Hertha BSC:Willkommen im Big Business Club

Hertha BSC: Der neue Partner in der Mitte: Josh Wander, Gründer und CEO von "777 Partners", flankiert von Hertha-Präsident Kay Bernstein (links) und Klub-Geschäftsführer Thomas Herrich.

Der neue Partner in der Mitte: Josh Wander, Gründer und CEO von "777 Partners", flankiert von Hertha-Präsident Kay Bernstein (links) und Klub-Geschäftsführer Thomas Herrich.

(Foto: Engler/Nordphoto / Imago)

Bei der Vorstellung des neuen US-Investors "777 Partners" betont Hertha-Präsident Kay Bernstein, die "Zeit des Größenwahns" sei vorbei. Offenbar werden große Teile der ersten Tranche gleich für den Schuldendienst benötigt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Zumindest an Zuneigung in fernen Ländern dürfte es Hertha BSC in naher Zukunft nicht mehr fehlen. Oder: an Emojis in der wundersamen Welt der sozialen Netzwerke.

Am Sonntagabend hatte der italienische Zweitligist FC Genua sein Spiel gegen Ternana Calcio mit 1:0 gewonnen, der sofortige Wiederaufstieg in die Serie A ist damit ein wenig wahrscheinlicher geworden; Genua ist in der Serie B Tabellenzweiter. Den Sieg quittierte im fernen Brasilien der brasilianische Traditionsklub Vasco da Gama umgehend bei Twitter - mit einem angespannten Oberarm und einer abhebenden Rakete, die unter den Sieger-Tweet Genuas drapiert wurden.

So viel Aufmerksamkeit ist nicht grundlos: Vasco da Gama und Genua gehören "777 Partners", einer Private Equity Firma aus Miami, USA, die ihre Galaxie soeben um einen weiteren, zuletzt arg verglühten Stern erweitert hat: Hertha BSC.

Man wohne "einer Trauerfeier" bei, betont Bernstein zur Verblüffung des Saals

Am Montagmittag stellte sich Joshua "Josh" Wander, einer der Eigner von "Triple Seven", den Medien vor, und er beließ es bei sehr diskreten Anspielungen auf seine neue Erwerbung, durch eine weitgehend blau gehaltene Kleidung. Zum dunklen Business-Anzug trug er, immerhin, eine herthablaue Krawatte, auf der - zumindest auf den ersten Blick - mehr (weiße) Punkte zu erkennen waren, als Hertha seit 2019 in der Bundesliga gesammelt hat.

2019 - das war im Übrigen das Stichwort, das Hertha-Präsident Kay Bernstein nannte und das die neue Liaison begründete. 2019 war das Jahr des Einstiegs des vormaligen Hertha-Investors Lars Windhorst, der nun seine Anteile an Wanders Triple Seven verkaufte.

Wenn man so wolle, wohne man einer "Trauerfeier" bei, betonte Bernstein zur Verblüffung des Saales: "Wir haben die große Hoffnung, dass mit dem heutigen Tag das Label 'Big City Club' beerdigt wird", die "Zeit des Größenwahns" sei nun endgültig vorbei. "Big City Club" - das war der Begriff, der durch Windhorst im Zusammenhang mit der Hertha zum geflügelten Wort wurde - und zum Synonym für Unruhe, zahlreiche Trainerwechsel, "das Geld, das wir verbrannt haben", wie Bernstein sagte. Nun soll Hertha zu einer Art Big Business Club werden. Sagte jedenfalls Wander, der einerseits romantisch rüberkommen wollte ("dies ist ein Ehrfurcht gebietender Moment"), aber eben doch ein Businessmensch ist, der über Milliarden gebietet. Im Jahr 2023 hätten die Menschen in Europa begriffen, dass Fußballklubs "nicht wie Vereine, sondern wie ein Business geführt" werden müssten, sagte Wander.

Kalt wurde Hertha-Präsident Bernstein darob nicht, obwohl er ehedem der Vorsänger der Hertha-Ultras in der Ostkurve des Olympiastadions war: "Es ist ein sehr guter Tag für Hertha." Die Fans, die Sorgen um ihren Klub haben, verstehe er, man müsse sie halt mitnehmen. Womit wir wieder bei den nackten, kalten Zahlen wären.

Der Deal muss erst noch von der DFL abgesegnet werden. Einwände werden nicht erwartet

Wobei: Wie viel Geld er für die rund 64 Prozent an der Profiabteilung Herthas an Windhorst bezahlt, verriet Wander aus Gründen der strengen Vertraulichkeit nicht. Der Betrag liegt dem Vernehmen nach deutlich unter der Summe von jenen 374 Millionen Euro, die Windhorst seit dem ominösen Jahr 2019 bezahlt und Hertha "verbrannt" hat, um das Verb von Bernstein aufzugreifen.

