Volleyball„Am Ende bist du voll bis unter die Hutschnur mit scheiß Emotionen“

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Leerer Blick: Filip John, Herrschings bester Mann, der sich trotz einer Wadenverletzung durchs letzte Spiel schleppte und von Giesen nicht zu halten war. Der 23-Jährige wechselt nun ins Ausland.
Leerer Blick: Filip John, Herrschings bester Mann, der sich trotz einer Wadenverletzung durchs letzte Spiel schleppte und von Giesen nicht zu halten war. Der 23-Jährige wechselt nun ins Ausland. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Die WWK Volleys Herrsching verlieren auch das zweite Play-off-Spiel gegen die Helios Grizzlys Giesen mit 1:3 - und scheiden zum zehnten Mal in Serie in der Runde der letzten Acht aus. Trainer Ranner muss für die neue Saison einen neuen Kader aufbauen.

Von Sebastian Winter

Es war ein Ende, das fast ein wenig profan wirkte bei diesem seltsamen, von merkwürdigen Schiedsrichter-Entscheidungen und nervtötend langen Video-Challenges durchzogenen Spiel: Ein Angriff vom besten Mann der Helios Grizzlys Giesen, dem Niederländer und späteren MVP Michiel Ahyi, prallte vom Block der WWK Volleys Herrsching ab – und landete im Seitenaus. Spiel vorbei, die Herrschinger ausgeschieden. Diese 1:3 (25:23, 19:25, 21:25, 20:25)-Heimniederlage am Mittwochabend um Punkt 22.16 Uhr war also zum zehnten Mal das Aus im Playoff-Viertelfinale. Das Halbfinale – ihr erklärtes Ziel – bleibt eine Utopie.

Im nur mit 1364 Zuschauern besetzten BMW Park kämpften die beiden Klubs mehr mit den Unparteiischen, die sich das Leben mit unverständlichen Entscheidungen – selbst nach Sichtung der Videobilder – selbst schwer machten, als mit dem Gegner. Die Spieler vom Ammersee schleppten sich ohnehin nur noch aufs Feld vor lauter Blessuren. Außenangreifer Daniel Gruvaeus (Prellung im Brustbereich) konnte nicht zu Ende spielen, Jannes Wiesner kam wegen seiner im ersten Spiel der Best-of-three-Serie in Giesen erlittenen Daumenverletzung nur kurz aufs Feld. Zuspieler Eric Burggräf (Knie) und Außenangreifer Victor Rodriguez (Hüfte, Knie) waren ebenfalls nicht fit. Und Filip John, mit Rodriguez bester Herrschinger, landete nach seinen Angriffen wegen einer Muskelverletzung in der Wade nur auf einem Bein. 21 Punkte erzielte der 23-jährige Hauptangreifer dennoch, der eine seiner besten Leistungen in dieser Saison zeigte.

Es ist wie so oft: In den entscheidenden Spielen zeigt Herrsching nicht sein bestes Gesicht

Nach dem Schlusspfiff saß er mit leerem Blick an der Bande, wie auch seine Kollegen. Die Herrschinger hatten ihr Ligaziel, den erstmaligen Halbfinaleinzug, wieder verpasst. Im DVV-Pokal waren sie im Achtelfinale nach undankbarer Auslosung am späteren Sieger, den Berlin Recycling Volleys, gescheitert; im europäischen Challenge-Cup war ebenfalls im Achtelfinale gegen den späteren Finalisten Ankara Schluss. „Wir hatten ein bisschen Pech dieses Jahr“, sagte Herrschings Geschäftsführer Max Hauser, „auch in der Bundesliga hatten wir eine gute Serie, aber hinten raus zu viel mit Verletzungen zu kämpfen.“ Tatsächlich waren die Herrschinger als Tabellenvierter mit 16 Siegen aus 24 Spielen so gut wie nie in die Playoffs gestartet. Doch dort war es wie so oft: Herrsching zeigte in den entscheidenden Spielen nicht sein bestes Gesicht.

Zugleich hat sich der Klub nach der Hauptrunde trotz seines weitaus geringeren Etats im Spitzenquartett hinter Berlin, Lüneburg und Friedrichshafen eingereiht. Insofern war es – bis zu den Playoffs – Herrschings bislang wohl beste Saison. Nur was bringt das, wenn die Leistungskurve in den Playoffs dann wieder nach unten geht? „Am Ende bist du voll bis unter die Hutschnur mit scheiß Emotionen“, sagte Trainer Thomas Ranner.

Am 5. April wird es noch eine Zusammenkunft der Mannschaft mit ihren Fans im Herrschinger Fanshop geben, samt Gratis-Leberkäse, tags darauf folgt dann die große Abschiedssause mit allen Helfern im Wirtshaus Seehof beim Weißwurstfrühstück. Hauser und Ranner, der als neuer U-23-Bundestrainer die DVV-Auswahl im Sommer bei den Weltspielen der Studierenden in Berlin anführt, können die übliche Zeremonie einigermaßen entspannt begleiten. Denn sie haben ihren Kader für die kommende Saison schon beisammen.

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Die Außenangreifer Wiesner (Vertrag bis 2026) und Laurenz Welsch (neuer Vertrag bis 2027) sowie die Blocker Dorde Ilic, zugleich Kapitän, und Joshua Huber bleiben. Jonas Kaminski und Norbert Engemann rücken in die zweite Mannschaft, wo sie mit dem Nachwuchs den Drittliga-Aufstieg bewerkstelligen sollen. Der am Mittwoch so traurig dasitzende Diagonalmann John verabschiedet sich ins Ausland. Mehr lässt sich Hauser bisher nicht entlocken, er sagt aber: „Die Hälfte der Mannschaft bleibt, sie wird ein bisschen jünger, noch deutscher, wir haben die meisten Spieler, die wir wollten, bekommen. Und fast die komplette Mannschaft hat Zwei-Jahres-Verträge unterschrieben.“ Letzteres ist nicht unbedingt üblich im Volleyballsport.

Wenn man Coach Ranner am Abend richtig verstand, werden allerdings viele Schlüsselspieler Herrsching verlassen. „Wir werden neu anfangen müssen“, sagte Ranner, der für die kommende Saison einen stark veränderten Kader bekommt und eine neue Hierarchie entwickeln muss: „Mit neuen Leuten, die Bock haben, als Kandidaten fürs Halbfinale gehandelt zu werden.“ In einem Umfeld immerhin, das weiter wächst. Der Etat geht Geschäftsführer Hauser zufolge weiter nach oben, seit Januar kamen gegen Friedrichshafen, Lüneburg und Giesen außerdem 2000 oder mehr Zuschauer in den BMW Park. „Am Mittwoch sind wir da leider nicht mehr hingekommen. Unter der Woche ist es nach wie vor schwer, weil keine Familien mit Kindern kommen. Das spürt man“, erklärte Hauser den für ein Playoff-Viertelfinale eher enttäuschenden Zuschauerzuspruch.

Am Ende hatten sich nach den vielen Debatten auf dem Feld und den die Spannung lähmenden Videobeweisen dann auch wieder alle versöhnt, die Giesener, die Herrschinger, die Schiedsrichter. Der Eindruck blieb aber: Es war ein eher zäher, unglücklicher Saisonabschluss für den Klub vom Ammersee.

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