Hertha siegt 4:3:"Um Himmel Herrgotts Willen"

FC Augsburg - Hertha BSC

Später Siegtreffer: Salomon Kalou trifft zum 4:3 gegen Augsburg.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

In einem nahezu bedeutungslosen, aber sehr unterhaltsamen Spiel gewinnt Hertha BSC gegen den FC Augsburg. Beide Mannschaften beschäftigen sich weniger mit der Gegenwart als mit der Zukunft.

Von Maik Rosner, Augsburg

Ein bisschen zerzaust sah Martin Schmidt hinterher aus, und wenn der Trainer des FC Augsburg mit seiner Prognose Recht behält, dann wird es seinen Spielern nach der Videoanalyse an diesem Sonntag ähnlich ergehen. Es sei durchaus zu erwarten gewesen, "dass es heute ein bisschen wilder wird und die letzte Konzentration fehlt", sagte Schmidt nach der sogar sehr turbulenten 3:4-Niederlage gegen Hertha BSC im letzten Heimspiel der Saison. Nicht einkalkuliert gewesen seien aber die eklatanten Schwächen in der Defensive, vor allem bei den Standardsituationen, in deren Folge alle vier Berliner Tore gefallen waren. "Ich glaube, dass sich alle die Haare raufen werden und sagen: 'Um Himmel Herrgotts Willen'", prophezeite Schmidt nach dem misslungenen Heimausstand vor der Videoanalyse mit seiner Mannschaft.

André Hahn (10.) und Michael Gregoritsch (50./FE und 70.) hatten die Augsburger dreimal in Führung gebracht, Marvin Plattenhardt (47.), Marko Grujic (66.) und Salomon Kalou (75.) glichen jeweils aus. Und als Schiedsrichter Guido Winkmann in der Nachspielzeit noch jenen umstrittenen Foulelfmeter verhängte, den Kalou verwandelte (90.+3), durfte sich Schmidts Berliner Kollege Pal Dardai über die ersten drei seiner angestrebten vier Punkte aus seinen letzten beiden Spielen als Hertha-Coach freuen. Zumal sich seine Mannschaft mit einer etwa eine Stunde lang überlegenen Vorstellung den späten Erfolg durchaus verdient hatte. "Wir wissen, wie schwierig das ist, wenn man im nächsten Jahr nicht mehr der Chef ist", sagte Dardai. Seine Spieler hatten sich dennoch sehr um den Sieg bemüht, vielleicht auch schon ein bisschen für ihren scheidenden Fußballlehrer. Zumindest haben sie sich das laut Kalou für den Saisonabschluss am kommenden Samstag gegen Bayer Leverkusen vorgenommen. "Wir wollen für den Coach gewinnen, das hat er verdient", sagte der Angreifer.

Vor allem mit Zukunftsthemen hatten sich beide Vereine in der zurückliegenden Woche beschäftigt. Bei den Augsburgern ging es vorranging um die Kaderplanung und um die Vorbereitung im Sommer, für die Trainer Schmidt auch "Wanderschuhe, Schlafsack, Taucheranzug" empfahl. Für Dong-Won Ji (künftig Mainz) sowie Christoph Janker und Jan-Ingwer Callsen-Bracker gilt das allerdings nicht, sie wurden nun kurz vor dem Anpfiff von Präsident Klaus Hofmann verabschiedet. Bei den Berlinern drehte es sich dagegen hauptsächlich um die Frage, welcher Trainer Dardais Nachfolge antreten und dann auch mögliche Teambuilding-Maßnahmen in der Vorbereitung einstreuen wird. Dass es auf U23-Coach Ante Covic hinauslaufen und ihm als einer von zwei Assistenten Mirko Dickhaut zur Seite gestellt werden soll, hatte die Bild-Zeitung berichtet.

"Wir haben eine sehr gute zweite Halbzeit gespielt - abgesehen von den Gegentoren"

Am Samstag sorgte die Gegenwart für vorübergehende Ablenkung, und auch wenn es dabei für beide Mannschaften um kaum etwas ging, entwickelte sich ein sehr munteres Spiel. Das lag auch daran, dass Hahn Augsburg mit Unterstützung von Herthas Ersatztorwart Thomas Kraft früh in Führung brachte. Für den am Knie operierten Stammkeeper Rune Jarstein war Kraft in die Startelf gerutscht und stand nun bei Hahns Distanzschuss seltsam weit links, weshalb der Ball recht mittig ins Netz fliegen konnte. Es war eine von vielen kleinen Unzulänglichkeiten, die den Vergleich der beiden Mannschaften aus dem gesicherten Mittelfeld der Liga prägten.

Die Berliner mühten sich bald um mehr Offensive, agierten dabei aber oft etwas umständlich und verfingen sich immer wieder in Augsburgs Abwehr. Der FCA startete derweil ein paar schnelle Gegenangriffe, häufig allerdings, ohne diese zielgerichtet zu Ende zu spielen. "Beiderseits fahrig" sei das Spiel gewesen, befand Schmidt später, "aber wir waren halt noch fahriger."

Kurz nach der Pause allerdings zeigten beide Mannschaften, dass ihnen an diesem Tag der vielen Ungenauigkeiten auch äußerst präzise Aktionen gelingen können. Zunächst vollendete Plattenhardt Ondrej Dudas Flanke volley mit der linken Innenseite zum 1:1. Drei Minuten später brachte der eingewechselte Gregoritsch Augsburg wieder in Front, mit einem Foulelfmeter, den er zentimetergenau neben dem Pfosten platzierte. Danach verfielen beide Mannschaften zunächst wieder in ihr Ballverlustspiel, ehe Grujic Valentino Lazaros Eckball per Kopf zum 2:2 in den Winkel schickte. Doch auch diesmal schlug Augsburg umgehend zurück, als Gregoritsch den Schnittstellenpass von Marco Richter zum 3:2 einschob. "Wir haben eine sehr gute zweite Halbzeit gespielt, abgesehen von den Gegentoren", sagte Dardai, "wir sind immer zurückgekommen."

Unterhaltsam ungenau und nur selten planmäßig ging es mit Vorteilen und vielen Torraumszenen der Hertha weiter. Schon fünf Minuten nach Augsburgs dritter Führung des Spiels glich Kalou mit einem Kopfball nach Lazaros Halbfeldflanke aus. Es war nun endgültig ein Augsburger Heimausstand geworden, der wie ein Nachmittag im Wellenbad daherkam. Das fügte sich ins Gesamtbild dieser Saison, die für den FCA äußert schwankend verlaufen war, in der ein Kentern aber trotz häufig schwerer See auch dank der schwächelnden Konkurrenz recht souverän abgewendet werden konnte. Künftig soll es gar nicht erst soweit kommen, so hoffen sie jedenfalls in Augsburg, und die Kaderplanung und Schmidts Teambuilding-Maßnahmen in den Bergen sollen dazu beitragen. "Wir haben einen langen und intensiven Sommer vor uns", kündigte der Trainer aus der Schweiz an. Er sah noch immer ein bisschen zerzaust aus nach diesem 3:4 zum Haareraufen.

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