Süddeutsche Zeitung

Hertha BSC:Berliner Klebstoff

Wenn Marko Grujic spielt, ist Hertha BSC erfolgreich. Das 1:0 gegen Eintracht Frankfurt ist der nächste Beweis der Stärke des Mittelfeldspielers.

Von Max Ferstl, Berlin

Pal Dardai hat in seinem Berufsleben viele großartige Mittelfeldspieler erlebt. Dardai, selbst ein passabler Mittelfeldmann, spielte zum Beispiel an der Seite von Andreas Neuendorf, der sich, nachdem er einmal Opfer eines Zeckenbisses geworden war, den Künstlernamen Zecke in den Personalausweis eintragen ließ. Dardai sicherte auch den genialen Brasilianer Marcelinho ab, wenn dieser seine hohe Kunst aufführte. Aber ein großartiger Mittelfeldspieler überragt aus Dardais Sich alle bisher Dagewesenen. Dieser eine Spieler sei "mit Abstand" der beste der neueren Vereinsgeschichte, behauptete der Berliner Trainer am Samstagabend. Niemand in den vergangenen 20 Jahren sei so begabt gewesen wie: Marko Grujic, 22 Jahre, sieben Bundesligaspiele.

Dieser Grujic hatte am Samstag beim 1:0 gegen Eintracht Frankfurt das einzige Tor erzielt. Er war nach einer Ecke genau im richtigen Moment losgelaufen, hatte den Frankfurter Verteidiger Makoto Hasebe überrumpelt und den Ball mit einem präzisen Kopfstoß ins Tor gedrückt (40. Minute). Es war Grujics erster Treffer in der Bundesliga. Doch selbst wenn der junge Serbe keine Tore schießt, ist er für die Hertha von spielentscheidender Bedeutung. Grob gesagt gilt: Wenn Grujic spielt, ist Berlin erfolgreich.

Das war so zu Saisonbeginn, als die Berliner (mit Grujic) in den ersten vier Partien zehn Punkte sammelten. Das bestätigte sich, als Grujic aufgrund einer Verletzung am Sprunggelenk die nächsten sieben Spiele verpasste - von denen nur eines gewonnen werden konnte. Und das belegen auch die vergangenen drei Wochen. Seit Grujic wieder gesund ist, lautet die Bilanz: zwei Siege und ein 3:3 gegen Hoffenheim, das die meisten in positiver Erinnerung haben, weil die Berliner einen doppelten Zwei-Tore-Rückstand aufholen konnten. Nach vorübergehender Herbstdepression ist die Stimmung in Berlin wieder zuversichtlich.

Dass Grujic diese Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat, bestreitet keiner. Was zeichnet ihn aus? "Alles", findet Verteidiger Fabian Lustenberger: "Offensive Qualität, defensive Stabilität, Kopfballspiel, fußballerische Elemente." Man rede ja oft über komplette Spieler - er sei so einer. Mit 1,91 Meter Körpergröße ist Grujic eine wuchtige Erscheinung, bewegt sich aber elegant, und er spielt dazu feine Pässe. Grujic verbindet Abwehr und Sturm wie ein Kleber.

Es war beeindruckend, wie die Berliner am Samstag den Laden hinten zusammen hielten. Die Eintracht verfügt in Luka Jovic (zehn Tore), Sebastien Haller (neun) und Ante Rebic (fünf) über eine der besten Angriffsreihen der Liga. Wenn es Platz gibt, kann das Trio eine Verteidigung auseinander nehmen. Aber die Berliner spannen unter Beteiligung der Mittelfeldspieler Grujic und Arne Maier sowie der Innenverteidiger Lustenberger und Jordan Torunarigha ein dichtes Netz, in dem sich die Frankfurter immer wieder verhedderten. "Hertha hat das gut verteidigt", gab Frankfurts Trainer Adi Hütter zu. Dardai lobte die Leidenschaft, mit der sich seine Spieler in die Schüsse warfen. Und Grujic sagte: "Wir haben uns darauf konzentriert, im Zentrum kompakt zu bleiben."

Er war in der Regel auch beteiligt, wenn die Berliner gefährlich vors Frankfurter Tor kamen, was recht selten passierte. Grujic gab vier der sieben Berliner Torschüsse ab. Die beste Chance durch Davie Selke bereitete er vor (50.). Und natürlich köpfte er das entscheidende Tor. Ein "wirklich spezieller Moment" sei das gewesen, sagte Grujic. Zuletzt habe er ja mit den Abschlüssen oft Pech gehabt. Diesmal hatte er Glück.

Vor allem in jener 87. Minute, als er Jovic im Strafraum zu Boden riss - und dafür nicht bestraft wurde. "Wenn ich hier keinen Elfmeter gebe, dann weiß ich nicht, wann", klagte Hütter. Der Beschuldigte gab zwar "einen leichten Kontakt" zu, fand aber, dass das nicht ausreiche für einen Elfmeter. Es passte irgendwie zu diesem Spiel, dass Grujic Recht bekam, obwohl er eigentlich falsch lag. Ihm fliegt gerade viel zu, auch Anerkennung von allen Seiten.

Grujic hat registriert, dass ihn sein Trainer gerade regelmäßig und öffentlich (und vielleicht nicht ohne Hintergedanken) lobt. Denn ein kleines Problem gibt es schon mit dem besten Berliner Mittelfeldspieler der neueren Geschichte: Er gehört offiziell dem FC Liverpool, die Berliner haben Grujic nur ausgeliehen. Sie würden ihn aber gerne behalten.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2018
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