Hertha-Trainer Sandro Schwarz:Zerrissen zwischen Entsetzen und Pflichtgefühl

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Neuer Übungsleiter bei der Berliner Hertha: Sandro Schwarz, hier bei seinem letzten Einsatz als Trainer von Dynamo Moskau. (Foto: Sergei Bobylev/Imago)

Sandro Schwarz, der neue Trainer von Hertha BSC, rechtfertigt sich bei seiner Antrittsrede vor allem zu seiner Vergangenheit: weshalb er nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zunächst bei Dynamo Moskau blieb.

Von Javier Cáceres, Berlin

Herthas neuer Trainer Sandro Schwarz, 43, hat um Verständnis für seine Entscheidung geworben, auch nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine Trainer bei Dynamo Moskau geblieben zu sein. Wer ihn kenne, wisse, dass er "diesen Angriffskrieg komplett verurteile", sagte Schwarz am Freitag in einer digitalen Medienrunde. Schwarz erinnerte daran, dass er sein Traineramt bei Dynamo im Oktober 2020 angetreten hatte. Daraus sei für ihn eine persönliche Bindung und ein persönliches Verantwortungsgefühl für Klubmitarbeiter und Spieler erwachsen. Dem sei er trotz "innerer Zerrissenheit", die er angesichts der Bilder aus der Ukraine verspürt habe, nachgekommen.

Ihm sei bewusst gewesen, dass diese Entscheidung Widerspruch und Kritik hervorrufe. "Ich kann das komplett nachvollziehen", betonte Schwarz. "Ich bin da auch keinem böse. Den Druck, die Erwartungshaltung habe ich gespürt, aber ich habe es so entscheiden müssen, wie ich es fühlte."

Schwarz erklärte, für ihn sei entscheidend gewesen, in zahlreichen Gesprächen das Gefühl bekommen zu haben, für die Gruppe da sein zu können, "weil sie die gleiche Haltung und die gleichen Werte" habe wie er selbst. Wenn das "nur ansatzweise" anders gewesen wäre, "wäre die logische Konsequenz gewesen, den Klub sofort zu verlassen", betonte der frühere Trainer des FSV Mainz 05.

Der Krieg, die Ängste, die Zukunftssorgen - das spüre man auch in Russland, sagt Schwarz

Am Ende traf er die Entscheidung, Russland zu verlassen, Ende März. "Ab dem Zeitpunkt, wo es absehbar war, dass es sich immer weiter hinauszieht, war klar für mich, nicht mehr über die Saison hinaus weiterzumachen." Letztmals saß Schwarz am vergangenen Wochenende bei Dynamo Moskau auf der Bank. Er unterlag mit dem Meisterschaftsdritten im Pokalfinale gegen Spartak Moskau. Sein bis 2024 laufender Vertrag wurde aufgelöst. Am Donnerstag wurde er als neuer Hertha-Coach bestätigt. Nun in Deutschland zu sein, fühle sich in vielerlei Hinsicht "befreiend" an.

Der 24. Februar - der Tag des Beginns des russischen Krieges gegen die Ukraine - habe "alles verändert", sagte Schwarz und verwies auf "unzählige emotionale Momente", die auf diesen Tag gefolgt seien. Er habe sich als ein sehr wichtiger Ansprechpartner für viele Menschen im Klub gefühlt, als "ein Anker". Er erinnerte unter anderem an ein Gespräch, das er mit einem ukrainischen und einem russischen Spieler in seiner Trainerkabine geführt habe, "wo wir zu dritt geweint haben". Er wies auch darauf hin, dass der Krieg an seinen russischen Spielern nicht spurlos vorbeigehe, sie seien schließlich im wehrfähigen Alter.

"Man hat den Krieg auch in Russland gespürt. Die Ängste, die Zukunftsängste, das Gefühl, vom Rest der Welt abgespalten zu werden - das haben alle gespürt. Jeder hatte seine eigenen Schicksalsschläge mit Verwandten, mit Freunden in der Ukraine", sagte Schwarz. An die Journalisten gerichtet sagte er: Die Entscheidung, in Moskau zu bleiben, hatte "nichts mit Sport zu tun, mit Titeln oder finanziellen Aspekten. Es ging einzig und allein darum, Menschen zu helfen - in dem Wissen, dass das, was in der Ukraine passiert, das Schlimmste überhaupt ist".

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