Hertha - Bremen (15.30 Uhr):Schnäppchenjäger

Zell am Ziller Oesterreich 12 07 2017 Trainingslager SV Werder Bremen Geschaeftsfuehrer Frank Ba; frank baumann

Frank Baumann hat die Werder-Mannschaft binnen 15 Monaten kräfig umgekrempelt.

(Foto: imago/DeFodi)

50 Transfers in 15 Monaten: Frank Baumann hat als Werder-Sportchef viel bewegt. Aber der verunglückte Start stellt alles auf die Probe.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Frank Baumann, 41, hat kürzlich wieder viel Wertschätzung von Ur-Werderanern erhalten. Sowohl Aufsichtsratschef Marco Bode als auch dessen Vorgänger Willi Lemke lobten den Mann, der seit Mai 2016 als Geschäftsführer die sportlichen Dinge beim SV Werder Bremen bestimmt. Doch vor dem Auswärtsspiel bei Hertha BSC (Sonntag, 15.30 Uhr) hat der frühere Werder-Kapitän ein Problem: Sollte nach den spät zustande gekommenen Niederlagen in Hoffenheim (0:1) und gegen Meister FC Bayern (0:2) auch dieses Spiel verloren gehen, hätten die Bremer mal wieder einen klassischen Fehlstart hingelegt. Und das, obwohl Baumann mit seinem Umbau der Mannschaft binnen 15 Monaten vieles richtig gemacht hat.

50 Transfers hat er in dieser kurzen Zeit getätigt, 29 Profis hat er verkauft, 21 geholt. Manche Zugänge haben Aufsehen erregt. 2016 hat er Max Kruse vom VfL Wolfsburg losgeeist und Serge Gnabry (der schon wieder weiterwandert ist, aber immerhin elf Tore für Werder geschossen hat) vom FC Arsenal - für Geld, das die sparsam wirtschaftenden Bremer gerade noch übrig hatten. 2017 kamen Verstärkungen aus Kopenhagen dazu, die ebenfalls längst als Schnäppchen gelten: im Januar der Däne Thomas Delaney als Nachfolger des in Ruhestand gegangenen Clemens Fritz und der Schwede Ludwig Augustinsson, der auf längst vergessen geglaubte Art die linke Abwehrseite so gut bearbeitet, als sei Werder schon wieder ein Spitzenteam.

Noch klaffen überall Lücken

Mit einem halben Dutzend neuen Leuten wäre Werder in diesem Frühjahr nach der Entlassung von Viktor Skripnik im September 2016 unter Neu-Trainer Alexander Nouri fast noch in der Europa League gelandet. Jetzt aber gibt es noch einige Fragen: Ist der Tscheche Jiri Pavlenka, den man in diesem Sommer verpflichtete, wirklich der bessere Torhüter als Felix Wiedwald, dem man nicht mehr traute? Baumann hat keinen neuen Innenverteidiger geholt für die lange Zeit sehr löchrige Abwehr, obwohl deren Chef Niklas Moisander länger ausfällt. Und vorne? Ging mit dem Angriffspaar Kruse und Fin Bartels in den ersten beiden Spielen wenig - einerseits, weil das Mittelfeld zu sehr mit Defensivaufgaben beschäftigt war, womöglich aber auch, weil im Zentrum noch ein klassischer Stürmer fehlte. Denn Kruse und Bartels sind im Prinzip eher Außenstürmer beziehungsweise hängende Spitzen.

Das bald 39-jährige Werder-Idol Claudio Pizarro hat man fortgeschickt, weil man ihm nicht mehr zutraute, dem Team eine weitere Saison zu helfen. Pizarro hat sich diese Woche darüber beklagt, wie die Trennung zustande kam. Man habe nicht wirklich mit ihm geredet, das habe er "so nicht erwartet". Im Fokus stand dabei in erster Linie Coach Nouri, der abstritt, nicht klar mit Pizarro gesprochen zu haben. Dabei waren sich Trainer und Manager durchaus einig in der skeptischen Beurteilung der Personalie.

Ein französischer Algerier soll die Offensive beleben

Nun aber hat Baumann doch noch reagiert - indem er von Standard Lüttich den französischen Algerier Ishak Beldofil, 25, für eine Millionen Euro für ein Jahr auslieh. Danach gibt es eine Kaufoption für den Offenspieler, der laut transfermarkt.de einen Marktwert von sechs Millionen Euro hat. Die ersten Trainingseindrücke des Profis, der einst auf den Straßen der Banlieus von Paris das Fußballspielen lernte, waren sehr positiv. Er sei sehr geschmeidig, habe ein gutes Auge für die Mitspieler und gehe gern in Eins-zu-Eins-Situationen, beschrieb ihn Nouri angetan.

Und am großen Fußball hat Beldofil, der in acht Jahren für acht Klubs tätig war, auch schon geschnuppert. Er hat für Olympique Lyon und Inter Mailand gespielt, aber auch in Abu Dhabi, wo es viel Geld für wenig Fußball gibt. In Bremen hofft man nun, mal wieder einen Wandervogel sesshaft zu machen wie einst Ailton. Ob er in Berlin schon helfen kann, ist ungewiss. Er steht aber im Kader. Ein Problem könnte eher sein, dass auch er sich als "hängende Spitze" bezeichnet. Ob Frank Baumann in diesem Sommer einen genauso guten Job gemacht hat wie im Vorjahr, wird man bald sehen. An der Tabelle, an der Abwehr und natürlich auch an diesem Sturm mit Ishak Beldofil.

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