Bundesliga:Big-City-Knurren bei der Hertha

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Nicht frei von Reibungen: Hertha-Präsident Werner Gegenbauer, Investor Lars Windhorst und Manager Michael Preetz. (Foto: REUTERS)

Die Zahlung neuer Millionen von Investor Lars Windhorst verzögert sich - die alte Führungsriege macht wiederholt deutlich, wer weiter der Herr im Haus ist.

Von Javier Cáceres, Berlin

Das Knirschen hinter den Kulissen bei Hertha BSC ist immer deutlicher vernehmbar. Wie die Sport-Bild am Mittwoch berichtete, hat die Firma des Investors Lars Windhorst, 43, die in Berlin beheimatete Tennor-Gesellschaft, eine vom Berliner Bundesligisten für Oktober angekündigte Zahlung von 100 Millionen Euro verschoben. Schon im Sommer seien 50 Millionen Euro "teilweise später geflossen" als von Hertha erwartet, schrieb das Blatt.

Tennor war im Sommer 2019 beim Verein eingestiegen. Das avisierte Gesamtvolumen der Windhorst-Investitionen sollte sich per Ende Oktober auf 374 Millionen Euro belaufen, der Anteil Tennors an Herthas Profiabteilung würde damit auf 66,6 Prozent steigen. Beide Seiten bestätigten am Mittwoch, dass sich an diesen grundsätzlichen Absichten nichts geändert habe: "Es ist gewährleistet, dass der gesamte Betrag innerhalb des laufenden Geschäftsjahres der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA zufließt", teilte der Klub mit - also bis Ende der laufenden Saison.

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Zwar klappt es auch gegen Wolfsburg nicht mit einem Sieg, aber Zugang Mattéo Guendouzi deutet beim 1:1 gegen den VfL an, dass er eine Bereicherung für die ganze Liga sein könnte.

Von Javier Cáceres

Dem Vernehmen nach ist die Zahlung jedoch ins neue Jahr verschoben worden, und das hieße: auf die Zeit nach der Inthronisierung von Carsten Schmidt, 57, als neuem "Chief Executive Officer" der Hertha im Dezember. Schmidt, langjähriger Boss des TV-Bezahlsenders Sky, soll für neuen Wind bei der Hertha sorgen, und er wird in jedem Fall die seit Jahren bestehende Hierarchie im Verein verändern. Als Vorsitzender der Geschäftsführung ist er oberhalb von Michael Preetz und Ingo Schiller angesiedelt, die Geschäftsführer für Sport beziehungsweise für die Finanzen sind - und bleiben. Der frühere Mittelstürmer Preetz, 50, ist seit 2009 bei Hertha BSC im Amt, der 55-jährige Schiller seit 1998.

Dass das Verhältnis zwischen Investor und alteingesessener Klubspitze nicht frei von Reibungen ist, wurde bereits vor wenigen Wochen deutlich. Der frühere Nationaltorwart Jens Lehmann, der Tennor berät und von Windhorsts Firma in den Hertha-Aufsichtsrat geschickt worden war, hatte in einem Interview erklärt, es sei "allen bei Hertha BSC klar", dass das Ziel die "Qualifikation für den europäischen Fußball" sei. Das Echo darauf, dass Lehmann aus dem Kreis des langjährigen Hertha-Regimes erntete, klang knurrig bis pikiert.

"Jens Lehmann spricht für sich und formuliert seine Erwartungen oder die des Investors. Wir formulieren die Ziele von Hertha BSC", betonte damals Preetz. Unmittelbar zuvor hatte sich Präsident Werner Gegenbauer fast wortgleich geäußert. Bei seiner denkbar knappen Wiederwahl als Vereinschef (Gegenbauer erhielt rund 54 Prozent der Stimmen) unterstrich er neuerlich, wer der Herr im Hause Hertha sei: "Wir müssen vertrauensvoll mit dem Investor zusammenarbeiten, ihm aber auch klarmachen, dass wir (als Verein) der Komplementär (der Profiabteilung Herthas/d. Red.) sind und dass der Komplementär die Entscheidungen trifft", rief Gegenbauer, 70, vor der Mitgliederversammlung.

