Heynckes und der FC Bayern:Vielleicht weiß Hoeneß mehr als alle anderen

FC Bayern - Präsident Hoeneß

Große Zufriedenheit: Vereinspräsident Uli Hoeneß (Mitte) und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge (links) unterhalten sich hinter dem Rücken von Trainer Jupp Heynckes.

(Foto: dpa)
  • Auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern deuett Präsident Uli Hoeneß an, dass er sich einen Verbleib von Jupp Heynckes wünscht.
  • Der Trainer hatte unlängst jedoch ausgeschlossen, seinen Vertrag zu verlängern. Wie passt das zusammen?

Von Martin Schneider

Es war der allerletzte Satz des Abends. "Ja, das halte ich für möglich", sagte Uli Hoeneß, dann ging er aus der Halle. Drei Stunden und vierzig Minuten hatte die Jahreshauptversammlung des FC Bayern gedauert, es wurde viel gesagt und verkündet, es ging um einen Rekordumsatz, um einen Rekordgewinn, um rote Sitzschalen, um Nichtraucherschutz in der Arena, die Bilanz der Sportkegler wurde verlesen und das Mia-san-Mia-Gefühl beschworen. Es war also alles wie immer, bis sich Uli Hoeneß mit den letzten sechs Worten dazu entschied, einen als todsicher geglaubten Fakt einfach mal so wieder umzuwerfen.

Denn die Frage zur Antwort lautete: Könnte Jupp Heynckes auch über den Sommer hinaus Bayern-Trainer bleiben?

Warum widerspricht Hoeneß seinem Freund Heynckes?

Die Antwort auf diese Frage war bisher: Nein. Und Auskunft darüber hatte erst vor vierzehn Tagen ein gewisser Jupp Heynckes gegeben. Der sagte im Interview mit der Welt am Sonntag auf die Frage, ob er seinen Vertrag möglicherweise verlängert: "Nein, das ist ausgeschlossen." So eine Aussage lässt nicht viel Interpretationsspielraum. Als der Bayern-Trainer nach der 1:2-Niederlage gegen Gladbach auf die Aussagen angesprochen wurde, reagierte er ziemlich verärgert: "Ich weiß nicht, was Uli bewegt hat, so etwas zu sagen. Wir haben eine ganze klare Vereinbarung, und die geht bis zum 30. Juni. Ich möchte dazu nicht jede Woche Stellung nehmen. Das ist eine ganz klare Vereinbarung, dabei bleibt es auch. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Das war in der Generalversammlung und dann ist man schon einmal emotional", meinte Heynckes unmissverständlich.

Dass der Präsident sagt, der Trainer könnte bleiben und der Trainer sagt, er bleibe nicht - das ist im Fußball eine eher ungewöhnliche Situation.

Wie passt das zusammen? Auf der Jahreshauptversammlung wurde jedenfalls klar, dass der Trainer Jupp Heynckes ein Trainer ist, wie ihn sich der Mensch Uli Hoeneß erträumt. In seiner Rede lästerte Hoeneß, er habe nach der Verpflichtung gelesen, man hätte einen Trainer nehmen sollen, der "etwas von der Raute, von der Doppelsechs, von der falschen Neun oder von Packing" versteht.

Das war ein stückweit populistisch, natürlich kennt sich auch Jupp Heynckes mit all diesen Grundbegriffen aus. Aber wenn Heynckes etwa erzählt, er habe mit Arturo Vidal ein ernstes Gespräch geführt und seitdem trainiere der Chilene wieder besser - dann trifft das den Verstands- und Gefühlsmenschen Hoeneß in Kopf und Herz. Seitdem Jupp Heynckes wieder da sei, befinde sich der Verein in einem "Glückszustand", man "schwebe nur noch", rief Hoeneß den Mitgliedern entgegen. "Ich stehe hier als total zufriedener Mensch. Alles ist schön." Dass Heynckes sein langjähriger Freund ist und damit natürlich perfekt in die von Hoeneß immer wieder beschworene "Bayern-Familie" passt, das kommt noch dazu.

