Hertha BSC:Der Fußball kann warten

Hertha BSC - SC Freiburg 1:0

Frust? Ärger über eine Fehlentscheidung? Weit gefehlt: Herthas Trainer Jürgen Klinsmann breitet zum Spielende entfesselt jubelnd die Arme aus.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Beim schmeichelhaften 1:0-Sieg der Berliner über Freiburg wird deutlich, wie wichtig der Erfolg für die Hertha war - unabhängig von der Entstehung. Für mehr Spielidee hat Klinsmann seinem Team den Urlaub gekürzt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es war wahrscheinlich gar nicht so boshaft gemeint, wie es aussah. Aber als Christian Streich, der Trainer des SC Freiburg, auf dem Podium des Pressesaals des Berliner Olympiastadions saß und bei einem Geständnis angelangt war - "das heute stinkt mir schon richtig, weil: dieses Spiel darfst du nicht verlieren" -, da legte sich ein Lächeln auf Klinsmanns Gesicht. Seit drei Spieltagen ist er der 55-jährige Wahlkalifornier Trainer des Fußballbundesligisten Hertha BSC, für die Dauer von zwei Bundesligaspieltagen war er zuvor Hertha-Aufsichtsrat gewesen, nun feierte er seinen ersten Sieg als Herthaner. Durch ein einsames, aber sehenswertes Tor des einst beim SC Freiburg beschäftigten Vladimir Darida (53.). "Wir haben vor dem Spiel gesagt, dass wir die drei Punkte brauchen, egal wie. Und die drei Punkte haben wir jetzt", sagte Klinsmann. Und deutete damit an, dass ihm die Art und Weise, wie der Sieg zustande gekommen war, weitgehend egal war. Ebenso das Lamento der Freiburger. "Wir haben Hertha zurück ins Boot geholt", sagte Streich - und meinte damit das Rettungsboot, das Bundesligaklubs vor dem Abstieg in die Zweitklassigkeit bewahrt. Es war Herthas erster Sieg nach sieben Spielen ohne Dreier. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt noch immer nur dürre drei Punkte.

Die Freiburger hatten einigen Grund, sich zu ärgern. Klinsmann hatte zwar eine nominell offensive Aufstellung aufgeboten; überraschend den zuletzt verschmähten Kapitän Vedad Ibisevic neben dessen Mittelstürmerkollegen Davie Selke gestellt und diese durch die schnellen Außenbahnspielern Dodi Lukébakio sowie Javairo Dilrosun flankiert. Doch nach einer Angriffsphase, die kaum länger dauerte als die Zubereitung eines Minutensteaks bei mittlerer Hitze, verlegte sich die Hertha darauf, den Freiburgern den Ball zu überlassen. Man konnte dafür zwar insofern eine gewisse Dankbarkeit empfinden, als die Freiburger eine deutlich klarere Idee davon hatten, was sie mit dem Ball anstellen wollten. Anders als die Hertha wollten sie sich nicht darauf beschränken, den Gegner zu locken, um ihn dann mit langen Bällen auf die Flügel zu übertölpeln. Die Freiburger dominierten in jeder statistischen Facette das Spiel.

Freiburg vergibt gute Chancen

Aber: Es fehlte ihnen an jeder Form von Boshaftigkeit, an dem erkennbaren Willen, dem Gegner unbedingt Schaden zufügen zu wollen. "Deswegen sind wir der SC Freiburg und nicht der FC Barcelona. Und bei dem läuft's auch nicht immer", erklärte ein vom Fatalismus gepeinigter SC-Trainer Streich. Denn es begab sich erst, dass Hertha vor der Pause die gefährlicheren Chancen hatte, durch eine Einzelaktion des faszinierenden Dilrosun sowie einen, nun ja, überraschend neben das Tor gesetzten Nahdistanzschuss von Selke, er stand nach einer Flanke von Lukas Klünter im Fünfmeterraum extrem frei. Und dann, dass kurz nach der Pause der Auftritt von Vladimir Darida kam, der den Sieg verhieß. Die Herthaner hatten sich den Ball sehr unbedrängt zuspielen können; Darida spielte einen Doppelpass mit Selke und fasste sich, wie sein Trainer sagte, ein Herz. Aus 23 Metern traf Darida in seinem 100. Ligaspiel für die Hertha ins Tor seines Ex-Vereins. "Ich sollte das öfter probieren", sagte der Tscheche.

Dass es bei diesem Siegtreffer blieb, hatte vor allem damit zu tun, dass die Freiburger gegen die schlechteste Mannschaft bei Standards (12 Gegentreffer) gleich zwei gute Gelegenheiten nach Eckstößen von Christian Günter (Robin Koch/57., Nicolas Höfler 59.) vergaben. Auf der anderen Seite ragte ein imposanter Drehschuss von Ibisevic heraus, er landete aus knapp 17 Metern neben dem Tor. Doch selbst das war dem "Capitano", wie ihn sein neuer Trainer in bewährter Klinsmann-Rhetorik nennt, einerlei. "Wir haben so einen dreckigen Sieg gebraucht, anders ging es auch nicht", sagte er. "Es geht nur über Kampf, Aufopferungsbereitschaft, Kameradschaft und auch Kompaktheit", sagte sein Trainer Klinsmann. Der Fußball, sollte das heißen, kann warten.

Diese Maxime dürfte auch in den letzten beiden Spielen vor dem Jahresende gelten, Hertha muss am Mittwoch nach Leverkusen reisen und empfängt am Samstag Borussia Mönchengladbach. Danach wird es einen nunmehr offiziell verkürzten Weihnachtsurlaub geben; am Samstag bestätigte der Klub, dass die Profis schon am 29. Dezember wieder zum Training erscheinen müssen. Ursprünglich war das Urlaubsende für den 2. Januar terminiert. "Ich werde etwas weniger zu Hause sein, die Frau und Familie sind nicht so glücklich", sagte Darida. "Aber in dieser Situation können wir nicht einfach zu Hause liegen, sondern wir müssen etwas machen." Der Grund: Am 19. Januar will die Hertha zum Rückrundenstart für den gleichen FC Bayern München fit sein, der sich am Mittwoch beim SC Freiburg vorstellt.

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