Süddeutsche Zeitung

Hertha BSC:"Es gibt keine Panik"

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Unter Pal Dardai hat Hertha bisher nur einen Punkt geholt und steckt tief im Tabellenkeller. Sportdirektor Friedrich stellt fest, dass der Kader nicht für den Abstiegskampf zusammengestellt sei - der Trainer verweist auf den unbarmherzigen Spielplan.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Montagvormittag erschien Pal Dardai nicht nur gut gelaunt zu einem Gespräch über die jüngste aller Niederlagen seiner Hertha. Sondern, wie er zu betonen wusste, auch bestens ausgeruht. Was ja, wie er andeutete, etwas zu bedeuten habe nach der 0:3-Niederlage gegen RB Leipzig vom Sonntag. Er schlafe richtig gut, sagte er, was auch in einem übergeordneten Sinne positiv sei. "Wenn ich nicht gut schlafe, stimmt wirklich etwas nicht", sagte er, und formulierte damit eine Einladung zum Umkehrschluss, den er im Grunde selbst zog.

Der Ballbesitz seiner Mannschaft sei sehr vernünftig gewesen, sie habe sich gut gegen das Leipziger Pressing gewehrt, taktisch gut agiert und sehr gute Torchancen herausgespielt - gegen einen Gegner, der formal einer anderen tabellarischen Ebene angehört. Alles in Ordnung, also?

Mitnichten. Allein schon deshalb nicht, weil es kaum einen Menschen geben dürfte, der sich über Niederlagen mehr ärgere als er, führte Dardai aus. Und auch, weil seine Hertha in der Tabelle nun einmal auf Platz 15 abgerutscht ist. Punktgleich mit Arminia Bielefeld - und nur einen Zähler vor den neulich noch abgeschriebenen, nun aber erstarkten Mainzern.

Hertha hat die vierte Heimniederlage in Serie kassiert

Seit vier Spieltagen leitet Dardai wieder die Geschicke der Hertha, seither sammelten die Berliner lediglich einen Punkt und schossen nur zwei Tore. Dardai ficht das angeblich zurzeit nicht an - mit der Betonung auf: zurzeit. "Wir sind gerade im Champions-League-Modus", sagt er, und das bedeutet nicht, dass er der Hybris anheimgefallen wäre oder das Gerede von der Hauptstadt-Hertha als "Big City Club" befeuern will. Vielmehr warb er um eine vernünftige, realitätsbezogene Einordnung der Lage.

Dass die Hertha ihre vierte Heimniederlage hintereinander kassiert und damit eine Serie fabriziert hat, wie es sie seit der Abstiegssaison 2011/12 nicht mehr gab, als Otto Rehhagel Trainer war, das ist das eine. Das andere: Dass die Hertha unter Dardai mit Ausnahme vom VfB Stuttgart (1:1) ausschließlich Teams wegarbeiten musste, die beste Aussichten haben, in der kommenden Saison in der Königsklasse zu spielen - den FC Bayern (0:1), die Frankfurter Eintracht (1:3), nun RB Leipzig (0:3).

Kommenden Samstag eilt Hertha zum nächsten Zahnarztbesuch, denn die Berliner treten an beim Tabellendritten VfL Wolfsburg, der letztmals am 3. Januar verlor und seit sieben Spielen nicht mehr erfahren musste, wie blöd sich Gegentore anfühlen. "Es gibt keine Panik", betont Dardai trotzdem: "Die Lage entscheidet sich zum Schluss, wenn du gegen die direkte Konkurrenz spielst." Bis der Hertha allerdings Teams aus dem unteren Tabellendrittel über den Weg laufen, ist es Mitte April - nimmt man den FC Augsburg aus, der in der übernächsten Woche nach Berlin kommt.

Nur: Schon vor der Partie gegen Leipzig hatte Sportdirektor Arne Friedrich unterstrichen, dass das vorhandene Personal nicht für den fordernden Häuserkampf engagiert wurde. "Unser Kader ist nicht für den Abstiegskampf ausgerüstet oder zusammengestellt worden", sagte der frühere Nationalspieler bei Sky: "Man sieht bei den anderen Mannschaften, die nach und nach punkten, dass sie zusammenrücken, dass sie elf Kämpfer auf dem Platz sind. Diese Mischung müssen wir jetzt auch finden."

"Du musst Tore machen, sonst wird es schwierig"

Wie dringend das ist, war beim 0:2 durch Leipzigs Nordi Mukiele bestens zu erkennen. Bei Mukiele landete der Ball nur deshalb, weil Tyler Adams Herthas fraglos begabten französischen Mittelfeldspieler Mattéo Guendouzi bei der überaus eitlen Idee ertappte, im eigenen Strafraum mit dem Rücken zum gegnerischen Tor zu dribbeln. Guendouzi beschwerte sich dann auch noch über ein Foul, das es nicht gegeben hatte. Adams hatte den Ball mit legalen Mitteln zu Mukiele gespitzelt, der ihn mit trockener Gewalt unter die Querlatte jagte (71.). Dies wirkte nur in Nuancen weniger spektakulär als der brachiale 35-Meter-Schuss von Marcel Sabitzer zum 1:0 (28.). Aber ohne Frage faszinierender als das 3:0 durch Willi Orban, das im Anschluss an eine Ecke daherkam, als das Spiel schon gelaufen war (84.).

Und nun? "Ich bin kein Wahrsager, ich bin kein Zauberer", behauptet Dardai, er könne "nicht Simsalabim machen". Vor allem aber könne er es seinen Spielern nicht abnehmen, Treffer selbst zu erzielen. Gegen Leipzig blieb die teure Offensivabteilung um Piatek, Cunha und Lukebakio ohne Erfolg. "Du musst Tore machen, sonst wird es schwierig", sagte Dardai - und konnte immerhin einen Hoffnungsschimmer vermelden. Der kolumbianische Stürmer Jhon Córdoba, der den robusten Charakter der Bundesliga bestens kennt und zuletzt wegen eines Muskelfaserrisses schmerzlich vermisst wurde, steht wieder zur Verfügung. Er hatte das vierte seiner bislang fünf Saisontore beim letzten Hertha-Sieg erzielt. Am 3. Januar gegen Schalke 04.

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