Dass Uli Hoeneß mit der Trainer-Lösung Heynckes maximal zufrieden ist, ist kein Geheimnis. Und vielleicht plagt den Präsidenten auch noch das schlechte Gewissen. Denn wie freiwillig Jupp Heynckes bei seinem letzten Engagement ging, das ist gar nicht so klar. Karl-Heinz Rummenigge musste Heynckes im Januar 2013 erklären, dass man die Gelegenheit habe, Pep Guardiola zu verpflichten und dass seine Trainerzeit im Sommer enden werde. Ein Spiegel-Journalist saß zu diesem Zeitpunkt im Büro von Hoeneß und zitierte ihn mit den Worten: "Das war eine schwierige Entscheidung, sie belastet mich. Das Herz und der Verstand, diese beiden Dinge muss man ...". Dass Jupp Heynckes ein paar Monate später das Triple gewinnen sollte, das wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Der Wagner-Wechsel dürfte sich zerschlagen

Gut möglich, dass Hoeneß diesen Fehler nicht mehr machen will. Und dann ist da auch noch der sehr banale Trainermarkt. Thomas Tuchel und Julian Nagelsmann gelten als Favoriten und bei Tuchel wird Hoeneß schon wissen, dass der sich mit Doppelsechsen und falschen Neunern sehr gut auskennt (und wenn nicht wird es ihm Guardiola gesagt haben, mit dem er sich während des Oktoberfestes nochmal zum Essen traf), der aber Borussia Dortmund bei seinem Abschied eher nicht in einem Schwebe-Zustand der Glückseligkeit hinterlassen hat. Und bei Nagelsmann hat Hoeneß gesehen, dass der mit Hoffenheim in der Europa League gerade an Sporting Braga, Ludogorez Rasgrad und Basaksehir Istanbul gescheitert ist.

Vielleicht weiß Hoeneß in der Causa Heynckes mehr als alle anderen, vielleicht wünscht er sich einfach nur, dass sein Trainer weitermacht. Vielleicht dachte er auch, er tue seinem Freund einen Gefallen, wenn er öffentlich sagt, er traue ihm ein weiteres Jahr zu. Wenn dem so wäre, hat das angesichts von Heynckes Verärgerung nach dem Gladbach-Spiel nicht geklappt. Aber dass Hoeneß sein neuer, alter Verein sehr gut gefällt, das hat er auf der Jahreshauptversammlung deutlich gemacht. "Vielleicht können wir nicht mehr so schnell laufen, aber unser Hirn funktioniert hundertprozentig", sagte er zum fortgeschrittenen Alter der Protagonisten.

Die übliche Pokerei im Fall Wagner?

Spannend wird natürlich sein, ob Karl-Heinz Rummenigge von einem weiteren Heynckes-Jahr genauso begeistert ist wie der Präsident. Die beiden Alphatiere beschworen auf der Jahreshauptversammlung ihre neue Einigkeit, es passe "kein Blatt Papier" mehr zwischen sie. Hoeneß polterte: "Es schießt bei Bayern jetzt wieder nur eine Kanone, die heißt Karl-Heinz Rummenigge", sagte er. Er selbst und der neue Sportdirektor Hasan Salihamidzic stünden lediglich "hinter ihm und reichen ihm die Kugel".

Sprach's und feuerte zwei Stunden später selbst wieder los. Die Verhandlungen mit der TSG Hoffenheim über Sandro Wagner, meinte Hoeneß auch noch, die scheinen sich im Moment eher zu zerschlagen, weil die Ablösevorstellungen "meilenweit auseinanderliegen." Wobei das noch als übliche Pokerei durchgehen könnte. Das Wohl des FC Bayern entscheidet sich nicht an der Verpflichtung eines Ersatzstürmers. An der Trainerfrage schon eher.

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