Hertha BSC gegen Frankfurt:Billige Gegentore mehren die Zweifel

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Niklas Stark und Hertha hatten einen frustrierenden Abend gegen die Eintracht. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Die Hertha ist am Freitag kurzzeitig Tabellenführer, doch dann geht beim 1:3 gegen die Eintracht vieles schief - von den Beteiligten kommt deutliche Selbstkritik.

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Der Ruf, der durch das dunkle, Berliner Olympiastadion hallte, hatte etwas Selbstironisches. "Spitzenreiter, Spitzenreiter: Hey! Hey!", gellte es nach knapp zwei Minuten aus der Ostkurve, in der die Fans der Hertha vorschriftsmäßig den Abstand einhielten, was alles andere als schwierig war: Im 75.000 Zuschauer fassenden Stadion waren wegen der Auflagen der Berliner Behörden gerade einmal 4.000 Zuschauer zugegen.

Die gute Laune, die aus dem Chor herauszuhören war, war von der Erfahrung der Vorwoche und einer virtuellen Realität getragen: Am ersten Spieltag hatten die Berliner in Bremen mit 4:1 gewonnen; beim Spielstand von 0:0 gegen Eintracht Frankfurt war die Hertha also tatsächlich Spitzenreiter - aber nur in der Blitztabelle.

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Sie hatte keinen Bestand mehr, als die Partie beendet war und sich die Hertha-Fans frei von jeder Selbstironie, sondern mit dem Déjà-vu-Gefühl der Enttäuschung in den öffentlichen Nahverkehr schleppten. Eintracht Frankfurt hatte mit 3:1 gewonnen, absolut verdient, wie Herthas Trainer Bruno Labbadia nach der Partie ernüchtert konzedierte.

Es gab Einiges, was am Spiel der Hertha auszusetzen gewesen wäre; am Ende war es vor allem die Zweikampfschwäche, die aus dem Lager der Berliner als zentrale Erklärung für die Niederlage bei der Heimpremiere ausgemacht wurde. "Fast wie eine Schülermannschaft" habe das Team verteidigt, monierte der neue, aus Freiburg hinzugeholte Torwart Alexander Schwolow, und das war kaum von der Hand zu weisen.

Die Frankfurter Führung entsprang einem von André Silva verwandelten Foulelfmeter, den der gerade zum Kapitän bestimmte Dedryck Boyata verursachte - wobei sein Einsteigen gegen Silva nur das letzte Glied einer Kette von Fehlern war. "Die Situation darf so erst gar nicht entstehen. Jordan Torunarigha verliert das Kopfballduell, der Ball wird verlängert und dann kommt Dedryck Boyata (gegen Silva, Anm.d.Red) einen Schritt zu spät", ärgerte sich Sportdirektor Arne Friedrich, einst selbst Verteidiger bei Hertha und der DFB-Elf, über die Szene aus der 29. Minute.

Der zweite Treffer der Frankfurter entsprang einer Standardsituation. Der großgewachsene Niederländer Bas Dost konnte nach einem Freistoß unbedrängt zum Kopfball aufsteigen, obwohl Boyata und sein Verteidigerkollege Torunarigha in nächster Nähe standen.

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"Man kann nicht sagen, dass die Eintracht uns hergespielt hat, sondern dass wir etwas zu billige Gegentore bekommen haben", sagte Labbadia, der zur Pause drei Wechsel vornahm und mit Jhon Córdoba, Arne Maier und Deyovaisio Zeefuik immerhin beobachten konnte, dass sein Team so etwas wie Druck entwickelte. Der Spielaufbau funktionierte besser, weil der zur 66. Minute mit Innenbandbeschwerden wieder ausgewechselte Arne Maier zumindest versuchte, das Spiel zu kanalisieren. Unter erschwerten Bedingungen, weil er nicht zentral, sondern auf der rechten Mittelfeldposition spielte. Er, Córdoba, Dodi Lukebakio und Mateus Cunha, der unmittelbar vor dem Spiel von seiner erstmaligen Berufung in die brasilianische Nationalmannschaft erfuhr, fabrizierten die Illusion von Überlegenheit.

Doch das 3:0 durch Frankfurts Mittelfeldspieler Sebastian Rode (71.), der unbedrängt vom Strafraum abschließen konnte, war das Urteil über die Partie. Hertha kam durch ein Eigentor von Martin Hinteregger nach einem Durchbruch von Torunarigha bloß noch zu einem späten, vergleichsweise irrelevanten Anschlusstreffer.

"Wir haben heute die Punkte wiedergeholt, die wir in der Vorwoche (beim 1:1 gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld, Anm.d.Red.) liegenlassen haben", erklärte Frankfurts Trainer Adi Hütter. Und ließ bei den Berlinern die Zweifel darüber wachsen, wo die Reise in dieser Saison wohl hingehen mag, in der der Finanzunternehmer Lars Windhorst seine Investitionen bei der Hertha auf insgesamt 374 Millionen Euro steigen lassen wird.

Diese Zweifel waren schon vor zwei Wochen gesät worden. Nach einer mehr als nur akzeptablen Post-Coronapausen-Performance unter dem im April installierten Trainer Labbadia unterlag Hertha beim Zweitligaaufsteiger Eintracht Braunschweig mit 4:5 im DFB-Pokal, es folgte die Rehabilitierung durch den 4:1-Sieg zum Bundesligastart, dessen Wert aber infrage steht: Er wurde schließlich beim Abstiegskandidaten Werder Bremen errungen.

Möglicherweise verstärkt Berlin sich ja noch. Und weil Hertha vergleichsweise finanzstark ist und Mario Götze vertragslos, wurde der Sportdirektor auch danach gefragt. "Er ist natürlich ein Name, mit dem wir uns beschäftigt haben", bestätigte Friedrich.

In der kommenden Woche reisen die Berliner nach München zum FC Bayern, der nach dem 8:0 vom ersten Spieltag gegen den FC Schalke der wahre Spitzenreiter gewesen war. "Über den FC Bayern brauchen wir momentan nicht zu reden, weil sie es momentan einfach sehr gut machen", sagte Labbadia. Er weiß nicht erst seit der Niederlage gegen Frankfurt: Hertha spielt in einer anderen Liga als der Serienmeister.

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