Trainer Dardai bei Hertha BSC:Das dritte Ende

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Trainer Pal Dardai muss bei Hertha BSC wieder mal seine Sachen packen. (Foto: Silas Schueller/dpa)

"Das ist meine 120. Verabschiedung hier": Pal Dardai hört abermals als Trainer von Fußball-Zweitligist Hertha BSC auf. Beim Klub-Investor 777 Partners verdichten sich indes die Hinweise auf finanzielle Probleme.

Von Javier Cáceres, Berlin

Friedhelm Funkel lieferte die Vorlage, und Pal Dardai nutzte sie zu einer letzten, fruchtlosen Werbung in eigener Sache. Mit 1:3 hatte Funkels 1. FC Kaiserslautern am Samstag im Berliner Olympiastadion gegen Hertha BSC verloren, und der aktuell älteste Trainer des deutschen Profifußballs beglückwünschte seinen Hertha-Kollegen Dardai nicht nur zu einem völlig verdienten 3:1-Sieg. Sondern auch zum Einbau von vielen Talenten ins Team; er wisse ja, wie schwierig so etwas sei, sagte Funkel. Und: "Das lässt für Herthas Zukunft einiges hoffen." Das schmeckte Dardai so gut wie die Zigarre, die er Samstagnacht noch paffen wollte. Und so warf er sich in die Pose der Hertha-Persönlichkeit par excellence.

"Ich bin sehr stolz auf meinen Trainerstab und meine Arbeit", sagte Dardai. Er zählte die von Funkel skizzierte Förderung von Nachwuchsakteuren auf, vor allem aber hielt er sich zugute, die Berliner stabilisiert zu haben. Nach dem Bundesligaabstieg habe bei Hertha zu Saisonbeginn "Chaos" geherrscht, habe niemand gewusst, wie es weitergehen sollte. Außer er, der den Umbruch in der zweiten Liga angeführt habe.

Und dann stehe ja auch noch die A-Jugend im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft, und die habe er irgendwie auch erfunden, den Trainer Oliver Reiß habe er vor Jahren mit der U9 betraut, sein Sohn spielte dort. Die Hertha, das bin ich!, sollte das wohl in Summe und in Abwandlung des berühmten Zitats von Louis XIV. heißen. Gehen muss Dardai dennoch. "Zum Schluss kommt immer ein Ergebnis raus - dieses Mal das Ergebnis, dass Pal nicht mehr weitermacht", sagte er nach dem wohl letzten Heimspiel seiner dritten Amtszeit als Hertha-Trainer der ARD. "Das ist meine 120. Verabschiedung hier", ergänzte er in der Pressekonferenz.

Andererseits: Eine offizielle Bestätigung für die seit Wochen als fix geltende Trennung steht aus. Am Samstag hatte ein Bericht der Bild einen aktuellen Anlass für Debatten um Dardai geboten. Wer ihm nachfolgt? Als Kandidaten gelten Cristian Fiél, der am Samstag auf seinen laufenden Vertrag beim 1. FC Nürnberg verwies, Enrico Maaßen (früher Augsburg) und Kosta Runjaic (zuletzt Legia Warschau). Wer immer es am Ende wird - er käme in einen Klub, in dem die Anschnallzeichen nicht erloschen sind, sondern der weiterhin Turbulenzen durchquert.

Bei 777 Partners rumort es gewaltig

Denn ebenfalls am Wochenende gab es neue Nachrichten zu US-Investor 777 Partners, der seit März 2023 mehr als zwei Drittel der Anteile an Herthas Profiabteilung hält. 777 ist zudem an sechs weiteren Vereinen beteiligt (Vasco da Gama, Melbourne Victory, FC Sevilla, Standard Lüttich, Red Star Paris, FC Genua) und bemüht sich seit Monaten um den Kauf des hoch verschuldeten englischen Erstligisten FC Everton. Bislang erfolglos und stets umgarnt von Berichten über Finanzprobleme.

