen haben das GoalRef-System entwickelt, das neben der im Tennis bewährten Hawk-Eye-Technologie alle Vorprüfungen bestanden hat. Nun wird dem IFAB der Abschlussbericht vorgelegt, und vieles deutet darauf hin, dass die Technik sehr bald eingesetzt werden darf. Schließlich gab es gerade erst bei der EM im Spiel Englands gegen die Ukraine eine fatale Fehlentscheidung, die mit funktionierender Torlinientechnologie verhindert worden wäre. Fifa-Präsident Josef Blatter twitterte wenige Stunden danach, Torlinientechnik sei "keine Alternative mehr, sondern eine Notwendigkeit".

Dennoch ist Dünklers Unsicherheit begründet, denn spätestens seit der Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 nach Katar weiß jeder: Entscheidungen, die von der Fifa getroffen werden, sind nur selten das Ergebnis vernünftiger Abwägungen. Im IFAB, einem Gremium, das älter ist als die Fifa selbst, sitzen Vertreter der Fußballverbände aus Wales, Schottland, Nordirland und England, und natürlich Blatter, der Fifa-Boss.

Und da Geld oft eine zentrale Rolle spielt bei den Entscheidungen der Fifa, kursiert ein Verdacht, der Dünkler missfallen muss: Hawk-Eye gehört zum Sony-Konzern, der wiederum einer der bedeutsamsten Fifa-Sponsoren ist. "Darüber weiß ich nichts", sagt Dünkler, dessen Goal-Ref-System einen klaren Vorteil hat: "GoalRef braucht keine Sichtverbindung, der Torhüter kann auf dem Ball liegen und das System liefert trotzdem zuverlässige Daten", erläutert er.

Am Torpfosten montierte Antennen

Am Torpfosten montierte Antennen erzeugen ein Magnetfeld, das wie ein Vorhang im Tor hängt. Fliegt der Ball, in dessen Hülle Spulen eingebaut sind, hindurch, wird diese Information auf die Armbanduhr des Schiedsrichters gesendet. Hawk-Eye hingegen berechnet auf Grundlage der Bilder mehrerer Kameras, ob der Ball die Torlinie vollständig überschritten hat. Möglich ist sogar, dass beide Techniken zugelassen werden, und auch "andere Hersteller können jederzeit wieder in den Wettbewerb einsteigen, wenn sie die Testkriterien erfüllen", sagt Fifa-Sprecher Alex Stone. Erstmal geht es also vor allen Dingen ums Grundsätzliche: Technik, ja oder nein?

Die Bundesliga-Schiedsrichter, viele deutsche Funktionäre und die meisten Fans weltweit sind dafür, nur Michel Platini, der Präsident des Europäischen Fußballverbandes (Uefa), sträubt sich. "Ich bin gegen Technik im Fußball. Wo hören wir auf? Haben wir dann auch bald technische Hilfsmittel, um Abseits zu erkennen oder um zu sehen, ob der Ball im Toraus war?", fragt er. Aber selbst das ist für Bundesliga-Trainer wie Felix Magath kein Schreckensszenario, im Gegenteil. Dass Platini keine besseren Argumente hat, nährt den Verdacht, er wolle den vielen kleinen Fußballverbänden Europas, die ihn in sein Amt gewählt haben, mit seinen seit drei Jahren durch Europa reisenden Torrichtern einen Gefallen tun.

Für Nationen wie Albanien oder Lettland und ihre Klubs wäre die Einführung der Torlinientechnik ziemlich teuer, die Installation von Hawk-Eye etwa kostet 250 000 Euro pro Stadion. GoalRef ist etwas günstiger, "weil wir keine teueren Komponenten benötigen", sagt Dünkler, aber beide Systeme müssen gewartet werden. Torrichter hingegen werden honoriert, sie erhalten Spesen, generieren also Einnahmen, oftmals kleine Vermögen in diesen Ländern. Der Dank gilt Platini.

Blatter versucht derweil, sein Image des zweifelhaften Anführers einer korruptionsumwitterten Organisation abzustreifen und sich als aufgeschlossener Reformer zu profilieren. Er sei zuversichtlich, "dass die Zeichen der Zeit erkannt werden", twitterte er jüngst. Vor eineinhalb Jahren war er noch strikt gegen die Technik, nun würde er eine Einführung vermutlich als großen persönlichen Triumph feiern. Auch weil eine solche Entscheidung Platini, der sich zuletzt als Nachfolger Blatters auf dem Fifa-Thron positioniert hatte, empfindlich treffen würde.

Das große Ziel, den Fußball gerechter zu machen, könnte daher auch an diesem Donnerstag eine eher untergeordnete Rolle spielen. Kein Wunder, dass Dünkler mit gemischten Gefühlen nach Zürich reist.

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