Hertha BSC entlässt den Trainer:Auch das Fiél-Experiment ist gescheitert

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Es läuft nicht, wie es laufen sollte und könnte: Hertha-Trainer Cristian Fiél in Düsseldorf. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Cristian Fiél sollte Offensivfußball und Kontinuität in die Hauptstadt bringen. Doch nun senken die Hertha-Verantwortlichen den Daumen – und verabschieden zum elften Mal binnen zehn Jahren einen Trainer.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Sonntag reiste die Zweitligamannschaft von Hertha BSC aus Düsseldorf zurück nach Berlin, und sie tat es mit einem Gefährt des gern mal dysfunktionalen Betriebs, der früher ihr Sponsor war, mit der Deutschen Bahn. Es kam, wie es kommen musste: Der Trip, der absehbar quälende Züge haben sollte, wurde länger als geplant; in puncto Verspätung ist auf die Bahn halt Verlass. Quälend war die Rückfahrt deshalb, weil Hertha die unglückliche Niederlage bei der Fortuna vom Samstagabend verdauen musste. Und weil schon feststand, was am Sonntagabend dann offiziell verkündet wurde: dass die vor knapp acht Monaten begonnene Amtszeit von Trainer Cristian Fiél beendet ist.

Der gebürtige Esslinger Fiél, 44, hieß es, solle durch den zuletzt bei Hannover 96 amtierenden Münchner Stefan Leitl, 47, ersetzt werden. Eine Bestätigung gab es dafür nicht. Hertha teilte lediglich mit, über die Nachfolge „in Kürze informieren“ zu wollen. Fiél wiederum erklärte, die Aufgabe bei Hertha „mit voller Hingabe und Dankbarkeit erfüllt“ zu haben. Aber: „Manchmal erfordert der Fußball schwierige Entscheidungen, und ich respektiere den Entschluss des Vereins.“

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Mit dem Adiós von der Spree hatte der Deutschspanier Fiél selbst gerechnet – und rechnen müssen, als Fortunas 2:1-Sieg Fakt war. Es half ihm im Nachhinein nichts, dass die Hertha in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt die bessere Mannschaft gewesen war; in der Pressekonferenz wirkte Fortuna-Coach Daniel Thioune fast schon ein wenig beschämt, als er den Sieg seiner Mannschaft kommentierte, die nun weiter vom Aufstieg träumen kann. Hertha hingegen musste die elfte Saisonniederlage im 22. Spiel und die vierte Pleite aus fünf Rückrunden-Partien hinnehmen. Damit geht der Blick nicht mehr wie zu Saisonbeginn erhofft nach oben, sondern nach unten, in einem Zustand anschwellender Panik: Der Abstand zum Relegationsplatz beträgt fünf, die Distanz zum ersten Abstiegsrang sieben Zähler.

Dzenan Pejcinovic traf zur Feier seines 20. Geburtstags gleich doppelt

Gegen Düsseldorf war eigentlich erneut zu begutachten gewesen, dass die Postulate Fiéls aufgegangen sind. Offensiv hatte Hertha ansprechend agiert, war durch Fabian Reese früh in Führung gegangen, hatte gefällig gespielt, aber zu viele Chancen vergeben. Doch als es darauf ankam, erwies sich Herthas Kinn – wieder einmal – aus Glas. Der eingewechselte Dzenan Pejcinovic traf zur Feier seines 20. Geburtstags gleich doppelt, wobei sein erstes Tor der Hertha auch deshalb zum K.-o.-Schlag gereichte, weil es von umstrittenen Bedingungen umrahmt war.

Herthas Michaël Cuisance war bei einem Berliner Angriff eindeutig gefoult worden, der Übeltäter Jamil Siebert sah bei der nächsten Unterbrechung deshalb Gelb. Weil aber Hertha nach Sieberts Attacke auf Cuisance den Angriff fortgesetzt hatte, sah die Fortuna keinen Anlass, nach der Balleroberung die Partie zu unterbrechen – obwohl Cuisance sich auf dem Boden vor Schmerzen krümmte. Torwart Florian Kastenmeier warf also ab, ein Teil der Hertha-Spieler schaltete ab und winkte beim Schiedsrichter um Hilfe. Doch der ließ sich nicht erweichen, Pejcinovic traf. „Bitter“, sollte Fiél später hauchen. Als er dann zur Pressekonferenz erschien, bat er zunächst um Vergebung, dass er „in einem geschlossenen Raum die Mütze auflasse“. Denn das, was darunter los sei, wolle keiner sehen.

Ein umstrittenes Tor für Düsseldorf, das Herthas Niederlage einleitete: Dzenan Pejcinovic (links) jubelt mit Jamil Siebert. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Vermutlich wäre unter der Mütze auch der Ärger darüber zu sehen gewesen, dass Hertha wieder einmal dem Kicker recht gegeben hatte. „Wenn es um die Wurst geht, ist bei Hertha regelmäßig Veggie-Day“, hatte das Fachmagazin unlängst geätzt. Zur Wahrheit gehört zwar, dass Fiél mit schwierigen Umständen zu kämpfen hatte. Der Torjäger der vergangenen Saison, Haris Tabakovic, wurde auf die Hoffenheimer Reservebank transferiert und in Berlin nicht adäquat ersetzt; der Schlüsselspieler Fabian Reese fiel monatelang wegen einer Verletzung aus; Zugänge wie Diego Demme oder John Anthony Brooks fehlten wochen-, wenn nicht monatelang. Ein solides Gerüst hätte aus dem Restbestand der Hertha vielleicht trotzdem entstehen können – auch dank teilweise herausragender Talente wie Ibrahim Maza. Es entstand aber nicht.

Das bedeutete unter anderem, dass brillante Halbzeiten wie in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den Bundesligisten 1. FC Heidenheim die Ausnahme waren – und schneller in Vergessenheit gerieten als etwa das 0:1 beim Tabellenletzten Jahn Regensburg von Anfang Februar. Die Konsequenz: Über das Fiél-Experiment, das mit dem Traum vom Offensivspektakel verbunden war – und eine Kontinuität einleiten sollte, die es in den vergangenen Jahren auf dem Trainerposten nicht gab –, wurde an der Spree der Daumen gesenkt. Medial und intern. „Trotz seines hohen Engagements und seiner Leidenschaft für den Verein und die Mannschaft haben wir in den vergangenen Wochen leider nicht die Ergebnisse erzielt, die wir uns gewünscht haben“, sagte Sportdirektor Benjamin Weber.

Klub-Legende Pal Dardai durfte sich gleich dreimal versuchen, letztmals bis zum Ende der vergangenen Saison

Seit dem Rauswurf von Jos Luhukay vor ziemlich genau zehn Jahren hat Hertha elfmal den Trainer gewechselt. Klub-Legende Pal Dardai durfte sich gleich dreimal versuchen, letztmals zwischen April 2023 und Juni 2024. Dann kam Fiél, gegen Zahlung einer Ablösesumme von angeblich 500 000 Euro. Auch für Leitl wäre nun laut Bild-Zeitung wieder eine Ablöse fällig, er wurde Ende letzten Jahres von Hannover 96 freigestellt und kostet angeblich 200 000 Euro.

Ein bisschen Geld ist bei den Berlinern noch da, trotz der finanziellen Schwierigkeiten des Haupteigners der Profiabteilung, des US-Investors 777 Partners. Gleichwohl steht im Sommer wohl ein Umbruch an. Denn dafür, dass sich die stark umschwärmten Hoffnungsträger wie Reese oder Maza ein weiteres Jahr Hertha BSC antun wollen, fehlt dann doch die Fantasie.

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