Auch die Vertreter von Hertha BSC durften sich beim Landgerichtsprozess gegen den früheren Geschäftsführer Fredi Bobic ein wenig amüsieren, mit Genehmigung von oberster Stelle. Nun dürften alle Beteiligten einmal lachen, sagte die Richterin, und tatsächlich: Der Saal prustete laut los. Bei der Verlesung der Zeugenaussagen hatte sich die Protokollantin an dem englischen Wort „Term Sheet“ versucht – Eckpunktepapier –, es aber gleich dreimal „Term Shit“ ausgesprochen und damit für Gelächter gesorgt. Ansonsten aber war die Veranstaltung für Hertha nicht so lustig. Am Dienstag wurde das Urteil veröffentlicht, und Hertha wurde schwarz auf weiß eine Niederlage bescheinigt.
Denn: Das Gericht gab der Klage des früheren Sportgeschäftsführers Bobic gegen die am 10. Februar 2023 ausgesprochene fristlose Kündigung statt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Hertha will nach dem Studium der noch ausstehenden schriftlichen Begründung in Abstimmung mit den Anwälten entscheiden, ob es eine Berufung anstrengt. „Ich bin froh, dass es nun Richtung Ende geht“, sagte Fredi Bobic zur SZ: „Ich habe mit keinem anderen Ausgang gerechnet.“ Er hat nun Anspruch auf die von Hertha eingestellten Gehaltszahlungen und die bislang nicht geleistete Abfindung. Inklusive Zinsen und Gerichtskosten muss Hertha dem Vernehmen nach rund vier Millionen Euro berappen.
Mit dem „Term Sheet“ hatte es in dem Prozess deshalb eine besondere Bewandtnis, weil Hertha die fristlose Kündigung Bobics vor allem mit einem angeblichen Verrat von Geschäftsgeheimnissen begründet hatte (was dieser stets bestritt). In einer erst sieben Monate nach der Entlassung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung hatte der Anfang des Jahres 2024 plötzlich verstorbene Hertha-Präsident Kay Bernstein erklärt, dass er im Vorfeld einer Bundesliga-Begegnung von Eintracht Frankfurt gegen „Hertha BSC Berlin (sic!)“ im Februar 2023 von dem „Gerücht“ erfahren habe, Bobic habe Axel Hellmann vertrauliche Unterlagen „weitergeleitet oder weiterversandt“. Dabei ging es um das Eckpunktepapier zum damals unmittelbar bevorstehenden Einstieg des US-Investors „777 Partners“ bei Hertha. Hellmann, zu jener Zeit Interimsgeschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und bis heute Vorstand von Eintracht Frankfurt, habe das bei einem Treffen im Februar 2023 bestätigt.
SGE-Boss Hellmann bestreitet, dass Bobic ihm vertrauliche Papiere weitergab – und bestätigt ein Gespräch mit Bernstein
Vor Gericht stellte Hellmann den Sachverhalt jedoch ganz anders dar – und ließ sich dazu auf Antrag der Hertha-Vertreter auch anstandslos vereidigen. Hellmann sagte, er habe besagtes „Term Sheet“ nie gesehen – und folglich auch nicht von Bobic erhalten können. Er bestätigte, dass damals ein Gespräch mit Bernstein stattfand; aber deshalb, weil er, Hellmann, darum gebeten habe. In Folge von Presseberichten und dem Branchengeraune habe er Zweifel gehabt, ob Herthas Deal mit „777 Partners“ den Regularien zur Begrenzung des Einflusses von Investoren entspreche, Stichwort: „50+1“.
Hellmann sagte, Bernstein habe etwaige Bedenken zerstreut; die Entscheidungshoheit läge bei den Gremien von Hertha. Darüber hinaus hatte Hellmann Bemerkenswertes zu berichten. So habe Bernstein in besagtem Gespräch anklingen lassen, er erwäge, die damals finanziell in massiver Schieflage befindliche Hertha in die geordnete Insolvenz zu führen. Bernstein habe sich davon versprochen, den Klub von personellen und finanziellen Lasten und dem Investor zu befreien. Hellmann habe ihm dringend davon abgeraten. In seinen Augen wäre der Reputationsschaden für Hertha und den deutschen Fußball durch einen Offenbarungseid enorm gewesen. Hertha lehnte am Dienstag einen Kommentar ab. Man habe zum geschilderten Sachverhalt „keine Kenntnisse“.
Hellmann gab auch zu Protokoll, dass Bernstein ihm gegenüber in einem weiteren Gespräch später im Jahr angekündigt hatte, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Hellmann habe Bernstein eindringlich gewarnt, dass er dem Inhalt widersprechen würde – wie nun vor Gericht geschehen. Bernstein wiederum habe erklärt, dass die eidesstattliche Versicherung dem Zweck dienen sollte, den Druck auf Bobic zu erhöhen, einer Vertragsauflösung zuzustimmen. Hellmann zufolge habe Bernstein die Absicht geäußert, die eidesstattliche Versicherung wieder zurückzuziehen. Als Jurist habe er Bernstein darauf hingewiesen, dass das nicht so einfach gehe. Dass Bernstein diesen riskanten Weg beschritt, konnte sich Hellmann nur dadurch erklären, dass Bernstein „alles für Hertha getan“ hätte.