Süddeutsche Zeitung

Pleite in Berlin:Bayern hat Schwierigkeiten mit sich selbst

  • Das 0:2 des FC Bayern in Berlin ist die erste Niederlage für den neuen Trainer Niko Kovac.
  • Gerade in der ersten Hälfte agieren die Münchner ohne Plan - dabei hatte der Coach wieder seine beste Elf aufgestellt.
  • Hertha BSC zeigt, dass man die Bayern mit einem guten Plan knacken kann.

Von Benedikt Warmbrunn, Berlin

Die unangenehmste Halbzeit in der noch kurzen Karriere des Berliners Niko Kovac als Trainer des FC Bayern endete mit einer Gemeinheit des Schiedsrichters. Fast die gesamten ersten 45 Minuten lang war Kovac gestanden, so wie er fast immer steht, ein Trainer, der steht und gestikuliert und motiviert, der ist für Kovac ein guter Trainer. Nun aber, zum Ende dieser Halbzeit, hatte Kovac sich hingesetzt, er saß zwei Sekunden lang, vielleicht drei Sekunden, sein Rücken hatte noch nicht einmal die Lehne seines Stuhls berührt. Dann pfiff Schiedsrichter Marco Fritz zur Pause.

Kovac hüpfte auf, zog sich Pullover und Mantel enger um den Hals. Es war wirklich eine unangenehme Halbzeit.

Als er in die Kabine verschwand, führte die Mannschaft, für die er als Spieler so oft gespielt hat wie für keine andere, 2:0. Und als das Spiel vorbei war, führte Hertha BSC immer noch, weiterhin 2:0. Und Kovac hatte erstmals ein Pflichtspiel als Trainer des FC Bayern verloren.

Das Schlimmste für Kovac an diesem Freitagabend in seiner Geburtsstadt war es, dass diese Niederlage vollkommen verdient war. Hertha BSC war griffiger, konsequenter, der Gastgeber spielte präzise und durchdacht. Der FC Bayern dagegen war über lange Phasen der Partie wirr und unstrukturiert und, auch das, harmlos. Sollte entweder Dortmund oder Bremen an diesem sechsten Spieltag noch gewinnen, wäre der Titelverteidiger die Tabellenführung wieder los. Zur Erinnerung: Am Sonntag noch hatte der FC Bayern auf beide Teams vier Punkte Vorsprung gehabt.

Auf sechs Positionen hatte Kovac seine Elf umgestellt, anders als beim 1:1 am vergangenen Dienstag gegen Augsburg verzichtete er dieses Mal allerdings auf taktische Experimente; als linker Verteidiger spielte also zum Beispiel nicht erneut der Mittelfeldspieler Leon Goretzka (der verletzt in München geblieben war), sondern der linke Verteidiger David Alaba. Doch all diese Wechsel bewirkten nicht, dass eine frische, kraftvolle, motivierte Mannschaft auf dem Platz stand. Stattdessen spielte eine Mannschaft, die sichtbar Schwierigkeiten mit sich selbst hatte. Fehlpässe. Missverständnisse. Ungenauigkeiten. Diese prägten das Spiel des FC Bayern, vor allem in der ersten Halbzeit.

Von Beginn an agierte die Hertha druckvoll. Der FC Bayern hatte zwar, wie üblich, mehr Ballbesitz, aber dieser war an diesem Abend überwiegend ein nutzloser. Spätestens sobald sich die Gäste der Gefahrenzone näherten, verdichte die Hertha die Mitte. Ein paar Flanken auf Torwart Thomas Kraft, einst im Tor der Münchner, ein Kopfball von Jérôme Boateng (14.), ein Kopfball von Robert Lewandowski (19.), mehr gelang dem FC Bayern lange nicht.

Kam die Hertha dagegen an den Ball, spielte sie diesen geradlinig, schnell und oft gewitzt nach vorne; meist beschleunigte Rechtsaußen Salomon Kalou den Angriff noch einmal zusätzlich. Zum Beispiel in der 22. Minute. Flanke von Ondrej Duda, Kopfball von Vedad Ibisevic, Manuel Neuer wehrt mit einer Hand zur Seite ab. Kalou sprintet zum Ball, Boateng rutscht übermotiviert und schwerfällig in ihn hinein. Elfmeter. Ibisevic trifft sicher (23.).

Wenige Minuten nach diesem Rückstand begann die beste Phase der Münchner in der ersten Halbzeit, sie endete mit einem feinen Angriff, an dessen Ende Lewandowski ein bisschen zu lange zögerte, so lange, bis er den Ball verloren hatte. Diese beste Phase der Münchner endete somit auch mit einem Gegenangriff, und dieser führte zum zweiten Gegentor. Kalou war schneller als Alaba, Valentino Lazaro schneller als Boateng, dann war Duda schneller als alle anderen in den freien Raum gerannt. Er traf sicher (43.).

Nach der Pause haben die Gäste den Ball noch häufiger - können aber wenig damit anfangen

Nach dem Unentschieden gegen Augsburg hatten sie sich beim FC Bayern damit getröstet, dass die Mannschaft ja genug Torchancen gehabt habe, sie habe sie nur nicht genutzt. In Berlin aber begann das Problem damit, dass die Mannschaft sich kaum eine Möglichkeit erspielen konnte. Im zweiten Durchgang zog sich die Hertha zurück vor das eigene Tor, der FC Bayern hatte noch mehr Ballbesitz. Aber dieser war weiter nutzlos. Die Mitte blieb verschlossen. In der 52. Minute versuchte es Alaba mit einem riskanten Schuss aus dem Strafraumeck, der Ball flog sogar durch das Gewimmel. Er flog aber auch am Tor vorbei.

Im Wesentlichen erspielte sich der FC Bayern einen Eckball nach dem anderen, doch diese führten selten zu Gelegenheiten. Eine Ausnahme bildete die zehnte Ecke, nach der Kraft mit einer schnellen Hand den Ball vor Lewandowski wegwischte und den Nachschuss von Serge Gnabry parierte (68.). Diese Szene war aber eben: eine Ausnahme. Eine weitere bildete die zwölfte Ecke (79.). Lewandowski stieg zum Kopfball in die Höhe, er konnte Schwung holen für einen wuchtigen Kopfstoß. Diesen wehrte allerdings erneut Kraft ab.

Nach dem Spiel, das hatte Kovac angekündigt, wollte er im Hotel Freunde und Verwandte treffen, er wollte trinken, lachen, glücklich sein. Auch das hatte er gesagt. In diesen letzten Minuten aber stand er am Spielfeldrand, er sah, dass sein Team die Partie nicht mehr drehen konnte. Kovac war nun ein Trainer, der selten gestikulierte und motivierte. Er war nun ein Trainer, der sogar gelegentlich den Kopf hängen ließ.

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Quelle:
SZ vom 29.09.2018/jbe
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