Klinsmann bei Hertha BSC:Diesmal ohne Buddha-Statuen 

  • Jürgen Klinsmann wird neuer Trainer bei der Berliner Hertha.
  • Als Nachfolger von Ante Covic hat er bekannte Gesichter in sein Team berufen, darunter Alexander Nouri, Andreas Köpke und Arne Friedrich.
  • Seine kriselnde Mannschaft steht nur einen Platz vor den Abstiegsrängen und trifft am Wochenende auf Borussia Dortmund.

Von Javier Cáceres, Berlin

An Zugkraft hat der Name Jürgen Klinsmann nicht verloren. Wer daran zweifelte, konnte sich am Mittwochmittag in Berlin vom Gegenteil überzeugen, denn es war ein einigermaßen strukturierter Wahnsinn, der auf dem Vereinsgelände von Hertha BSC ausbrach, als die Nachricht von der Ankunft des früheren Bundes- und FC Bayern-Trainers die Runde machte.

Ein gutes Dutzend Fernsehteams brachte sich in einem heillos überfüllten Medienraum in Position, um jene Bilder zu versenden, die als die große deutsche Fußballnachricht des Tages hinausgingen in die Welt, urbi et orbi. Die Nachricht lautete: Klinsmann, 55, zuletzt bis Ende 2016 Nationaltrainer der USA und vormals Coach des DFB-Teams bei der WM 2006, zudem für nur zehn Monate 2008/09 Trainer bei Bayern München, wird neuer Chefcoach beim kriselnden Bundesligisten Hertha BSC.

"Wir freuen uns außerordentlich", sagte Hertha-Manager Michael Preetz, und wer wollte, konnte auf seinem Gesicht ein Lächeln erkennen. "Ich habe große Lust und Freude", sagte Klinsmann, der vorerst bis zum Saisonende bleiben soll. Wer sich an die bisherigen Trainerstationen von Klinsmann erinnert, dem wird vor allem einfallen, dass er überall das Ansinnen vorgetragen hatte, jeden Stein umdrehen und ganze "Läden auseinandernehmen" zu wollen. So gesehen, war es bemerkenswert, dass Klinsmann am Mittwoch nachgerade leise auftrat. "Ich glaube nicht, dass es hier jetzt um Veränderungen geht", sagte er zur Begrüßung in Berlin - es gehe darum, Punkte zu sammeln, in der Tabelle nach oben zu klettern, möglichst schon an diesem Samstag, wenn die Hertha als Tabellen-15. die ebenfalls latent kriselnde Dortmunder Borussia empfängt.

Wie viel Macht vereint Klinsmann?

Oder war diese verbale Diskretion Klinsmanns dem Umstand geschuldet, dass er auch ohne große Worte bei der Hertha schon so viel Macht hat, dass der Berliner Tagesspiegel in einem Kommentar bereits die Entmachtung von Preetz konstatierte, da der zumindest sportlich bisher als allmächtige betrachtete Manager "nichts mehr zu sagen" habe? Mag sein, dass diese - von allen direkt Beteiligten bestrittene - Darstellung überzeichnet ist. Andererseits ist es kaum von der Hand zu weisen, dass Klinsmann wohl noch nie zuvor in seiner Karriere in einer größeren Position der Stärke auf einen Cheftrainerposten gerückt ist.

Der Grund liegt in der Veränderung der Machtverhältnisse im Klub. Im Sommer stieg der Finanzinvestor Lars Windhorst bei Hertha ein, pumpte in zwei Tranchen 224 Millionen Euro in den Klub, übernahm damit knapp die Hälfte der Anteile der Profiabteilung - und installierte vor wenigen Wochen seinen sportstrategischen Berater im Aufsichtsrat: Klinsmann.

So dieser Trainer ist, wird dieses Aufsichtsrats-Mandat jetzt erst mal ruhen, und die genaue Ausprägung seiner Rolle war noch gar nicht definiert, als er am Sonntag in seinem Domizil in Kalifornien sah, dass die Hertha sportlich vor die Hunde ging (0:4 in Augsburg) - und sich von Windhorsts Ziel, Hertha zum "Big City Club" zu machen, noch weiter entfernte. In akute Abstiegsgefahr geriet das Team, das nun punktgleich ist mit Fortuna Düsseldorf auf dem Relegationsplatz 16. Das Investment von Windhorst, den Klinsmann am Mittwoch mehr als ein halbes Dutzend Mal erwähnte und lobte ("sein Commitment ist unglaublich"), ist damit in Gefahr. Also setzte sich Jürgen Klinsmann in einen Flieger nach Berlin.

Auch Klinsmanns Gattin war entscheidend

Schon vor Monaten habe er sich um Klinsmann als Trainer bemüht, verriet Preetz. Doch jedes Mal holte er sich einen Korb - obwohl Klinsmann vielfältige familiäre Bande zur Hertha pflegt: Sein verstorbener Vater war Hertha-Fan, Klinsmann selbst ist Vereinsmitglied ("nur bei der Hertha"). Und ein Sohn, der Torwart Jonathan, war bis vor Kurzem Hertha-Profi, im Sommer wechselte er zum FC St. Gallen.

"Zwei Tage und zwei Nächte" habe man konferiert, sagte Preetz über die Ereignisse seit Sonntag. Am Ende stand die Entlassung des glücklosen Ante Covic, den Klinsmann ausdrücklich lobte, der sich aber nur zwölf Spieltage als Cheftrainer versuchen durfte. Schnell kursierten Gerüchte um den klassischen "Feuerwehrmann" Bruno Labbadia, die Fans wünschten sich den in München entlassenen Ur-Berliner Niko Kovac, doch am Mittwoch kam Klinsmann.

Es habe eines kleinen "Anschubsers" bedurft, sagte Preetz, er selbst habe sondiert, ob Klinsmann diesmal als Übergangstrainer zur Verfügung stehe - und ließ offen, von wem dieser Impuls kam. Ebenso wichtig: Klinsmanns Gattin Debbie erteilte die Erlaubnis, den Aufenthalt in Berlin zu verlängern (und das Thanksgiving-Fest zu schwänzen). "Es ist keine einfache Aufgabe", sagte Klinsmann: "Aber wenn ich so was übernehme, mache ich das nicht halb, sondern hundertprozentig. Auch wenn alles über Nacht passiert: Ich bin vorbereitet."

Zu dieser Vorbereitung gehörte die Bildung eines Schattenkabinetts, das nun mit ihm als neuer Stab in Berlin antritt - und ein paar Überraschungen bietet. Assistenztrainer wird Alexander Nouri, der bei Werder Bremen einst als Chefcoach blitzschnell hell aufschien, aber bald wieder verschwand. Auch beim Zweitligisten Ingolstadt musste er nach acht sieglosen Spielen wieder gehen. Klinsmann lernte Nouri in den USA kennen. Der 40-Jährige sei ein "sehr neugieriger, lernfähiger junger Trainer", der bei der Trainingsgestaltung "viel freie Hand bekommen werde", kündigte der neue Chef an. Zweiter Co-Trainer wird Ex-Profi Markus Feldhoff. Zudem bringt Klinsmann - vorübergehend - den Bundestorwarttrainer Andreas Köpke mit, der vom DFB vorerst freigestellt wird. "Dass ihn Andy in der Startphase unterstützt, ist für uns alle selbstverständlich", sagte Bundestrainer Joachim Löw, der sich über Klinsmanns Einstieg sehr erfreut zeigte. Kurios: Köpkes Sohn, der Stürmer Pascal, steht ebenfalls bei Hertha unter Vertrag.

Auch Arne Friedrich mit im Team

Zu Klinsmanns Team gehört auch der neue Konditionstrainer Werner Leuthard. Klinsmann schafft auch einen neuen Posten für den Ex-Herthaner und Nationalspieler Arne Friedrich, der mit ihm an der WM 2006 teilnahm. Friedrich soll "Performance"-Manager werden, die Spieler beraten und eine Nähe zwischen dem Team und Manager Preetz herstellen.

Tägliche Trainerarbeit hat Klinsmann erst ein einziges Mal in der Bundesliga verrichtet, vor gut zehn Jahren bei den Bayern. Aus jener Zeit, die nur zehn Monate dauerte, blieben nicht zuletzt jene Buddha-Statuen in Erinnerung, die plötzlich am Klubgelände an der Säbener Straße auftauchten - mit deren Installation er damals aber gar nichts zu tun hatte, wie er am Mittwoch versicherte. Klinsmann scherzte dennoch, er sei diesmal mit leichterem Gepäck aus Kalifornien gekommen: "Ich habe in meinem Koffer keine Mitbringsel." Stattdessen ließ auch er sich jene Floskel entlocken, die seit Jahrzehnten kursiert und an der sich bisher alle verhoben haben: dass die Hertha "ein schlafender Riese" sei, den man nur erwecken müsse.

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