Das kam bei den Mitgliedern gut an, es dürfte aber auch Wasser auf die Mühlen jener Kreise bei Tennor gewesen sein, die Windhorsts Engagement bei der Hertha von Beginn an skeptisch beäugten.

Windhorst selbst hatte Mitte Februar eingeräumt, dass er sich "auch im eigenen Unternehmen Kritik" für sein Hertha-Investment anhören müsse, "weil wir ja keine Kontrolle haben - durch die 50+1-Regel im deutschen Fußball"; die begrenzt ja den Einfluss von Investoren. Durch die sportlichen Ergebnisse, die Hertha seit dem Tennor-Einstieg im Sommer 2019 erzielt hat, dürften sich die Skeptiker nicht gerade widerlegt sehen. Das Team startete in der vergangenen, auch durch das Intermezzo von Jürgen Klinsmann als Aufsichtsrat und Trainer sehr turbulenten Saison nicht wirklich durch zu jenem "Big City Club", zu dem Windhorst den Verein trimmen will. Die Realität war Abstiegskampf.

Vor dem Hintergrund derartiger Resultate sind die Umrisse unterschiedlicher Mentalitäten, die bei der Hertha offenkundig aufeinanderprallen, noch deutlicher zu erkennen. Windhorst wird nicht müde zu betonen, dass sein Engagement bei Hertha auf Jahrzehnte angelegt sei. Er ist aber auch ein risikoaffiner Mensch; die gegenwärtige Lage sucht er nach Chancen ab, antizyklisch zu handeln und zu investieren. Im Mai betonte Windhorst nicht von ungefähr, dass sich in der Corona-Krise auch "positive Chancen" geboten hätten, die er genutzt habe. Bei der Hertha hingegen wird betont, dass man maßvoll mit den Mitteln umgegangen sei, die nun zur Verfügung stehen - das sei "wichtig und richtig" gewesen, sagte Manager Preetz. Hertha habe gleichwohl einen "spannenden, talentierten, zukunftsorientierten Kader" beisammen. Nur: Für Windhorst ist die Zukunft jetzt, nicht morgen. Und das bedeutet im Zweifel wohl die Forderung: Geld in die Hand nehmen! Aufrüsten!

"Ich freue mich, dass sich damit der Geschäftsführung von Hertha BSC große Möglichkeiten eröffnen, den Verein zum Erfolg zu führen", wurde Windhorst in der Hertha-Mitteilung zitiert, in der die Vereinbarung über das frische Geld angekündigt wurde, das nun auf sich warten lässt. Mit fußballspezifischen Äußerungen hält sich Windhorst zurück. Doch ob er die "großen Möglichkeiten" durch die Hertha-Führung ausgeschöpft sieht, darf bezweifelt werden. Mario Götze, der bei den Berlinern im Gespräch war, dürfte einem Investor wie Windorst weit geläufiger sein als Namen wie Schwolow, Löwen, Zeefuik - oder sogar Guendouzi, der mit Abstand spektakulärste Sommerzugang der Hertha.

Götze, Schütze des WM-Finaltors von 2014, wechselte am Ende der Transferperiode in die Niederlande zur PSV Eindhoven. Und siehe da: Kurz danach waren bei Hertha-Trainer Bruno Labbadia bei seiner Bewertung des Ergebnisse der eigenen Transferaktivitäten nicht mehr nur verständnisvolle, sondern auch deutlich unzufriedene Töne rauszuhören. Als hätte Labbadia geahnt, was auf dem Platz kommen sollte: Aktuell steht die Hertha nach nur einem Sieg aus sechs Spielen auf Tabellenplatz 14 - und im Pokal schied das Team beim Zweitliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig spektakulär aus (4:5).

© SZ vom 05.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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