Hertha BSC:Spionage-Thriller bei der Alten Dame

Hertha BSC: Möglicher Gipfel eines Machtkampfs: Lars Windhorst (rechts) und Ex-Präsident Werner Gegenbauer (links) zerstritten sich über die Führung von Hertha BSC. Unterlagen sollen nun belegen, dass der Investor eine israelische Firma beauftragt hat, um seinen Gegenspieler auszuspionieren.

Möglicher Gipfel eines Machtkampfs: Lars Windhorst (rechts) und Ex-Präsident Werner Gegenbauer (links) zerstritten sich über die Führung von Hertha BSC. Unterlagen sollen nun belegen, dass der Investor eine israelische Firma beauftragt hat, um seinen Gegenspieler auszuspionieren.

(Foto: Bernd König/Imago)

Hat Lars Windhorst eine Sicherheitsfirma beauftragt, eine Kampagne gegen Ex-Präsident Gegenbauer zu fahren? Der Hertha-Investor dementiert. Doch die "Financial Times" will Dokumente eingesehen haben, die den Verdacht angeblich belegen.

Von Javier Cáceres und Uwe Ritzer, Berlin

Es war zuletzt einigermaßen ruhig geworden um Hertha BSC, gemessen jedenfalls an der Kaskade an bizarren Nachrichten, die das öffentliche Bild des Klubs in den vergangenen Jahren prägten. Nun umweht ein in der Bundesliga mutmaßlich neuer, ebenso rätselhafter wie unangenehmer Geruch aus geheimdienstlicher Garküche den Hauptstadtklub.

Am Donnerstagmorgen wurde der Berliner Fußballbundesligist von einer spektakulären Recherche überrascht, die auf den lachsfarbenen Seiten der Financial Times zu lesen war. Demnach würden Gerichtsdokumente den Schluss zulassen, dass Klubinvestor Lars Windhorst einen privaten israelischen Nachrichtendienst unter Vertrag genommen habe, um den früheren Präsidenten Werner Gegenbauer durch eine Undercover-Kampagne aus dem Amt zu jagen. Der Berliner Unternehmer trat vor wenigen Monaten nach 14 Jahren als Hertha-Boss zurück. Durchaus entnervt.

Windhorst, 48, war im Sommer 2019 bei der Hertha eingestiegen, ihm gehören rund zwei Drittel der Profiabteilung des Klubs. Für die Anteile zahlte er etwa 374 Millionen Euro. Erfolge stellten sich nicht ein: Die Hertha blieb dem Abstiegskampf treu. Dass Windhorst sich im Laufe der Zeit mit Gegenbauer über den richtigen Kurs zerstritt, ist bekannt. Auf dem Höhepunkt des am Ende öffentlich ausgetragenen Machtkampfs attackierte Windhorst den damaligen Präsidenten direkt und forderte einen Neuanfang - ohne Gegenbauer.

Ihre Mission habe die Firma durch den Rücktritt von Gegenbauer "erfolgreich erfüllt"

Die FT berichtete nun über einen bei einem Bezirksgericht in Tel Aviv anhängigen Rechtsstreit, der besage, dass Windhorst eine israelische Sicherheitsfirma namens Shibumi Strategy Limited unter Vertrag nahm, um Gegenbauer zu stürzen. Einer Klage von Shibumi zufolge sei eine in der Schweiz ansässige Einheit von Windhorsts Finanz-Holding Tennor Group vertragsbrüchig geworden. Shibumi warte demnach auf ein Honorar von einer Million Euro für eine achtmonatige Undercover-Arbeit sowie auf eine angeblich mündlich vereinbarte Erfolgsprämie von weiteren vier Millionen Euro. Die Firma sehe ihre Mission durch den Rücktritt Gegenbauers als "erfolgreich erfüllt" an.

Der Sprecher von Windhorsts Holding Tennor nannte die Darstellung "kompletten Unsinn". Man kenne den ganzen Vorgang bislang nur durch den FT-Bericht. Und im Übrigen: "Warum sollte jemand eine israelische Agentur für solch eine Kampagne engagieren, wo es in Deutschland Dutzende PR-Agenturen gibt, die noch dazu keine solch horrenden Summen aufrufen." Woher der Zeitungsbericht komme und was es mit der Klage auf sich habe, könne man sich nicht erklären, und das werde gerade von Tennor-Anwälten recherchiert, fügte der Windhorst-Sprecher hinzu.

