Hertha - Mainz (17.30 Uhr):Nicht klug genug

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Unter der Woche in der Europa League ausgeschieden: Mainz um Jean-Philippe Gbamin (l.) gegen Saint-Etiennes Arnaud Nordin. (Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Von der Dreifachbelastung unfreiwillig befreit, geht es für Mainz 05 darum, die internationalen Plätze nicht aus dem Auge zu verlieren. Deshalb ist die Partie in Berlin ein Schlüsselspiel.

Von Tobias Schächter, Mainz

Sich kleiner machen, als man ist, bringt Sportlern keinen Vorteil. Das wissen sie beim FSV Mainz 05, seit Jürgen Klopp und Thomas Tuchel den Klub in der Bundesliga etabliert haben. Und auch der aktuelle Mainzer Trainer Martin Schmidt denkt eher groß als klein. Am Donnerstag schieden die Mainzer nach einem 0:0 beim AS St. Etienne aus der diesjährigen Europa-League aus, einen Spieltag vor Abschluss der Gruppenphase. Die Mainzer verloren international nur eines von bisher fünf Spielen - jenes aber mit 1:6 beim RSC Anderlecht, mit drei Gegentoren in der Schlussphase. Die Höhe und die Umstände der Pleite tun immer noch weh.

Ausgeschieden aber sind die Mainzer, weil sie im Hinspiel gegen St. Etienne in der letzten Minute noch den Ausgleich zum 1:1 kassiert haben und deshalb wichtige Punkte fehlen. "Wir waren in allen fünf Spielen nicht klug genug", analysierte Trainer Schmidt die Europapokalsaison der Mainzer, die in zehn Tagen mit einem Heimspiel gegen den FK Qäbälä aus Aserbaidschan ihren Abschluss findet. Aber Schmidt erklärte auch trotzig und in dem Wissen, dass die Mainzer bis auf drei Minuten in Anderlecht mit den beiden Gruppensiegern aus Belgien und Frankreich auf Augenhöhe konkurriert haben: "Wir nehmen die gemachten Erfahrungen mit, das Erlebte macht Lust auf mehr. Irgendwann wieder Europa-League zu spielen, ist ein Traum von uns allen."

"Ein klassisches Herausfordererspiel"

Durch das Aus in Europa sind die Nullfünfer in der Rückrunde die Dreifachbelastung los: Ausgeschieden aus dem Europapokal und dem DFB-Pokal, kann die Mannschaft sich nun voll auf die Bundesliga konzentrieren. Und den Mainzern ist es trotz der ungewohnt großen Belastung durch viele Spiele und viele Reisen in der Bundesliga gelungen, stabil zu punkten. Andere Überraschungs-Europapokal-Teilnehmer in der Vergangenheit wie Freiburg, Frankfurt oder Augsburg verkrafteten die Belastung nicht und fanden sich in der Liga sofort im Abstiegskampf wieder. Die Mainzer hingegen stehen derzeit auf dem achten Tabellenplatz mit 17 Punkten in Lauerstellung auf die Europapokalplätze. Und mit einem Sieg am Sonntag bei Hertha BSC wäre das Minimal-Saisonziel 40 Punkte schon nach Spieltag zwölf zur Hälfte erreicht.

"Das ist ein klassisches Herausforderspiel", sagte Martin Schmidt vor der Reise nach Berlin. Intern groß denken und als Herausforderer für Überraschungen sorgen - das ist das Mainzer Erfolgsmotto. Die aktuelle Elf liegt auch deshalb auf Kurs in der Liga, weil sie jene richtungsweisenden Spiele gewinnt, die sie gewinnen muss (z.B. am vergangenen Wochenende gegen den SC Freiburg), um den Blick weiter nach oben richten zu können. Diese Eigenschaft zieht sich durch die gesamte Amtszeit des Schweizer Trainers und zeugt von einer mentalen Stärke der Spieler, die Schmidt durch sein Training fördert, das auch auf internen Wettbewerb ausgelegt ist.

Im Winter soll der Kader reduziert werden

Ein Sieg bei den um vier Punkte besser platzierten Berlinern ließe die sportliche Perspektive noch besser aussehen. Bis zur Winterpause folgen dann noch das Heimspiel gegen den FC Bayern, eine Auswärtspartie in Mönchengladbach, das Heimspiel gegen den HSV und kurz vor Weihnachten das Derby bei Eintracht Frankfurt. Erst wenn dieses Spiel gespielt ist, wollen Manager Rouven Schröder und Trainer Schmidt entscheiden, ob und wie der auf die Dreifachbelastung zusammengestellte Kader in der Wintertransferperiode reduziert werden könnte. Bislang wenig eingesetzte Spieler wie José Rodriguez, Besar Halimi oder Gerrit Holtmann sind potenzielle Leih- oder Verkaufskandidaten.

Ob der Klub bereit wäre, Yunus Malli in diesem Winter bei einem entsprechenden Angebot ziehen zu lassen, ist eine interessante Frage. Der türkische Nationalspieler spielt eine beeindruckend konstante Halbserie bisher, der Zehner hat sechs Treffer erzielt und gilt als unersetzlich. Im vergangenen Winter lehnte der Klub, damals noch von Christian Heidel (jetzt Schalke) gemanagt, ein Angebot von Borussia Dortmund über zehn Millionen Euro Ablöse für Malli ab. Der Vertrag des in Kassel geborenen Deutsch-Türken läuft im Sommer 2018 aus, im Winter wäre die Ablöse frei verhandelbar, im Sommer würde eine Ausstiegsklausel greifen, die eine Ablösesumme von rund zehn Millionen Euro vorsieht. In dem auf den meisten Positionen doppelt besetzten Mainzer Kader gibt es aktuell keinen Spieler, der Malli ersetzen könnte.

Aber zunächst ist es wichtig, den Blick weiter nach oben richten zu dürfen. In Berlin geht es für die Mainzer nur drei Tage nach dem Europapokal-Aus von St. Etienne genau um diese Perspektive.

© SZ vom 27.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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