Wander bestätigte allerdings, dass der Hertha insgesamt 100 Millionen zugesagt wurden. Offenbar fließt knapp ein Drittel dieser Summe mehr oder weniger sofort. Das ist für die Hertha wohl ein Segen, um es milde auszudrücken. Denn es ließe sich vortrefflich spekulieren, ob die Lizenz für Hertha in Gefahr gewesen wäre, wenn der Deal mit Triple Seven noch gescheitert wäre. Hertha rechnet für das laufende Geschäftsjahr mit einem neuerlich hohen Verlust (64 Millionen Euro), einem negativen Eigenkapital von 15 Millionen Euro; bis zum Jahresende müssen Verbindlichkeiten von knapp 90 Millionen Euro bedient werden.

Hertha-Geschäftsführer Thomas Herrich erklärte, dass die Übereinkunft mit 777 Partners "ein zentraler Baustein" beim Nachweis der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit sei und beim Abbau der Verbindlichkeiten der Vergangenheit. Herrich zufolge muss der Deal noch von der Deutschen Fußball-Liga DFL abgesegnet werden; sie muss darüber wachen, dass der Einstieg den Vorgaben der "50+1-Regel" entspricht. Sie begrenzt in Deutschland den Einfluss von Investoren. "Wir haben vollen Respekt dafür, wie Fußball in Deutschland organisiert ist. Das ist eine Partnerschaft", unterstrich Wander. Einwände der DFL erwartet Hertha nicht.

Triple Seven, das unter anderem auch in der Flugindustrie, in der Medienbranche und bei (Finanz-)Dienstleistungen tätig ist, wuchs in den vergangenen Jahren zu einem der prominentesten Player im wachsenden Markt der Unternehmen heran, die mehrere Klubs kontrollieren. Im September kam das Schweizer Centre International d'Étude du Sport (CIES) auf rund 200 Klubs weltweit, die sogenannten "Multi-Club-Ownership"-Strukturen unterworfen sind. Triple Seven ist nicht nur bei Hertha, dem FC Genua und Vasco da Gama vertreten, sondern auch Besitzer von Red Star Paris, Standard Lüttich (Belgien), Melbourne Victory (Australien) und FC Sevilla (Spanien). Anders als etwa bei Red Bull (Leipzig, Salzburg, New York, Bragança/Brasilien) gebe es bei Triple Seven keine Hierarchisierung der Klubs, betonte Wander. Auf die Frage, ob sein Engagement an konkrete finanzielle oder sportliche Ziele geknüpft sei, antwortete er: "No".

Bei der Entlassung des Managers Fredi Bobic sei der Investor "natürlich involviert" gewesen

Was dann? Natürlich ziele man auf Rendite, langfristig. Man hoffe auf "Synergien" in Geschäftsfeldern, die bei den Klubs vergleichbar seien - etwa in Bereichen wie Marketing, Funktionalität, Technologie. Auch auf sportlichem Gebiet wird es Berührungspunkte geben, vornehmlich unter der Aufsicht von Johannes Spors aus Heidelberg, der unter anderem in Deutschland für RB Leipzig und den Hamburger SV gearbeitet hat und nun bei Triple Seven "Global Sports Director" ist.

Man werde mit Hertha zusammenarbeiten, sagte Wander - und hat dies auch in den vergangenen Wochen wohl schon getan. Sowohl bei der Entlassung des Managers Fredi Bobic - der juristisch gegen seine fristlose Kündigung vorgeht - als auch bei diversen Transferaktivitäten sei Triple Seven "natürlich involviert" gewesen. "Es ist etwas ganz Normales, wenn man sich da austauscht", sagte Bernstein.

Was in jedem Fall nicht geschehen wird: ein Hertha-Leben auf breitem Fuß, wenn das Transferfenster wieder offen ist. Wenn man es für sinnvoll erachte, werde man "mehr Geld investieren", sagte zwar Wander, aber auch er betonte auffällig oft, dass es ihm um finanzielle Nachhaltigkeit gehe. "Der Größenwahn der vergangenen Jahre ist vorbei", sagte Bernstein in Anspielung auf die Zeiten als Big City Club.

Zur SZ-Startseite
Hertha-Investor Windhorst

SZ PlusHertha-Investor Lars Windhorst
:"Ich werde niemals aufgeben. Nie."

374 Millionen und trotzdem Letzter: Lars Windhorst, Geldgeber von Hertha BSC, spricht über die Ziele seines Investments, Managementfehler und fehlende Siegermentalität - und er kündigt, falls nötig, weitere Zahlungen an.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: