Hertha-Ultras:Eine Anmaßung der Selbstdarsteller

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Die Aktionen der Hertha-Ultras gegen die Hertha-Profis erinnern in Summe an die Spielerhatz der Schalker Fans im Abstiegsjahr 2020/21. (Foto: Sören Stache/dpa)

Die Trikot-Demütigung von Hertha-Profis durch manche Ultras ist ein beispielloser Vorgang. Die Verstoßung im Abstiegskampf zeigt, dass einige dieser Radikalo-Fans einfach ultraverblendet sind.

Kommentar von Javier Cáceres

Es lässt sich kaum von der Hand weisen, dass zumindest Teile der Ultra-Szene ein gespaltenes Verhältnis zum Sport haben, den sie begleiten. Der Fußball interessiert eine nicht unerhebliche Zahl von ihnen nur am Rande: Im Zweifel sind ihnen die "Choreos" wichtiger, ihre sogenannten Capos wenden dem Geschehen auf dem Platz den Rücken zu, um den Vorsänger zu geben.

Die Darbietungen sind ja oft auch hübsch anzuschauen. Die Kehrseite: Das Erscheinungsbild mancher Ultras in den Stadien ist so dominant, dass sie in die Falle der Selbstüberschätzung tappen, bis sie sich eine nachgerade totalitaristische Deutungshoheit über ihren jeweiligen Verein anmaßen. Tatort Berliner Olympiastadion: Ein Teil der dortigen Ultra-Szene meint, darüber zu bestimmen, wer würdig ist, das Hertha-Trikot zu tragen, und wer nicht.

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Die Aktion setzt auf die Drohung auf, die seit der nun vorletzten Derbyniederlage im Raum steht. Im Januar statteten Dutzende Hertha-Extremisten der Mannschaft einen sogenannten Trainingsbesuch ab und drohten, "die nächste Stufe" zu zünden, wenn sich die Mannschaft nicht "am Riemen" reiße. In der Summe weisen diese Geschehnisse eine enge strukturelle Nähe zur Hatz auf Spieler auf, die radikale Schalker Fans im Abstiegsjahr 2020/21 zur Aufführung brachten.

Hertha-Boss Bobic spricht zu Recht vom Überschreiten einer "roten Linie"

Ja, Hertha BSC hat in den vergangenen Jahren nicht alles richtig gemacht im Umgang mit seinen Fans - zumal mit denen, die sich sozial engagieren oder sich um Notleidende verdient machen, seien es Obdachlose in Berlin oder Kriegsopfer in der Ukraine. Aber selbst um etwaige Taktlosigkeiten der Vereinsführung bereinigt, gibt es nicht einmal ansatzweise eine Rechtfertigung für das, was Herthas Manager Fredi Bobic zu Recht als das Überschreiten einer "roten Linie" bezeichnete: einen mit Gewaltandrohung gepaarten Akt der Exkommunikation.

Er ist derart beispiellos, dass sich nicht mal Historiker des in Sachen mafiöser, krimineller und auch terroristischer Fanstrukturen marktführenden Fußballs Argentiniens an vergleichbare Szenen erinnern können. Allenfalls an einen Gesang, der am Rio de la Plata auf Tribünen zu hören ist: "Sáquense la camiseta/y dénsela a la hinchada/que juega mejor", zu deutsch: "Zieht das Trikot aus und gebt es den Fans, die besser spielen ..." Was ein Gedanke ist, der einen im Falle der Hertha schon mal beschleichen kann.

Dass sich aber die demonstrative Verstoßung der Profis mitten im Abstiegskampf vollzieht, untermauert den Gedanken, dass es Teile der Szene gibt, für die der Fußball nur Beiwerk zur Selbstinszenierung ist. Spielern der eigenen Mannschaft im Abstiegskampf zusätzliche Angst einjagen zu wollen, sie mit Gewalt zu bedrohen, darauf kann man nur kommen, wenn man ultraverblendet ist.

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