Im DVV-Pokalfinale stand schon so mancher Außenseiter. An diesem Sonntag aber gibt es eine besondere Premiere. Die WWK Volleys aus Herrsching haben sich zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte für ein Endspiel qualifiziert. Und der Gegner in Mannheims großer Arena (Sonntag, 16.15 Uhr, Dyn) sind die schier übermächtigen Recycling Volleys aus Berlin. Höchste Zeit also für einen Streifzug durch die Welt des Klubs vom Ammersee, der in der Bundesliga zuletzt nicht wirklich überzeugte. Bei dem man aber auch nie weiß, ob das nur ein cleveres Ablenkungsmanöver in Richtung der Hauptstadt war vor dem womöglich geilsten Spiel der Welt.
Der ewige David
Berlin gegen Herrsching im DVV-Pokal? Da war doch was: 25. November 2017, Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg, Viertelfinale. Die Übermannschaft aus der Hauptstadt trifft auf den krassen Außenseiter vom Ammersee. Und der wirft die mit Nationalspielern gespickte Mannschaft, die im Jahr davor den europäischen CEV-Cup gewonnen hatte, in einem Fünfsatzdrama aus dem Wettbewerb. "Das war einer unserer größten Siege, zumal wir damals noch sehr studentisch angehaucht waren", sagt Herrschings Geschäftsführer Max Hauser. Hauser, inzwischen 40, muss es wissen. Bei jenem Sieg stand er als noch sehr studentisch angehauchter Trainer an der Seitenlinie.
Nun ist es wieder das Duell David gegen Goliath, und Herrschings Trainer Thomas Ranner findet, die Underdog-Rolle passe "zur Herrschinger Attitüde". Hoffnung gibt es sowieso: Denn Herrsching hat sein Liga-Heimspiel gegen Berlin im November nur haarscharf mit 2:3 verloren. Ansonsten sieht die Bilanz gegen den Dauermeister eher trist aus. Einen weiteren Erfolg - neben jener Pokalsensation in Berlin - gab es für Herrsching nie. Dafür ist Berlin erst am Donnerstag sang- und klanglos im Champions-League-Viertelfinale ausgeschieden. Aber ob das dem David wirklich hilft?
Das erste Finale
Wer Herrschings Volleyballer von Anfang an begleitet hat, also nicht seit der Vereinsgründung des TSV im Jahr 1947 nach Christus, aber seit dem Erstligaaufstieg 67 Jahre später, der ahnte: Dieser Verein nennt sich zwar mal ironisch und mal vollen Ernstes "Geilster Club der Welt", aber so geil, dass er irgendwann ein Finale erreicht oder gar international spielt, ist er auch wieder nicht. Im Oktober 2022 feierte Herrsching dann seine Europapokal-Premiere. Und nun steht der Klub in seinem ersten Finale. "Das wurde auch langsam mal Zeit", findet Hauser - immerhin hatte er zuvor fünf (!) Pokal-Halbfinals mit Herrsching verloren. Zwei davon, huch, gegen Berlin.
Herrschings Profi Mayaula:Volleyball rettete ihn aus seinem tristen Leben
Magloire Mayaula steht mit den Herrschinger Volleyballern im Pokalfinale. Aber seine Geschichte ist größer: Er nennt sich Black Warrior, und er spielt, um Kindern im Kongo zu helfen - vor allem jenen, die wie er selbst ihre Eltern verloren haben.
Die Fans
Geschäftsführer Hauser spricht ganz unironisch von "1000 bis 3000 Fans", die Herrsching in Mannheims SAP-Arena unterstützen werden. Wenn man bedenkt, dass momentan rund 10 000 Tickets für den Finaltag verkauft sind, wäre also bis zu ein Drittel der Halle aufseiten der Oberbayern. Mag sein, dass Hausers Zahl etwas hoch gegriffen ist, aber er sagt: "Wir haben Fans in ganz Deutschland, 80 Prozent unseres Fanshop-Umsatzes stammt aus Nichtbayern." Daher fahren aus Bayern und der ganzen Welt auch mindestens 3000 Fanbusse nach Mannheim. Zwei davon starten sicher am Ammersee, samt Landrat und Bürgermeister, und einer in der Nähe von Nürnberg. Gespannt darf man sein, ob sich, wie üblich, die Anhänger der Südklubs gegen jene aus dem Norden verbrüdern. Das bietet sich diesmal gut an: Noch vor dem Männerfinale treffen in ihrem Endspiel Potsdams Frauen auf Titelverteidiger Stuttgart.
