Die Bilder, mit denen sich Hertha BSC in die Länderspielpause verabschiedet hatte, waren ungewöhnlich: eine jubelnde Einheit, befreit vom Joch der Erfolglosigkeit, begeistert von ihrem Co-Trainer Mark Fotheringham, der wirkte, als wäre er der inspirierenden Fußball-Serie "Ted Lasso" entstiegen und habe alle mitgerissen, zum 3:0 gegen Hoffenheim. Zwei Wochen später war alles wieder wie verschüttet. Die Berliner Elf wirkte nun wie ein Abbild ihres Cheftrainers Felix Magath, der das Spiel in Leverkusen, höflich formuliert, wie ein Pokerspieler verfolgte: Er ließ das 1:2 äußerlich emotionslos über sich ergehen.
Keine Frage, der inzwischen 68-Jährige hat zu viele Bundesliga-Spiele miterlebt - über 300 als Spieler, 656 als Trainer -, um bei jeder Gelegenheit wie ein HB-Männchen in die Luft zu gehen. Aber mehr als ein Häuptling der Apathischen dürfte er schon sein.

Hertha BSC:Magath schwärmt
Nach Corona-Infektion und Kurztrainingslager wird der Trainer nach neuneinhalb Jahren in die Bundesliga zurückkehren. Und siehe da: Es hat offenbar gefunkt zwischen Magath und seinem neuen Team.
Zumal sich die Teilnahmslosigkeit nach dem Abpfiff fortsetzte: "Wir haben beim Tabellendritten gespielt", begann Magath seine Analyse mit mindestens zwei Ausrufezeichen, so als wäre das in dieser Saison notorisch wacklige Leverkusen für die Hertha eine unerreichbare Größe. Ob er glaubt, seine Mannschaft auf diese Art anzustacheln? "In der ersten Halbzeit haben wir zu wenig Kampf angeboten, das darf in unserer Situation nicht sein", monierte Magath zu recht. Nach dem 3:0 gegen Hoffenheim, das er wegen einer Corona-Infektion nur von daheim erleben konnte, "hatte ich geglaubt, dass allen klar ist, dass wir über den Kampf und den Einsatz kommen müssen". Aber Pusteblume.
Erst am Sonntagmorgen zeigte sich Magath dann kämpferisch. Da rief er auf dem Trainingsplatz, für Profis und Zaungäste unüberhörbar: "Ihr habt euch selbst in diese Situation gebracht, ich war das nicht - Ihr müsst euch da auch selbst wieder rausholen."
Nach der Pause kommt die Hertha über zwei Halbchancen nicht hinaus
Immerhin wollte der Analytiker Magath in Leverkusen eine Steigerung gesehen haben, was ein unzureichend verstecktes Lob an den Übungsleiter Magath war: "Die zweite Hälfte war besser", fand also der Trainer, "da haben wir besser ausgesehen und Leverkusen auch in Verlegenheit gebracht." Das war eine eigenwillige Ansicht, weil die Hertha nach dem Wechsel nicht mehr als zwei Halbchancen hatte. Nur weil Leverkusen es versäumte, das dritte Tor nachzulegen, war der Ausgleich bis in die Nachspielzeit möglich.
Das bestätigte Bayer-Trainer Gerardo Seoane, der "ab der 75. Minute etwas unruhig" wurde, weil "die vier vorderen Spieler ihre Chancen nicht nutzten - und einige zu müde wurden, um nach hinten zu arbeiten". Die Sorgen des Schweizers waren jedoch unbegründet. Das Fazit von Leverkusens Torwart Lukas Hradecky bei Sky klang zwar launig ("Die Hertha mit Magath ist schwierig zu spielen, die Spieler beißen für den Trainer"), aber dann hatten die Berliner offenbar ihre Gebisse vergessen.

Streit bei Hertha BSC:"Doof isser also auch noch"
Im Streit bei Hertha BSC wird's nun persönlich: Axel Kruse, früherer Bundesligastürmer des Vereins, attackiert Investor Lars Windhorst - mit drastischen Worten.
Von den Lehren des Trainingslagers in Harsewinkel, über das Magath noch am Freitag geschwärmt hatte, war jedenfalls nur wenig hängen geblieben. Hertha machte sich zwar sofort am gegnerischen Strafraum breit und hatte im anfänglichen Bayer-Chaos die erste Chance durch Mittelstädt. Das Problem war nur: Nach zwei Minuten war die Phase auch schon wieder vorbei. Und dann wurde das gefordert, was die Hertha in dieser Saison noch schlechter kann als angreifen - verteidigen.
Moussa Diaby bereitet beide Leverkusener Treffer vor
Der neue Trainerstab kann ja schlecht selbst die Räume verengen, wenn es einem Team wie Bayer gelingt, die Bälle mit etwas größerer Präzision und höherem Tempo zirkulieren zu lassen. Zwei elegante Dribblings von Moussa Diaby reichten, um die Berliner Löcher zu enttarnen, Tore von Alario (33.) und Bellarabi (40.) waren die Folge. Die Gäste zeigten in dieser Phase außerhalb des Platzes mehr Einsatz als darauf - Edelreservist Kevin-Prince Boateng wurde verwarnt, weil er in der Entstehung des zweiten Treffers ein Foul gesehen haben wollte.

Immerhin: Es bedurfte keiner Drohgebärden von der Seitenlinie, um die Hertha ins Spiel zurückzubringen. Das übernahmen die Leverkusener, die in dieser Spielzeit bekannt dafür sind, mit 2:0-Führungen nachlässig umzugehen. Nach Daridas Anschlusstor (42.) fragte man sich, ob die Hertha begriffen hatte, dass man Leverkusen am besten in der Defensive knacken kann? Würde das Team mit Nachdruck auf den Ausgleich drängen? Die Antworten lauteten: Nein und nein. Die Gäste standen bald wieder arg tief, so als hätte jemand den Spielern einen falschen Zwischenstand übermittelt. Die Berliner liefen viel mehr (124,6 km) als die Leverkusener (113,6) - aber sie liefen eben viel hinterher.

Hertha BSC:Der Fluch des Pharao
Ohne den positiv auf Corona getesteten Felix Magath geht Hertha BSC gegen Hoffenheim in die Schlussphase des Abstiegskampfes. Die Infektion des Retters ist nur die jüngste Pointe einer Kette grotesker Geschehnisse.
So sehr die Berliner anschließend versuchten, die Ereignisse des Tages kleinzureden - die Fakten erzählten eine andere, niederschmetternde Geschichte: Torwart Schwolow verletzt ausgewechselt, Defensiv-Rackerer Niklas Stark verletzt ausgewechselt, das ganze Team zu brav in den Zweikämpfen, 1:2 verloren, nur eine echte Großchance herausgespielt, auf Platz 17 abgerutscht - und jetzt kommt Union Berlin zum Derby. "Da müssen wir zulegen", sagte Felix Magath völlig zu recht.