Hertha BSC Berlin:Ibisevic fordert einen Lippenleser

FSV Mainz 05 - Hertha BSC

Uneinig: Der Berliner Vedad Ibisevic (rechts) und Schiedsrichter Tobias Stieler (hellblau).

(Foto: dpa)
  • Hertha BSC verliert 0:1 in Mainz, doch der Videbeweis vor dem Tor und eine Rote Karte gegen Vedad Ibisevic sorgen für Aufregung.
  • Der Stürmer sagt, der Schiedsrichter hätte ihn bloß falsch verstanden.
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Von Johannes Aumüller, Mainz

Das Ein-Mann-Empfangskomitee wartete in Badelatschen und blauem Trainingspullover. Und es war ihm ein Anliegen, noch einmal ein paar Dinge zu betonen. Also postierte sich Herthas Stürmer Vedad Ibisevic auf einem strategisch cleveren Platz in den Katakomben, und als der Schiedsrichter Tobias Stieler vorbei kam, gab es einen freundlichen, aber bestimmten Austausch. Aber keine inhaltliche Annäherung.

Der Schiedsrichter Stieler hat eine zentrale Rolle gespielt bei diesem eher mauen Bundesliga-Duell, das der Gastgeber Mainz gegen Berlin etwas glücklich mit 1:0 gewann. Es war eine jener Partien, für die irgendwann einmal das Unentschieden als gerechtes Ergebnis erfunden worden ist - aber zwei Mal gab es doch große Aufregung. Einen Videobeweis, aus dem das 1:0 für die Mainzer resultierte. Und eine rote Karte für Ibisevic kurz vor Schluss.

Ungewöhnlicher Videobeweis

54 nahezu ereignislose Minuten waren vergangenen, da kam es im Berliner Strafraum zu einer kniffligen Szene. Karim Rekik stieß Yoshinori Muto zu Boden, die Mainzer forderten heftig einen Strafstoß, aber Stieler pfiff zunächst nicht. Doch in der nächsten Unterbrechung bekam er vom Video-Assistenten, der in einem Studio in Köln alle kritischen Szenen auf dem Monitor prüft, ein Signal aufs Ohr, dass da wohl doch etwas gewesen sei.

Und dann tat Stieler etwas, was es bei einer Elfmeterentscheidung so noch nicht gab in der kurzen Geschichte des Bundesliga-Videobeweises: Er trabte zur Seitenlinie zur sogenannten "Review Area", einem Bereich auf der gegenüberliegenden Seite der Trainerbänke, wo zwei Personen allein in ihren gelben Leibchen und mit einem Monitor vor der Gegengerade sitzen. Dort schaute sich Stieler die Szene noch mal in Ruhe an, sah den Armeinsatz Rekiks, den er zuvor nicht gesehen hatte - und pfiff einen Strafstoß, den Pablo de Blasis verwandelte.

Inhaltlich gab es kaum zwei Meinungen zur Bewertung. Interessant war die Art und Weise, wie die Korrektur zustande kam. Zwar ist es laut Reglement völlig normal, dass ein Schiedsrichter nach einem Hinweis des Video-Assistenten in die Review Area gehen und die kritische Szene selbst ansehen kann. Bei anderen Wettbewerben, etwa dem Confed Cup, war das auch öfter vorgekommen - dort allerdings eher höhnisch begleitet, weil es so lange dauerte. In der Bundesliga hingegen war als Marschroute vorgegeben worden, dass es den Gang in diese Review Area eher selten geben soll. An den bisherigen Spieltagen war es nur einmal vorgenommen, nämlich bei der Bewertung eines Foulspiels (Freiburg Yoric Ravet gegen Dortmunds Marcel Schmelzer) - jedoch noch nicht bei Toren oder elfmeterwürdigen Szenen.

Nach dem Spiel erklärten nun verschiedene Spieler, dass das irgendwie angenehmer gewesen sei, dass der Schiedsrichter auf dem Platz sich die Bilder noch einmal anschaute - angenehmer, als wenn jemand aus Köln via Funkspruch den Platz-Referee überstimmt. In der Aufgeregtheit der vergangenen Wochen war diese Methode oft moniert worden. Stieler sagte nach dem Spiel dazu, dass es sich um eine Testphase handele und die Schiedsrichter auch die "unterschiedlichen Strömungen" wahrnehmen würden. Es habe keine Anweisung der Schiedsrichter-Leitung gegeben, tendenziell öfter in die Review Area zu gehen, aber es gebe einen ständigen Austausch. Er habe es in diesem Moment als angemessen empfunden.

Der Schiedsrichter hörte ein anderes Sch-Wort

Danach passierte wieder nicht viel, Ibisievic vergab eine Chance für die Hertha (69.), de Blasis versuchte es mit einer Art Seitfallschuss (71.) - und dann stand Stieler schon wieder im Mittelpunkt: Eine Minute vor Ende der regulären Spielzeit gab er jene rote Karte, wegen der Ibisevic kurz nach dem Spiel nochmal den Dialog suchte.

Weitgehend unumstritten ist dabei noch folgender Ablauf: In einem Zweikampf bekam Ibisevic einen Ellbogenschlag ab, aus einer kleinen Wunde über der linken Augenbraue sickerte Blut heraus. Der 33-Jährige wischte es zwar immer wieder mit seinem Trikot ab, aber Stieler bat ihn trotzdem, den Platz für die weitere medizinische Behandlung zu verlassen. Doch damit enden die Parallelen in der Darstellung. Ibisevic tat kund, er habe in diesem Moment gesagt: "Das ist doch schlecht." Schiedsrichter Stieler sagte, dass er da eine andere Wahrnehmung hatte und ein etwas anderes "Sch"-Wort gehört habe. Auch der kurze Dialog nach dem Spiel brachte keine Einigung über die Wortwahl. Er kenne doch das Geschäft und wisse, wie es nun weitergehe, sagte Ibisevic. Aber er hoffe, dass sich das vielleicht ein Lippenleser ansehen könne, "die gibt es doch jetzt immer im Stadion".

Es wäre jedenfalls etwas ganz Neues, wenn ein Sportgericht seinen Schiedsrichter in so einer Szene überstimmt. Ibisevic muss also mit einer Sperre rechnen. Sein Trainer Pal Dardai gab sich im Übrigen ganz entspannt ob der Entscheidungen. Die konkreten Szenen habe er noch nicht gesehen, aber insgesamt müsse er sagen: "Der Schiedsrichter hat hervorragend gepfiffen."

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