Hertha BSC:Nun ein Investor mit expliziter Fußballexpertise

Hertha BSC: "Für uns ist es eine Ehre": Josh Wander, Gründer und Hauptgesellschafter von 777 Partners, freut sich auf Berlin.

"Für uns ist es eine Ehre": Josh Wander, Gründer und Hauptgesellschafter von 777 Partners, freut sich auf Berlin.

(Foto: Tano Pecoraro/LaPresse/Imago)

Lars Windhorst verkauft seine Hertha-Anteile. Erstmals hält eine US-Investmentgesellschaft die Mehrheit an einem deutschen Profiklub. Das sei eine "hervorragende Lösung" - aber für wen?

Von Uwe Ritzer, Berlin

So geht Überrumpelung. Während Hertha BSC auf den vereinseigenen Online-Kanälen arglos für Weihnachtseinkäufe im Fanshop wirbt - schließlich sei es bis Heiligabend nur noch genau ein Monat -, feiert Lars Windhorst längst Bescherung. Am Mittwoch überraschte der Investor beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung die Fußball- und Finanzwelt mit der Nachricht, einen Käufer für seine 64,7 Prozent an der Hertha BSC GmbH & Co KGaA gefunden zu haben, der Profisparte des Hauptstadtklubs. Dessen Verantwortliche wurden davon kalt erwischt - Windhorst hatte sie über seine laufenden Verkaufsverhandlungen nicht informiert. Wenige Stunden später gab der Investor bekannt, an wen er seine Beteiligung verkauft. Neuer Großaktionär bei Hertha BSC wird nach Lage der Dinge ein US-amerikanischer Finanzinvestor.

Damit übernimmt erstmals überhaupt im deutschen Profifußball ein Private-Equity-Unternehmen aus den USA die Mehrheit an einem Klub. Es handelt sich um die Investmentgesellschaft 777 Partners mit Sitz in Miami in Florida. Das Private-Equity-Unternehmen ist keine Unbekannte in der internationalen Welt des Profisports. 777 Partners gehört der FC Sevilla in Spanien, immerhin Rekordgewinner des Uefa-Cups und des Nachfolgewettbewerbs Europa League. Ebenso der Serie-A-Klub FC Genua, mutmaßlich der älteste Fußballverein Italiens. Auch Vasco da Gama in Brasilien, Standard Lüttich (Belgien), Red Star FC Paris und Melbourne Victory in Australien gehören zum Portfolio von 777 Partners. Ebenso wie Medien- und Unterhaltungsfirmen, Versicherungen und eine Luftfahrtsparte. Erst im Sommer orderte die Firma Medienberichten zufolge 66 Passagierflugzeuge vom Typ Boeing 737 Max, von denen wiederum 25 an Qatar Airways weitergereicht werden sollen.

Was Hertha BSC Berlin angeht, wirkt Lars Windhorst weniger froh als vielmehr erleichtert über seinen anstehenden Ausstieg. "Der Verkauf an 777 Partners ist eine hervorragende Lösung, und wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden", kommentierte er den Deal, dessen letzte Details Windhorst dem Vernehmen nach am Dienstag in London verhandelt hat, an seinem 46. Geburtstag übrigens. 777 Partners sei "ein international bekannter Fußballinvestor mit einer langen Erfahrung", so Windhorst. "Hertha BSC kann von diesem neuen Gesellschafter sehr profitieren. Er bringt nicht nur wirtschaftliche Stärke ein, sondern auch viel professionelle Erfahrung und ein eindrucksvolles Netzwerk von internationalen Fußballklubs. Der Einstieg von 777 Partners ist ein Schritt in eine erfolgreiche Zukunft von Hertha BSC."

Die Verantwortlichen um Präsident Bernstein bezog Windhorst in die Verhandlungen nicht ein

Josh Wander, Gründer und Hauptgesellschafter von 777 Partners, ließ sich in einer Erklärung beider Unternehmen mit der Erkenntnis zitieren, Hertha sei angesichts der 130-jährigen Vereinsgeschichte ein sehr bedeutender deutscher Klub. "Für uns ist es eine Ehre, als Gesellschafter die Zukunft dieses Vereines mitgestalten zu können", so Wander. Was die Geschäftspartner verschwiegen, sind die Konditionen des Deals. Lars Windhorst hat über seine Investmentfirma Tennor bekanntlich im Gegenzug für die Anteile seit 2019 insgesamt 374 Millionen Euro in Hertha BSC gepumpt. Dass Wander, respektive 777 Partners, ihm die Anteile nun für denselben Betrag abkauft, ist möglich, aber ziemlich unwahrscheinlich.

