Hertha BSC:0,82 Punkte pro Spiel

Hertha BSC: Nicht so gut gelaunt: Hertha-Manager Fredi Bobic.

Nicht so gut gelaunt: Hertha-Manager Fredi Bobic.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Hertha wartet im laufenden Kalenderjahr weiter auf den befreienden Sieg. Manager Fredi Bobic stärkt Trainer Korkut, kritisiert die Spieler deutlich - und sagt über Investor Windhorst: "Der schießt keine Tore."

Von Javier Cáceres, Berlin

Das Grundrechnen gestaltet sich für die Hertha zurzeit ein wenig mühsam; zumindest insofern, als im laufenden Kalenderjahr noch keine Dreier addiert werden konnten. Was ja dazu führt, dass der Hertha und ihrem aktuellen Trainer Tayfun Korkut zunehmend arithmetische Parameter zur Last gelegt werden.

Am Wochenende verlor die Hertha auch beim SC Freiburg, diesmal mit 0:3, und das bedeutet, dass Korkut in seiner bisherigen Amtszeit auf 0,82 Punkte pro Partie kommt, was weit unter dem Schnitt von Korkut-Vorgänger Pal Dardai liegt (1,08). Bei der Hertha gingen sie am Sonntag deshalb zur Prozentrechnung über. Die Mannschaft dürfe "nicht denken, dass 100 Prozent reichen", sagte Korkut am Sonntag. Fast zeitgleich gab Manager Fredi Bobic in der Sportshow Doppelpass eine Einschätzung wieder, die Hertha-Fans kümmern dürfte. Er habe "nicht zu 1000 Prozent das Gefühl", dass alle Spieler den Abstiegskampf angenommen hätten.

Bobic stärkt Trainer Korkut den Rücken: "Der Glaube an ihn ist groß."

Er hätte nicht gedacht, "dass wir so wenig Punkte haben", sagte Bobic, "das war auch nicht so geplant." Wobei: Nichts von dem, was der Hertha widerfahren ist, hätte man so planen können. Hertha ist Rückrundenletzter, punktemäßig gleichauf mit dem VfB Stuttgart, der allerdings ein besseres Torverhältnis aufweist; die Corona-Infektionen haben in den vergangenen Tagen und Wochen ein solches Ausmaß angenommen, dass am Samstag ein paar Spieler auf der Bank saßen, die nur ein Training hinter sich hatten. Nur: Es hilft ja nichts. Nach einem fragwürdigen Elfmeterpfiff geriet die Hertha durch Vincenzo Grifo in Rückstand (12. Minute), Kevin Schade und Keven Schlotterbeck vollendeten spät den Triumph.

"Das Ergebnis spiegelte den Spielverlauf nicht wider", sagte Trainer Korkut. Sein Vorgesetzter Bobic stärkte ihm den Rücken. Er habe "keine Lust auf Aktionismus", erst am Saisonende werde "eine Zäsur" gemacht, erläuterte Bobic: "Dann setzen wir uns zusammen und schauen, ob es weitergeht. Tayfun ist ein hervorragender Fußballlehrer. Der Glaube an ihn ist groß." Dafür nahm Bobic die Mannschaft deutlich wie selten in die Pflicht.

Man müsse "rausfiltern, wer für diese Situation der Richtige ist", erklärte Bobic. Er räumte ein, dass es gewisse "Egoismen" gebe, was insofern überraschte, als das Dämonen waren, die bei Hertha eigentlich als exorziert galten. Man habe den Spielern viel Vertrauen gegeben, nun müssten sie liefern: "Wenn sie nicht marschieren, werden sie'n Problem haben", sagte Bobic, ohne Namen zu nennen.

Zu den Spielern, die sich ausdrücklich nicht angesprochen fühlen durften, zählte vor allem der nominell fünfte Torwart der Hertha, Marcel Lotka. Wegen der Verletzungs- und Covid-Misere der Berliner durfte Lotka, 20, sein Bundesligadebüt feiern, und er erhielt beste Kritiken. "Marcel war sehr, sehr ordentlich, was mich aber nicht verwundert: Ich habe ihn sehr mutig kennengelernt, und das hat er mit seiner ersten Parade auch gezeigt", sagte Korkut. Lotka machte seine Sache so gut, dass Korkut gar gefragt wurde, ob er Stammtorwart Alexander Schwolow verdrängen könne. Wie die Entscheidung auch ausfallen sollte: Sonderlich intensiv sollten sich die Herthaner nicht in Lotka verlieben.

Denn am Sonntag wartete der kicker mit der Meldung auf, dass Lotka seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag nicht verlängern, sondern zur Dortmunder Borussia wechseln werde. Der Torwart ist nicht das erste Talent aus der klubeigenen Nachwuchsakademie, das dem Klub-Slogan nicht traut. Er lautet: "Die Zukunft gehört Berlin."

Die Gegenwart aber ist nicht nur von sportlicher Misere, sondern auch von öffentlichen Debatten um die Verärgerung des Hertha-Investors Lars Windhorst geprägt. Er hatte in einem Interview mit Capital über "Machterhalt und Klüngelei" in der Hertha-Führung geklagt; aus heutiger Sicht sei es ein Fehler gewesen, 374 Millionen Euro in den Bundesligisten zu pumpen. Die Äußerungen seien zu einem "fatalen Zeitpunkt" gefallen; im Abstiegskampf brauche man "dieses Schaufenster jetzt nicht", betonte Bobic. Hertha hatte angekündigt, ein Gespräch mit Windhorst suchen zu wollen: "Wir werden ihn fragen." Bobic sagte am Wochenende, die Unterredung habe nach seiner Kenntnis noch nicht stattgefunden. Sicher sei in Bezug auf Windhorst freilich dies: "Der schießt keine Tore." Dazu bedarf es wohl keines mathematischen Beweises.

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