Hertha BSC:Unverschämt lässig, dieser Ibisevic

Hertha BSC - 1. FC Nürnberg

Weiß, wo das Tor steht: Vedad Ibisevic.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)
  • Wenn Hertha BSC heute auf den FC Bayern trifft, kommt es auch auf die Treffsicherheit von Vedad Ibisevic an, der bisher in der Bundesliga 113 Mal getroffen hat.
  • Auch in dieser Saison ist der 34-Jährige prächtig in Form und sagt: "Es kommt auf die Schnelligkeit im Kopf an."
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und zur Tabelle in der Bundesliga.

Von Matthias Schmid

Vedad Ibisevic hat ein bewundernswertes Gedächtnis. Er kann sich auch als Fußball-Profi noch genau an den Torjubel erinnern, den er als Zwölfjähriger vollführt hat. "Ich habe gejubelt wie Fabrizio Ravanelli, der damals bei Juve spielte", hat er einmal im SZ-Interview erzählt. Er hatte sich sein Trikot über den Kopf gezogen und sich als Gespenst nur noch von der Ekstase treiben lassen.

Okay, es war kein ganz unbedeutendes Tor, sondern sein erstes als Jugend-Fußballer in einem offiziellen Spiel. Aber er kann sich auch an alle anderen Treffer erinnern, an die exakten Abläufe, an die Flanken und seine Fußhaltungen beim Torabschluss. So als wäre alles erst vor fünf Minuten geschehen.

"Es gibt hier nicht so viele Typen wie ihn", sagte Pal Dardai kürzlich. Der Cheftrainer von Hertha BSC meint nicht das fotografische Gedächtnis seines Kapitäns, sondern vor allem dessen Körpersprache und den bedinungslosen Siegeswillen. "Ein Mentalitätsmonster" nannte er den Bosnier mal. Aus diesem Grund darf Ibisevic auch in der neuen Spielzeit weiter als Kapitän auflaufen. Dass er zum Vorbild auch im reifen Fußballalter von 34 Jahren taugt, haben die ersten fünf Spiele bewiesen. Er stand immer in der Startaufstellung und hat mit seinen drei Toren großen Anteil daran, dass die Berliner zu den großen Überraschungen gehören: Drei ihrer fünf Spiele haben sie gewonnen und dabei auch noch unverschämt lässig und attraktiv gespielt.

Kann das so weitergehen, wurde Ibisevic nach dem rauschaften 4:2-Sieg gegen Mönchengladbach gefragt, der die Berliner vorübergehend sogar auf den zweiten Tabellenplatz getragen hatte. Nicht nur in der Hauptstadt staunen sie über ihre neue Hertha und fragen sich, wo bitteschön das Limit dieser Mannschaft liegt, die in den vergangenen Jahren nicht mit großer spielerischer Leichtigkeit aufgefallen war. "Es ist schwierig zu sagen, wo das Limit ist", entgegnete Ibisevic, "ich bin kein Experte oder Wissenschaftler."

Nach der 1:3-Niederlage am Dienstag in Bremen streiten sich die Gelehrten nun darüber, ob der Berliner Hurra-Stil nach kurzem Aufflackern schon wieder verglüht ist. Ein weiteres Indiz könnte das Heimspiel an diesem Freitag (20.30 Uhr/im SZ-Liveticker) gegen den Meister FC Bayern liefern. Da bekommt es Ibisevic unter anderem auch mit einem Mann zu tun, der noch häufiger als er selbst in der Bundesliga getroffen hat: Robert Lewandowski. Aber nur der Pole (183), Claudio Pizzaro (192) und Giovane Elber (133) liegen in der Rangliste der erfolgreichsten ausländischen Torschützen vor Ibisevic, der auf 113 Tore kommt, in 292 Spielen.

Überall wo er spielte, traf Ibisevic auch, in Aachen, in Hoffenheim, in Stuttgart. Außer bei Paris Saint-Germain, seiner ersten Station in Europa, nachdem er aus den USA zurückgekehrt ist, wohin seine Familie während der Balkankriege geflüchtet war.

"Es hätte Charme, meine Karriere in den USA zu beenden"

Wenn für Boris Becker Wimbledon das Wohnzimmer ist, dann hat es sich Ibisevic im Strafraum gemütlich eingerichtet - in jedem Stadion der Bundesliga. Am liebsten schießt er Tore aus kurzer Distanz, mit einem Kontakt nach einem präzisen Zuspiel. Er hat eine besondere Fähigkeit, um die ihn viele in der Branche beneiden. Er ahnt viele Situationen schon zwei, drei Pässe im Voraus. "Das sind keine schönen Tore", hat Ibisevic einmal gesagt, "aber es zeigt einem Stürmer, dass man den Angriff richtig antizipiert hat. Es sind die hässlichen Tore, die mir am besten gefallen."

Besonders schnell in den Beinen müsse er dafür nicht sein, fügt der Stürmer hinzu. Körperlich fit schon, klar. "Aber wichtig ist die Schnelligkeit im Kopf." Die Gier, unbedingt den Ball über die Linie drücken zu wollen, mit welchem Körperteil auch immer. Ibisevic ist in dieser Hinsicht immer der enthusiastische Junge geblieben, der damals in Tuzla sein erstes Tor in Ravanelli-Manier gefeiert hat. Das Älterwerden geht aber auch an ihm nicht spurlos vorüber, das Knie verlangt immer wieder nach Pausen. Zuletzt musste er deshalb die eine oder andere Trainingseinheit ausfallen lassen. Aber er hat diesen Torinstinkt, den man nicht lernen kann. Und deshalb hat er auch vor, nach dieser Saison weiter zu kicken.

Im Sommer 2019 endet sein Vertrag bei Hertha BSC. Er würde gerne noch ein bisschen das Privileg des Fußballprofis genießen. In Deutschland oder in einem anderen Land, das hat er noch nicht entschieden. Ihn reizt auch eine Rückkehr in die USA, dorthin, wo auf dem College alles angefangen hat. Er besitzt neben dem bosnischen auch den amerikanischen Pass. "Es hätte Charme, meine Karriere in Amerika zu beenden", vertraute er jüngst dem Kicker an.

Doch vorher will er die Hertha als Kapitän so weit wie möglich nach oben führen. Ein einstelliger Tabellenplatz soll es nach dem gelungenen Start schon werden. Und gegen ein paar hässliche Tore hätte Vedad Ibisevic auch nichts einzuwenden. Am besten gleich gegen den FC Bayern. Er erinnert sich so gerne an sie.

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