Herzkranker Profifußballer:"Ich habe mehrmals gedacht, dass ich sterbe"

Engelbrecht spielt mit Defibrillator Fußball

Zurück auf dem Fußballplatz: Daniel Engelbrecht spielt mit Defibrillator beim Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers

(Foto: dpa)

Daniel Engelbrecht vom Drittligsten Stuttgarter Kickers ist der erste deutsche Fußball-Profi, der mit einem Defibrillator spielt. Am Samstag kehrte er nach vier Herzoperationen auf den Rasen zurück. Im Interview spricht der 24-Jährige über seine Ängste.

Von Anna Dreher

Daniel Engelbrecht, 24, ist der erste deutsche Fußball-Profi, der mit einem Defibrillator spielt. Nach mehreren Operationen feierte der Stürmer der Stuttgarter Kickers trotz prognostiziertem Karriereende im Verbandspokalspiel gegen den SV Ravensburg (0:1) in der 76. Minute sein Comeback.

SZ: Herr Engelbrecht, hatten Sie Angst vor Ihrer Einwechslung?

Daniel Engelbrecht: Die Angst vor dem Spiel heute war natürlich da. Ich glaube auch nicht, dass ich die jemals los werde. Wieder in einem Pflichtspiel aufzulaufen, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Das war ein großer Schritt für mich. Ich habe ja Glück, dass ich noch lebe. Andere an meiner Stelle sind gestorben. Und nach der Diagnose hat keiner geglaubt, dass ich wieder zurück kommen würde. Umso schöner ist es jetzt zu sagen: Ich bin wieder da.

Auf Ihre Ärzte zu hören und Ihre Fußballkarriere zu beenden kam für Sie nicht in Frage?

Nein. Ich hätte mir das niemals verziehen, wenn ich es nicht versucht hätte. Ich habe mir dieses Ziel gesetzt und alles dafür gegeben. Ich habe mich an meinem Willen und Kampfgeist festgehalten und es so geschafft.

Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Das letzte Jahr war das schlimmste meines Lebens. Ich durfte nichts mehr machen, keinen Sport, keine Anstrengung - bloß keinen Stress. Ich habe mich verhalten wie ein 80-Jähriger. Durch die ganzen Medikamente war ich ständig müde, konnte nachts aber nicht richtig schlafen. Ich habe mich immer gefragt: Warum passiert mir das? Aber gut, irgendwann habe ich das akzeptiert.

Sie sind im ersten Heimspiel gegen Erfurt im vergangenen Jahr zusammengebrochen und erlitten danach gegen Kiel einen Schwächeanfall. Nach der Diagnose der Herzmuskelentzündung sind Sie insgesamt vier Mal operiert worden. Im Dezember wurde Ihnen der Defibrillator eingesetzt, danach die Herz-Rhythmus-Störungen durch das Vereisen von Narben behoben, zuletzt im Mai.

Ich war auch in psychologischer Behandlung. Ich litt unter Angst und Panikattacken. Es gab Phasen, in denen ich so viele Tabletten nehmen musste, dass ich Halluzinationen bekommen habe. Wenn ich nachts aufgewacht bin, habe ich Menschen durch mein Zimmer laufen oder an meinem Bett sitzen sehen. Das ging so weit, dass ich nicht mehr alleine schlafen konnte.

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Wie sind Sie damit umgegangen?

Ich bin wirklich durch die Hölle gegangen und habe mehrmals gedacht, dass ich sterbe. Das wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht. Ich war wie ein anderer Mensch. Das alles zu bewältigen war ein langer Prozess. Seit der letzten Operation nimmt die Angst aber jeden Tag und mit jedem Training ab. Der Fußball ist die beste Therapie für mich.

Ab wann konnten Sie wieder Sport machen?

Ich bin mit dem Start der Vorbereitung wieder eingestiegen, aber ganz langsam. Stück für Stück habe ich mich gesteigert und kann seit dem 1. November wieder voll trainieren.

Beschwerdefrei?

Es ist noch ungewohnt mit dem Defibrillator zu spielen, ich nehme den Ball ja doch öfter mit der Brust an. Aber ich trage einen Schutz und mit der Zeit gewöhne ich mich hoffentlich daran. Ich habe ja die Sicherheit, dass mich der Defibrillator wieder zurück ins Leben holt. Mein Ziel ist es jetzt, zu 100 Prozent meiner Leistung zu kommen. Mal schauen, wie mein Herz darauf reagiert. Vor allem an Fitness fehlt es noch. Einsätze von 20 Minuten gehen, für mehr habe ich keine Kraft.

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