Süddeutsche Zeitung

Dardai-Entlassung bei Hertha BSC:Ende des ewigen Durchwurschtelns

Aus Mangel an innerer Überzeugung wechselt Herthas Manager Fredi Bobic den Trainer: Für den zuletzt glücklosen Pal Dardai kommt nun Tayfun Korkut - der soll das Potenzial der Mannschaft ausschöpfen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Grad an Diskretion war verblüffend, und er konnte es in seiner Dimension nur mit der Größe der Überraschung aufnehmen, die am Montagmorgen in der Hauptstadt herrschte. Oder genauer: in jenem Sektor der Hauptstadt, der Hertha BSC zugewandt ist. Es war 10.18 Uhr, als die Pressestelle des Bundesligisten eine Mitteilung in eigener Sache verschickte, mit der man nicht rechnen musste. Zwei Tage nach dem 1:1 gegen den FC Augsburg und nach einer Serie von vier sieglosen Spielen wurde Pal Dardai, 45-jähriger Rekordspieler der Hertha, von seinen Aufgaben als Cheftrainer des Tabellen-14. entbunden, und durch den früheren türkischen Nationalspieler Tayfun Korkut, 47, ersetzt.

Zu den bemerkenswerten Begebenheiten des Montags zählten auch ein paar Feststellungen, die am Montagnachmittag ausgerechnet der Mann feilbot, der Dardai am Morgen das Aus in einem persönlichen Gespräch verkündet hatte: Herthas Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic. Korkut übernehme "eine Mannschaft, die intakt ist, die nicht in der Krise ist" und nicht nach acht Niederlagen in Serie "abgeschlagen am Tabellenende steht", sagte Bobic.

Aber, und dies ließ er auch deutlich erkennen, das war ihm deutlich zu wenig. Das Potenzial, das er der Mannschaft attestiere, habe Dardai nur selten und schon gar nicht auf Dauer abrufen können. "Ich bin jemand, der aus Überzeugung handelt", erklärte Bobic. Und die Überzeugung, dass Dardai imstande wäre, "Spieler besser zu machen, die neu gekommen sind, und Spieler zu aktivieren, die länger da sind", die hat er in den letzten Wochen endgültig verloren.

"Wenn man Gespräche führt, dann weiß man: 'Okay, da kommt noch mehr, oder nichts mehr oder man wurschtelt sich so durch", sagte Bobic. Ein Knackpunkt sei das verlorene Derby bei Union Berlin gewesen, wo Hertha am vorletzten Spieltag mit 2:0 verloren hatte. Unmittelbar danach hatte Bobic davon gesprochen, dass er seine Festplatte mit wegweisenden Erkenntnissen für die Zukunft gefüllt hatte. Das wurde seinerzeit als ein Wink an die Mannschaft interpretiert. Er galt aber, wie nun zu sehen war, auch und vielleicht sogar vor allem dem Trainer.

Er sei "nur der kleine Pal", hatte Dardai nach der 0:5-Niederlage beim FC Bayern gesagt

Dardai hatte die Mannschaft vor zehn Monaten übernommen und sie dann - wie schon 2015 bei seinem ersten Engagement als Hertha-Feuerwehrmann - vor dem Abstieg gerettet. Das Foto von seinem launigen Auftritt im ZDF-Sportstudio mit Zigarre, Rotweinglas und Hertha-Hoodie geriet zur legendären Ikone, zum Symbol einer überaus schwierigen Rettungsmission. Gleichwohl: Das Gerücht, dass Dardai nicht dem Traumprofil von Bobic entsprach, geisterte bereits durch die Stadt, als er das Manager-Büro noch gar nicht bezogen hatte.

Der mittlerweile legendäre Ausbruch von Dardai nach der 0:5-Niederlage beim FC Bayern hatte offenkundig ebendiesen Hintergrund. Auch Dardai war ja zu Ohren gekommen, dass in der Branche gemunkelt wurde, Hertha würde sich mit der Frage befassen, ob der heutige Wolfsburg-Trainer Florian Kohfeldt, der ehemaligen Dortmund-Coach Edin Terzic oder der frühere Schalker Domenico Tedesco an die Spree geholt werden sollten.

"Wahrscheinlich sucht Hertha schon seit langem einen großen Trainer...", hatte Dardai damals geklagt; er sei "nur der kleine Pal", der aushelfe und keine Probleme damit habe, wieder in die Jugendabteilung zu gehen. Bobic rüffelte Dardai zunächst intern - und dann auch öffentlich.

Eigentlich hätte Dardai damals "fliegen müssen", sollte Bobic später sagen. Er habe sich gegen einen Rauswurf entschieden, weil Hertha in der jüngeren Vergangenheit zu viele Trainer gehabt habe. Seit dem Einstieg des Klubinvestors Lars Windhorst vor knapp zweieinhalb Jahren versuchten sich Ante Covic, Jürgen Klinsmann, Alexander Nouri, Bruno Labbadia und Dardai gleich fünf Trainer daran, die Hertha auf Kurs zu bringen. Hertha brauche auf dem Trainerposten Kontinuität, sagte Bobic bei seinem Amtsantritt, zuletzt Anfang November und nun auch wieder am Montag - mit Blick in die Zukunft.

Allerdings: Korkut wurde vorerst nur bis Saisonende verpflichtet. "Wir kennen uns lange, wir vertrauen uns, das ist nichts Außergewöhnliches", sagte Bobic. Dass die Frage der Vertragsdauer überhaupt "kein Knackpunkt" gewesen sei, rechnete Bobic dem neuen Hertha-Coach hoch an. Es spreche für Korkuts Mut. Und überhaupt: Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Vertrag mit Korkut doch verlängert werde - wenn sich die Arbeit überzeugend herausstellen sollte.

Korkut liebe das aggressive und offensive Spiel, sagt Bobic über seinen neuen Coach

Mit Korkut kommt nun ein Trainer, der bei seinen bisherigen Bundesliga-Wirkungsstätten unter Beweis stellen konnte, dass er in Drift befindliche Mannschaften stabilisieren kann. Das galt mit Abstrichen in Leverkusen (2017), vor allem aber in Hannover 96 (2013 bis April 2015) und beim VfB Stuttgart (2018). Dort machte Korkut aus einer abstiegsbedrohten Mannschaft sogar den Rückrunden-Zweiten; eine Qualifikation für die Europa-League scheiterte in letzter Minute.

Nach einem völlig missratenen Start in die Folgesaison 2018/19 aber, der mit dem Pokal-Aus beim unterklassigen FC Hansa Rostock begann, wurde er nach sieben Bundesligaspieltagen wieder entlassen. Korkut liebe das aggressive und offensive Spiel, sagte Bobic über seinen neuen Coach. Korkut selbst nannte seine Zeit als Profi in Spanien als prägend, er liebt das schöne Spiel, als Trainer müsse man freilich auch "ein Chamäleon sein". Mit tiefschürfenden Analysen hielt sich Korkut zurück, sein erstes Training leitet er erst am Dienstag. Aus seinen bisherigen Engagements als Interimscoach habe er vor allem dies mit genommen, dass es darauf ankomme, "die einfachen Dinge außergewöhnlich gut zu machen." Und das hat die Hertha in den letzten Jahren oft genug außergewöhnlich schlecht gemacht.

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