Hertha BSC und Klinsmann:Auf die Bretter geschickt

Hertha BSC Berlin: Pressekonferenz nach dem Rücktritt von Jürgen Klinsmann

Hertha-Präsident Werner Gegenbauer (v.l.), Investor Lars Windhorst und Manager Michael Preetz am Donnerstag.

(Foto: REUTERS)
  • Die Verantwortlichen von Hertha BSC rechnen mit Ex-Trainer Klinsmann ab.
  • "Das kann man als Jugendlicher vielleicht machen", sagt etwa Lars Windhorst über die Art und Weise von Klinsmanns Abgang.
  • Gleichzeitig erneuert Windhorst sein Bekenntnis zum Hauptstadtklub - sein Investment könne "am Ende auch 20 oder 30 Jahre" dauern.

Von Javier Cáceres, Berlin

Jürgen Klinsmann kann wohl von Glück sagen, dass der Faustkampf nicht die Sache des Lars Windhorst ist. Denn als sich der Großinvestor des Bundesligisten Hertha BSC am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Berlin den Medien stellte, um zwei Tage nach dem Rücktritt des seit Dienstag vormaligen Hertha-Trainers Klinsmann ein paar Dinge klarzustellen, sah er sich auch bemüßigt, eine Zeitung zu korrigieren. Anders als er gelesen habe, "schlage ich niemanden k. o.", sagte er.

Ein paar Minuten später lag Klinsmann dann doch auf den Brettern, zumindest im übertragenen Sinne. Denn als er auf die Art und Weise zu sprechen kam, wie Klinsmann, 55, nach 76 Tagen sein Engagement bei Hertha beendete, da holte der noch immer jungenhaft wirkende Windhorst, das einstige Wunderkind von Altkanzler Helmut Kohl also, recht ansatzlos aus. Jab, rechte Gerade, Haken und Uppercut.

"Es ist nicht akzeptabel", sagte Windhorst also über Klinsmanns Gebaren, "das kann man als Jugendlicher vielleicht machen. Aber im Geschäftsleben, wo man unter Erwachsenen ernsthafte Vereinbarungen hat, sollte so etwas nicht passieren."

Der Donnerstag war, wie erwartet werden musste, nicht der beste Tag für Jürgen Klinsmann. Am Mittwochabend hatte er sich bei Facebook gemeldet und einen ziemlich kurios anmutenden Vortrag gehalten. Als wollte er das berühmte Scherzgedicht ("Dunkel war's, der Mond schien helle ...") weiterdichten, erklärte er unter anderem, dass sein wohlüberlegter Entschluss, zurückzutreten, impulsiv gewesen sei. Er nannte seine eigene Demission "fragwürdig und kritikfähig" und zeigte Reue. Dann ging er allerdings zum Angriff über und beteuerte, dass er bei Hertha in einem "vertragslosen Zustand" gewesen sei, was man als Verstoß gegen die Lizenzordnung interpretieren könnte.

Das diente Herthas Präsidenten Werner Gegenbauer zur Ouvertüre einer Vorführung, die sich mitunter am Rande der Vernichtung bewegte. Natürlich habe es einen Vertrag gegeben, erst einen mündlichen, dann einen schriftlichen, sagte Gegenbauer, und zieh Klinsmann damit der Unwahrheit. Bei Manager Michael Preetz kam Klinsmann dann auch nicht besser weg.

Preetz rechnet ab

Am Vorabend hatte Klinsmann gesagt, es sei ihm "unheimlich aufgestoßen, dass da immer noch der Manager saß, der zu allem seine Kommentare abgab". Darüber hätte man reden können, sagte Preetz und rechnete dann elegant mit dem Deserteur ab: "Das kann man aber nicht, wenn man sich umdreht und davonläuft."

Worte des Bedauerns hauchte im Grunde nur Windhorst, der im Sommer über seine Investmentgesellschaft Tennor 224 Millionen Euro für knapp die Hälfte der Profiabteilung Herthas bezahlt und dann Klinsmann als sportlichen Berater engagiert hatte. Klinsmann habe sich "mit Energie" eingebracht, sei auch ein Gewinn für Hertha gewesen, "wir waren wegen ihm kurz davor, neue Sponsoren an Land zu ziehen, deswegen ist es umso bedauerlicher, wie es geendet hat", das heißt: "abrupt" und in einer Weise, die es unmöglich mache, Klinsmann im Hertha-Aufsichtsrat zu belassen. Sein Mandat ruhte seit Ende November, "und er wird nicht mehr (...) berufen", stellte Windhorst klar.