Co-König von Mannheim
Herrschings bislang einziger König von Mannheim heißt: Thomas Ranner, 36. Als Co-Trainer gewann Ranner 2022 mit dem VfB Friedrichshafen den DVV-Pokal, im Finale war Lüneburg chancenlos. Nun sagt Ranner: "Es wird ein fantastischer Tag." Ranner kennt sich aus mit Krönungen, im Herbst qualifizierte sich Herrschings Coach in seiner Doppelfunktion als Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft in Brasilien fast schon sensationell für die Olympischen Spiele in Paris. Spieler mit Pokaltitelerfahrung sucht man im Kader vom Ammersee indes vergebens. Immerhin stand Mittelblocker Magloire Mayaula 2018 mit den Bisons aus Bühl im DVV-Pokalfinale - nach einem Halbfinalerfolg gegen: Herrsching. Zuspieler Eric Burggräf war mit Düren auch schon in Mannheim, konnte sich von der Ersatzbank aus aber nicht wirklich gegen die Niederlage stemmen. Ah, Moment: Herrschings schwedischer Außenangreifer Daniel Gruvaeus ist auch ein König. 2023 gewann er den Pokal - mit Partizan Belgrad in Serbien.
Das Trikot
Selbstverständlich hat die findige Marketing-Abteilung der Volleys aus dem Fünf-Seen-Land auch ein Pokalfinal-Trikot kreiert, ziemlich schwarz ist es, was nicht als Menetekel gelten soll. Denn golden leuchtet darauf der Schriftzug DVV Pokal Finale. Und, ganz in Weiß: geilsterclubderwelt.de. Der erste Satz von 250 Stück war ratzfatz ausverkauft, ein zweiter ist in Produktion.
Instagram und Tiktok
Hier hat, das müssen die Herrschinger neidlos anerkennen, Berlin die Nase vorn. Bei Instagram hat der 13-malige deutsche Meister, der außerdem sechsmal DVV-Pokalsieger wurde, 56 000 Follower. Herrsching hat rund 8500. Aber es kommt noch dicker. Berlin verpflichtete im vergangenen Sommer den deutschen Nationalspieler Tobias Krick - und gewann mit dem Mittelblocker Kricks fünf Millionen (!) Tiktok-Follower. Der 25-Jährige ist dort eine 2,13 Meter große Berühmtheit, hat mehr Fans als Thomas Müller oder Jamal Musiala. Auch weil seine kurzen Videos, in denen er sich mal künstlich altern lässt oder oft ironisch mit seiner Länge spielt, sehr gut ankommen. Berlin hat ihn also wegen seiner doppelten Reichweite verpflichtet - auf und neben dem Feld. Wie Herrsching das findet? "Letztlich muss man da nur Quatsch machen, ich sehe den Benefit noch nicht", sagt Hauser.
Familientreffen
Johannes Tille. Daniel Malescha. Leon Dervisaj: Sie alle spielen in Mannheim für Berlin. Sie alle spielten aber früher auch mal in Herrsching. Inzwischen ist Tille Stammzuspieler beim besten deutschen Klub und mit Georg Grozer Kopf der deutschen Nationalmannschaft. Und er haut seinen Gegnern mächtige Sprungaufschläge um die Ohren. "Johannes hat eine tolle Entwicklung gemacht - in den drei Jahren in Herrsching", sagt Hauser: "Dass er danach so steil geht, dachte ich mir schon." Aber auch die Herrschinger haben einen harten Service - er dürfte ein Schlüsselelement im Endspiel sein. Und danach gibts Fotos fürs Familienalbum.
König vom Ammersee
Klar, Herrschings König und Hallensprecher Alexander Tropschug ist auch mit von der Partie. Er reist bereits am Samstag nach Mannheim, "inkognito", wie er sagt. Nach der Ankunft holt er seine rote Robe aus dem Koffer und plant, samt Krone und Zepter an die Bar im Mannschaftshotel zu ziehen, "um mich dort mit den Fans einzustimmen". Sein Megafon muss er allerdings zu Hause lassen - es ist laut Hallenordnung nicht erlaubt. Vorher, am Freitag, wollen die Tropschugs noch ins Kloster Andechs wandern, zur inneren Einkehr - und zum Orakel-Würfeln. Tropschug, der König, wusste aber eh schon am Freitagnachmittag, wie das Finale endet: "3:2 für Herrsching!"