Windhorst spricht von "Nonsens" - auch der Vorstandschef der Sicherheitsfirma dementiert die Vorgänge

Was den Vorgang noch rätselhafter macht: Auch Ori Gur-Ari, der Vorstandsvorsitzende von Shibumi Strategy, dementiert ihn. "Wir wissen nichts von diesem angeblichen Fall, Sie müssen einen Fehler begangen haben", sagte er gegenüber der FT. Windhorst nannte ihn dem Blatt gegenüber ebenfalls "Nonsens" und stellte die Verlässlichkeit der Dokumente infrage. Mit Gur-Ari habe er "seit langer Zeit" nicht mehr gesprochen, so Windhorst. Hertha BSC teilte mit: "Tennor hat uns übermittelt, dass diese Geschichte völliger Unsinn ist."

Aber: Die Financial Times behauptet, sie habe mit Hilfe der Zeitung The Times of Israel die Dokumente einsehen können, die vor drei Wochen bei einem Amtsgericht in Tel Aviv eingereicht worden seien. Daraus gehe hervor, dass Windhorst die Firma Shibumi mit der Planung und Entwicklung einer Strategie beauftragt habe, um die eigene Reputation zu stärken. In einem Bericht, der im Juni 2022 unter dem Codenamen "Euro 2020" veröffentlicht worden sei, habe Shibumi laut FT dargelegt, dass ein 20-köpfiges Team sich Unterstützern, Gegnern und Familienangehörigen Gegenbauers "genähert" habe - online und persönlich, offen oder verdeckt -, um Informationen über Gegenbauer zu erhalten und/oder die eigene Kampagne zu befeuern.

Das mutmaßliche Anti-Gegenbauer-Repertoire: Online-Kampagne, Merchandising-Artikel und ein Karikaturist

Zu den Aktionen von Shibumi zählte eine Online-Petition unter dem Titel "Gegenbauer raus". Shibumi habe außerdem eine Reihe von "Online-Profilen von angeblichen Fans" erstellt, die Gegenbauer kritisierten. Das passt zu den Recherchen eines Twitter-Users aus der aktiven Hertha-Fanszene namens "@sogenannter". Er hatte sich schon im November 2021 über Gegenbauer-kritische Posts gewundert, die fast gleichzeitig und in ähnlicher Diktion abgesetzt worden waren - von Usern, die zuvor keine Nähe zur Hertha aufwiesen.

Laut FT sei auch ein Karikaturist bezahlt worden, der wenig schmeichelhafte Bilder von Gegenbauer erstellte, die in sozialen Medien platziert wurden. Gegenbauer sei als grimmiger Sensenmann und Teufel abgebildet worden. Dazu sei eine Website eingerichtet worden, um das Ende der Gegenbauer-Amtszeit zu forcieren, dazu ein Kanal auf dem Kurznachrichtendienst Telegram, der die Kampagne flankiert habe. Der Blog "Sportfreax" sei ebenfalls von Shibumi eingerichtet worden, um negative Artikel zur inneren Verfasstheit der Hertha zu verbreiten. Shibumi habe auch geplant gehabt, vor der letztlich abgesagten Mitgliederversammlung von November 2021 Merchandising-Artikel zu verteilen, auf denen "Gegenbauer raus" zu lesen gewesen wäre.

Die FT zitiert aus angeblichen E-Mails und Textnachrichten von Windhorst, in denen der Investor sich darüber beklagt habe, dass er "riesige Summen" bezahlt habe, ohne dass erkennbare Resultate erzielt worden seien. Windhorst habe sich allerdings anerkennend darüber geäußert, dass Shibumi erfolgreich aufgedeckt habe, welche Person hinter dem Twitter-Account "Wundersplat" steckte, der Windhorst attackiert habe.

Shibumi-Boss Gur-Ari wiederum soll laut FT behauptet haben, dass Windhorst im Juni 2021 bei einem Treffen auf einer Yacht erklärt habe, Shibumi würde "Millionen Euro" verdienen können, wenn die Kampagne gegen Gegenbauer von Erfolg gekrönt würde. Doch am Ende habe die israelische Firma für die Dauer von "acht Monaten Tage und Nächte lang gearbeitet, ohne dafür bezahlt zu werden".

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