Süddeutsche Zeitung

Hertha - Gladbach (17.30 Uhr):Favres Liebling

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Mönchengladbach steht vor dem Einzug in die Champions League. Auch dank Raffael, der seinem Coach seit zehn Jahren folgt.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Am 19. März musste der Mönchengladbacher Fußballmanager Max Eberl eine Raffael-Frage beantworten. Es waren noch vier Tage bis zum Auswärtsspiel beim FC Bayern, einem Spiel, für das sich die Gladbacher auch deshalb nur limitierte Siegchancen ausrechneten, weil ihr Spielmacher Raffael seit Wochen in einem bedenklichen Zustand zu sein schien. Der 30-jährige Brasilianer hatte zwischen Oktober und März in 14 Bundesliga-Spielen nacheinander kein einziges Tor geschossen und auch keines vorbereitet, er hatte oft müde und teilnahmslos gewirkt, dann aber bei einem 2:2 in Mainz beide Tore erzielt.

Die Frage, die Eberl vier Tage vor dem wegweisenden Auswärtsspiel in München gestellt bekam, lautete: "Was ist mit Raffael los?"

Eberl überlegte nicht lange, bemühte sich nicht um Worte, machte nicht den Versuch einer umfangreichen Analyse von Raffaels schwankender Formkurve, sondern sagte nur im Brustton der Überzeugung: "Der kommt wieder!" Vier Tage später schoss Raffael beide Gladbacher Treffer zum 2:0-Auswärtssieg in München, dann einen weiteren beim 4:1-Sieg in Hoffenheim sowie einen beim darauffolgenden 3:1 gegen Dortmund.

Bruder Ronny spielt noch in Berlin

Mit seinem zentral-offensiven Spielmacher ist Borussia Mönchengladbach in den vergangenen Wochen auf Champions-League-Kurs eingebogen. Gladbach ist in der Bundesliga seit zehn Spielen unbesiegt, hat sieben davon gewonnen und erreichte drei Unentschieden. Sie haben sich ganz nahe an den Tabellenzweiten VfL Wolfsburg herangeschlichen und können sich als Dritter direkt oder als Vierter über eine Qualifikationsrunde erstmals für die Champions League qualifizieren.

Ausgangs einer Saison, die zwar durchgängig effektiv, aber durchaus auch von großen Wellenbewegungen geprägt ist, spielten sich die Gladbacher zuletzt mehrfach in einen Rausch. Und im Auge dieses Wirbelsturms: spielt Raffael.

Raffael Caetano de Araujo, vor gut 30 Jahren in Brasilien geboren, ist als 18 Jahre altes Talent einmal um den halben Erdball in die Südschweiz zum FC Chiasso gewechselt - und von dort 2005 zum FC Zürich. Beim FC Zürich war vor zehn Jahren ein Mann namens Lucien Favre Trainer. Es sollte der Beginn einer besonderen Beziehung zwischen den beiden sein. Favre holte Raffael 2008 zu Hertha BSC Berlin und 2013 zu Borussia Mönchengladbach, und wenn man die durchschnittlichen Scorerpunkte heranzieht, also jene Ausbeute aus Toren und Torvorlagen im Schnitt pro Spiel, dann kann man über Raffael heute sagen: Er ist von Station zu Station immer besser geworden.

Er wird diese Topform auch an diesem Sonntag brauchen. Dann gastiert er mit seinen Gladbachern um 17.30 Uhr im Berliner Olympiastadion bei seinem früheren Klub Hertha BSC, bei dem noch sein Bruder Ronny spielt.

Wer ersetzt demnächst Sturmpartner Kruse?

In Berlin bestritt Raffael binnen vier Jahren 110 Bundesligaspiele und kam bei 47 Scorerpunkten auf einen Schnitt von 0,43 pro Spiel. Beim FC Schalke 04 absolvierte Raffael binnen eines halben Jahres 16 Bundesliga-Spiele und kam bei 7 Scorerpunkten auf einen Schnitt von 0,44. In Mönchengladbach machte Raffael seit dem Sommer 2013 bislang 61 Bundesliga-Spiele und kommt bei 32 Scorerpunkten auf einen Schnitt von 0,52 pro Spiel. Raffael wird immer effektiver - und das, obwohl immer mal wieder ein Spiel an ihm vorbeiläuft und er teilnahmslos über den Platz zu irren scheint.

Zuletzt hat bei ihm aber irgendetwas gezündet. Fünf Tore von ihm in den jüngsten vier Auswärtsspielen haben Gladbach zwei Siege und zwei Unentschieden eingebracht und den Traum von der Champions League immer größer werden lassen. Raffael und Max Kruse tricksen bisweilen miteinander wie zwei Zauberer in einer Las-Vegas-Show.

Allerdings droht das magische Duo schon zur kommenden Saison gesprengt zu werden, wenn Kruse im Sommer - wie allenthalben berichtet - zum VfL Wolfsburg wechseln sollte. Der Sportchef Max Eberl muss dann einen neuen Partner für Raffael suchen, einen mitspielenden Mittelstürmer mit großem Aktionsradius, und wen auch immer Eberl für diese Aufgabe finden sollte, die wichtigste Nachricht für Raffael ist eine andere: Lucien Favre wird auch in der kommenden Saison ziemlich sicher Trainer bei Borussia Mönchengladbach sein.

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SZ vom 03.05.2015
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