Hertha ist laut Windhorst ein "Value"-Investment

Wer Klinsmann nun ersetzt (und wer außerdem für Tennor bzw. Windhorst in den Aufsichtsrat rückt), muss noch geklärt werden. Er schlage auch nie Türen zu, "ob wir in einigen Monaten in anderer Form auf ihn und seinen Rat zurückgreifen können", sei noch zu klären. Ansonsten versuchte Windhorst, mögliche Bedenken zu zerstreuen, sein Engagement bei Hertha folge ausschließlich der Erwartung von kurzfristigem Profit. "Das hört sich vielleicht befremdlich an", sagte Windhorst. Aber: Er unterscheide zwischen sogenannten "Cash-Flow"-Investments einerseits und "Value"-Investments andererseits, also zwischen Unternehmungen, bei denen man auf den schnellen Reibach oder üppige Dividenden hoffen könne, und solchen, bei denen man darauf baue, dass sich der Wert langfristig steigere. Das sei bei Hertha der Fall. "Gehen Sie davon aus, dass das Investment unserer Holding mindestens über die nächsten zehn Jahre gehen wird, es können am Ende auch 20 oder 30 Jahre sein", sagte er - das war im Lichte seiner unternehmerischen Biografie dann doch verblüffend. Denn so viele Firmen, denen Windhorst mehr als fünf Jahre treu blieb, fallen einem auf Anhieb nicht ein.

Gleichwohl: Es sei absurd zu glauben, dass er die Absicht habe, seine Anteile kurzfristig zu veräußern. Er erinnerte auch daran, dass Tennor "reines Eigenkapital investiert" habe - also Geld, das gar nicht zurückgefordert werden könne. Ausflüge in die Welt des Fußballpopulismus unternahm er jenseits einer blau-weißen Hertha-Fahne am Revers seines Sakkos nicht. Weder gerierte er sich als Kenner noch als Liebhaber des Fußballs, was durchaus etwas Gewinnendes hatte. Zumal er die von ihm geprägte, längst zur Phrase geronnene Wortgruppe "Big City Club" umschiffte.

Langfristig soll Hertha "ein in Deutschland und Europa bedeutender Fußballklub" werden

Dafür betonte er, er wisse sehr genau, dass er sich in eine Branche begeben habe, die "nicht zu 100 Prozent berechenbar" sei und bei der sich Zeitpläne verschieben können. Er habe in seinem Unternehmen auch kritische Stimmen gehört, die wegen der berühmten 50+1-Regel, die dem Einfluss von Investoren einen Riegel vorschiebt, daran erinnerten, dass sie "nicht die Kontrolle, nicht die Durchgriffsmöglichkeit haben". Es sei ihm auch klar, dass sich die bereits bezahlten 224 Millionen Euro "als nicht ausreichend" entpuppen könnten, es sei denkbar, dass mehr Geld nachgeschossen werde. Zur Erinnerung: Im soeben geschlossenen Wintertransferfenster hat Hertha knapp 80 Millionen Euro allein für Ablösen ausgegeben - mehr als jeder andere Verein der Welt.

Daraus erwachsen Ansprüche, die Windhorst in kalter, fast schon erbarmungsloser Logik formulierte: "Ein Verein mit wenig Geld und mit dann viel mehr Geld (...) soll sich weiterentwickeln, soll Fortschritte machen." Und das bedeutet, dass Hertha "langfristig ein in Deutschland und Europa bedeutender Fußballklub" werden müsse. Das Potenzial habe es schon in der Vergangenheit gegeben, ausgeschöpft wurde es nicht, wozu ihm die seit gut einem Jahrzehnt als Manager und Präsident agierenden Michael Preetz und Werner Gegenbauer sicher gern Auskunft geben.

Erst Klassenverbleib - dann Europa und Champions League

Erst mal müsse - mit dem vorerst weiteragierenden Trainer Alexander Nouri - der Klassenverbleib gesichert werden, dann müssten die Ziele Europa und Champions League angegangen werden, und sollten diese verfehlt werden, dann müsse man "sich zusammensetzen und fragen: Woran lag's?" In seinen Augen gebe es aber "keine Gründe, warum Hertha BSC nicht bald zu den Topklubs in Deutschland und Europa gehören soll", sagte Windhorst und gab dann doch noch seine Unkenntnis der Materie zu erkennen.

Fußball sei "keine Rocket-Science", sagte er, keine Raketenwissenschaft, "da muss keine Formel geknackt werden". Das stimmt. Fußball ist komplizierter als das.

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