Hermann Maier bei der Ski-WM in Garmisch:Der Oliver Kahn des Skisports

Was für den Torwart "Druck" war, ist für Hermann Maier "Wille". Der Österreicher wird in Garmisch selbst von Weltmeistern bewundert. Auch wenn er die neue "Material-Evolution" kritisiert.

Philipp Crone

Was Hermann Maier für den Skisport ist, kann man dem Blick von Christof Innerhofer entnehmen. Der dreifache WM-Medaillengewinner aus Italien steht am Dienstagabend in einem TV-Studio neben Maier, dem 38-jährigen Ex-Skifahrer, der auch nach seinem Rücktritt ausschließlich mit Superlativen beschrieben wird, auch an diesem Abend.

Maier of Austria smiles after winning the men's Alpine Ski World Cup downhill race on the Kandahar

In Garmisch-Partenkirchen feierte der Österreicher Hermann Maier seinen ersten Weltcup-Sieg. Anlässlich der Ski-WM kehrt er für einen Besuch zurück.

(Foto: Reuters)

Innerhofer und Maier warten auf den Start der Sendung Audi Star Talk und darauf, auf die Bühne zu gehen. Es ist still im Raum, die knapp 150 Zuschauer sitzen ruhig auf ihren Plätzen, Innerhofer steht einen Schritt hinter Maier an einem Ende des Raumes und schaut zu ihm. Es scheint, als schaue er auf, obwohl er fünf Zentimeter größer ist als der Österreicher. Sein Blick wirkt ehrfürchtig und bewundernd.

Maier steht für alles, was Athleten und Fans im Skisport fasziniert: Die größtmögliche Tragödie bei gleichzeitigem Erfolg und Happy End. Medaillen und Siege, Rückschläge und Dramatik. Und dazu noch eine Prise Exotik. Denn Hermann Maier war zu seiner aktiven Zeit auch immer eigen, ein Eigenbrötler, unberechenbar, eine Art Oliver Kahn des Ski-Fahrens, auch mit einem ähnlichen Vokabular. Statt Kahns "Druck" ist Maiers Lieblingswort der "Wille". Und wie Kahn geht Maier mit den Entwicklungen seiner Sportart hart ins Gericht.

Auch an diesem Abend. Zunächst gratuliert er aber dem Nebensitzer Innerhofer routiniert und höflich, er, Maier, habe "ja nur zwei" Medaillen bei einer WM geschafft. Doch obwohl Innerhofers Erfolge nur wenige Tage und Maiers schon mehrere Jahre zurückliegen: Selbst Innerhofer möchte lieber über den Österreicher als über sich sprechen. Er sei sein Vorbild gewesen und habe ihm Tipps gegeben. "Aber nur, bis ich einmal schneller war als er, da sagte er: ,Jetzt sag' ich dir nix mehr.'"

Mittlerweile sagt Maier mehr, wenn auch immer noch wenig im Vergleich zu anderen Ehemaligen, die während der WM täglich als Experten auftreten und zum Beispiel über die Verletzungsgefahr im Skisport sprechen. Für Maier steigt die vor allem durch die "Material-Evolution" und die dadurch zunehmenden Kurvengeschwindigkeiten. "Da müsste man wieder zurückgehen." Dabei ist es bemerkenswert, dass ein Sportler, der jahrelang Risiken und Gefahren auf der Strecke ignorierte, nun so spricht. Und er meint nicht nur die Verletzungsrisiken bei den Profis. "So viele Kreuzbandrisse, wie sie heute Kindern und Jugendlichen beim Skifahren passieren, gab es früher nicht."

Maier ist nur für ein paar Stunden nach Garmisch-Partenkirchen gekommen, an den Ort, an dem er seinen ersten Weltcup-Sieg feierte, 1997. Schon ein Jahr später war er weltweit bekannt, als er bei den Olympischen Spielen im japanischen Nagano zwanzig Sekunden nach dem Abfahrtsstart eine Kurve falsch anfuhr, 40 Meter durch die Luft flog, nach dem Aufprall zwei Fangnetze durchschlug und sich beim Aufstehen den Schnee vom Rennanzug klopfte. Der passende Superlativ des TV-Moderators am Dienstagabend: "Ein Jahrhundertsturz". Ein paar Tage später gewann Maier Gold in Super G und Riesenslalom und hieß nun "Herminator".

Die nächsten Jahre etablierte er sich mit Rekorden und beim durch die Länder ziehenden Ski-Tross als Außenseiter und Draufgänger auf der Piste. Bis er 2001 in Österreich schwer mit dem Motorrad verunglückte. Danach ging es zunächst nicht um die Frage, wann er wieder Rennen fahren würde, sondern darum, ob sein rechtes Bein amputiert werden muss oder nicht.

Ein tragischer Unfall

Den Moment des Unfalls beschreibt Maier mit distanziert beiläufigem Humor, der an den Kabarettisten Josef Hader erinnert. In der Heimat des gelernten Maurers und Skilehres Maier nennt man diese Art des Erzählens den "Skilehrerschmäh": "Ich hab dann meinen Fuß in die Hand genommen und hab mir gedacht: Schaut schlecht aus." Doch Maier wurde gesund, gewann wieder Medaillen, und wurde so "noch weltberühmter", wie der Moderator anmerkt. Im Oktober 2009 beendete Maier seine Karriere.

Das Drumherum habe ihn am Ende seiner Laufbahn doch sehr angestrengt, sagt Maier. Das Drumherum ist das, was ihn auch in diesem Moment umgibt. Sponsorenzelte, funkelnde Autos, Interviews. "Es darf einem Athleten nicht zu leicht gemacht werden", sagt Maier. "Kaum gewinnt einer ein schweres Rennen, bekommt er schon ein Auto."

Trotzdem seien die Skifahrer im Vergleich zu Fußballern "arme Schlucker". Höchstens zwei oder drei verdienten "wirklich etwas und können davon leben". Zu denen gehörte und gehört auch Maier. "Aber ansonsten ist das Risiko, was diese Leute eingehen, viel zu hoch im Vergleich zu ihrem Verdienst." Und dass die meisten Fahrer leistungsbezogene Verträge haben, verschärfe das Problem.

Doch das ist eben bei diesem Sport so: Es zählt "der Wille", das Risiko, die Herausforderung, und "man muss sich überwinden können". Auch hier, auf der "spektakulären und einzigartigen" Strecke.

Maiers Herausforderungen sind mittlerweile andere. Er war zuletzt am Südpol, für eine TV-Sendung. Als Maier das erzählt, hat Innerhofer das Studio schon verlassen, nicht ohne davor noch ein wenig seinem Vorbild zuzuhören, wieder mit diesem Blick. Vielleicht denkt er dabei bewundernd an Maiers Erfolge, vielleicht wünscht er sich aber auch, mit 38 so gesund wie Maier auf einem TV-Sessel zu sitzen.

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