Hertha BSC: Verhandelt, ohne die Verantwortlichen einzubeziehen: Die Causa Lars Windhorst und Hertha BSC zeigt, dass die 50+1-Regel nicht vor Verwerfungen und Unruhe im Verein schützt, sobald dort ein Investor mitspielt.

Verhandelt, ohne die Verantwortlichen einzubeziehen: Die Causa Lars Windhorst und Hertha BSC zeigt, dass die 50+1-Regel nicht vor Verwerfungen und Unruhe im Verein schützt, sobald dort ein Investor mitspielt.

(Foto: Friedrich Bungert/Friedrich Bungert)

Außen vor blieb bei alledem das Objekt der Begierde, Hertha BSC nämlich. Windhorst sah keine Veranlassung, die Verantwortlichen um Präsident Kay Bernstein in seine Verhandlungen einzubeziehen. Warum auch? Das Verhältnis zwischen ihm und der Vereinsführung ist zerrüttet, und was Windhorst mit seinen Anteilen macht, ist seine Privatsache. Auch wenn ein neuer Investor natürlich gravierende Auswirkungen auf den Klub haben könnte. Die deutsche 50+1-Regel garantiert zwar dem Verein letztendlich immer eine Entscheidungsmehrheit gegenüber dem Investor, egal, wie viele Anteile dieser hält. Doch gerade die Causa Windhorst/Hertha zeigt, dass die Regel nicht vor Verwerfungen und Unruhe im Verein schützt, sobald dort ein Investor mitspielt.

Der Verein dürfte nicht die Mittel haben, sein Vorkaufsrecht auszuüben

Und erst recht nicht vor Missmanagement. Windhorsts 374 Millionen sind aufgebraucht, ohne dass Hertha dem erklärten Ziel, mithilfe des Geldes in Europas Fußballelite zu dribbeln, sportlich einen Schritt näher kam. Allein in den vergangenen drei Jahren summierten sich die Verluste aus dem laufenden Geschäft auf 211 Millionen Euro; im November 2023 muss der Verein eine 40-Millionen-Euro-Anleihe zurückzahlen. Gut möglich, dass 777 Partners sich vom ersten Tag an einmischen wird, 50+1-Regel hin oder her. Erstens bringt der neue Investor explizit Fußballexpertise mit, die Windhorst nie hatte. Zweitens könnte Hertha ohne frisches Geld in absehbarer Zeit in Existenznot geraten.

Vor diesem Hintergrund ist es nur eine Formalität, dass das Geschäft zwischen Windhorst und 777 Partners noch die Zustimmung von Hertha benötigt, um vollzogen zu werden. Das heißt, eigentlich muss der Verein seinen Verzicht erklären. Nämlich darauf, die 64,7 Prozent zu denselben Konditionen zu kaufen, die 777 Partners bezahlen will. Selbst wenn der Betrag deutlich unter 374 Millionen liegen sollte, dürfte Hertha nicht die Mittel haben, dieses Vorkaufsrecht auszuüben. Es sei denn, der Verein würde seinerseits einen Investor finden, der 777 Partners Paroli bieten würde.

In einer ersten Stellungnahme reagierte der erkennbar überrumpelte Verein verhalten-diplomatisch auf die jüngste Entwicklung: "Wir freuen uns über diese Nachricht. Alles Weitere wird nun entsprechend unserer Vereinbarung behandelt." Unabhängig von alledem ist Hertha BSC an anderer Stelle seit Wochen merkwürdig zurückhaltend. Nachdem auf israelischen Gerichtsunterlagen basierende Vorwürfe laut geworden waren, Windhorst habe eine Agentur engagiert, die mit ziemlich fragwürdigen Methoden Bernsteins Vorgänger im Präsidentenamt aus dem Amt kegeln sollte (was Windhorst bestreitet), kündigte Hertha eine juristische Aufarbeitung an. Man wolle die Vorwürfe schnell prüfen, hieß es Ende September. Die Ergebnisse dieser Untersuchung stehen bis heute aus.

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