Am Freitag berichtete das norwegische Internet-Portal Josimar von internen Revirements. Firmengründer Josh Wander und Steve Pasko seien als Chefs der Fußballsparte von 777 abgelöst worden. Dies sei den Mitarbeitern in einer E-Mail mitgeteilt worden. Ein 777-Sprecher lehnte jeden Kommentar zu dieser und weiteren Fragen ab, Wander ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Wie die SZ von zwei Quellen erfuhr, die mit den Vorgängen bei der Fußballsparte von 777 vertraut sind, waren Wander und Pasko in der vergangenen Woche schon nicht mehr in Entscheidungen eingebunden, die in der Vergangenheit ihrer ausdrücklichen Zustimmung bedurften. Die Wirtschaftsagentur Bloomberg zitierte ebenfalls aus einer E-Mail an 777-Mitarbeiter - und berichtete auf Grundlage dessen, dass die Muttergesellschaft 777 in die Hände von Sanierungsexperten gelegt worden sei, um "verschiedene operative Herausforderungen" zu überwinden. Ein Euphemismus, der ganz gut zu Unternehmen passt, die eine mögliche Pleite abwenden wollen. Oder müssen.

An Problemen mangelt es 777 Partners nicht. Vor wenigen Tagen berichtete Bloomberg über eine Betrugsklage vor einem Bezirksgericht in New York (Aktenzeichen 24-cv-03453). Der in London ansässige Vermögensverwalter Leadenhall Capital Partners, der als der Hauptkreditgeber von 777 Partners gilt, wirft der Firma vor, Darlehen über 350 Millionen US-Dollar mit Vermögenswerten abgesichert zu haben, die 777 angeblich nicht besaß oder angeblich an andere Gläubiger verpfändet hatte.

Hertha BSC erhielt bisher 75 der zugesagten 100 Millionen Euro von 777

Dass 777 Partners, der unter anderem auch im Airline-Sektor investiert hat, Liquiditätsprobleme hat, lässt sich aus anderen Vorgängen schließen. In Australien meldete die 777-Airline "Bonza" Insolvenz an; Flugzeuge wurden beschlagnahmt, die Flüge der Gesellschaft sind seit dem 30. April und vorerst bis zum 14. Mai gestrichen. In Belgien erzwangen die Ultras des 777-Klubs Standard Lüttich am Freitag die Absage des Spiels gegen KVC Westerlo. Zuvor hatte die Zeitung Le Soir berichtet, dass im April bei Standard Gehaltszahlungen ausgeblieben waren. Sie sollen Ende der Woche geflossen sein.

Was diese Gemengelage für Hertha bedeutet, ist offen. 777 habe "wesentlich zum Sanierungskurs" Herthas beigetragen, erklärte der Zweitligist. Hertha hat etwa 75 der 100 Millionen Euro, die 777 bei seinem Einstieg versprochen hatte, bereits erhalten; die bislang letzte Tranche bekam Hertha nach eigenen Angaben "frühzeitig" im April. Sie lag dem Vernehmen nach bei circa 22 Millionen Euro. Seinerzeit sei Geld dagewesen, das nun weg sei, erklärte ein Insider, offenbar sollte der Premier League auch signalisiert werden, dass hinreichend Liquidität da sei.

Der Kicker berichtete nun, dass 777 Partners die noch nicht bezahlten 25 Millionen Euro "nicht wie bisher angenommen fix in weiteren Tranchen im Verlauf der kommenden Saison" zahlen muss, "sondern als Ausgleich für ein etwaiges negatives Eigenkapital" bereitstellen müsste. Hertha widersprach dem auf Anfrage nicht, sondern verwies auf strenge "Vertraulichkeits- und Verschwiegenheitsverpflichtungen". Zupass dürften die Probleme von 777 Partners Hertha jedenfalls nicht kommen. Hertha muss für die kommende Saison "eine finanzielle Bedingung" erfüllen, um die Lizenz für die neue Saison zu erhalten.

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:Herthas Finanzlage verschlechtert sich weiter

Trotz eines "knallharten Sparkurses" wird Hertha BSC erneut Verluste in Höhe von 22 Millionen Euro anhäufen. Die Perspektive ist nicht rosig - in anderen Branchen würde wohl längst das Szenario eines Insolvenzverfahrens diskutiert werden.

Von Uwe Ritzer

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