Der Regierungschef und der Sportminister haben ihre Aufwartung schon gemacht, der Präsident der Republik will der Reisegruppe auch noch seine besten Wünsche mit auf den Weg geben. Jacques Chirac hat sein Kommen für diesen Mittwoch angekündigt, wenn die Equipe de France am Abend vor dem Abflug nach Hannover ihre Form in Saint-Etienne gegen China abschließend testet).

Es wird den politischen Führern der Grande Nation nicht zum Schaden gereichen, sich mit den Nationalfußballern ihres Landes sehen zu lassen, denn die wissen das lange skeptische Volk neuerdings wieder hinter sich. Wie die Sportzeitung L'Equipe ermittelt hat, sind 81 Prozent der Franzosen überzeugt, dass es die Mannschaft mindestens bis ins Viertelfinale schafft, ein weit höherer Wert als noch vor Monaten.
Auch der Sélectionneur, wie der Nationaltrainer genannt wird, hat Freunde gewonnen: 68 Prozent vertrauen Raymond Domenech. Die Enttäuschungen bei der WM 2002 in Asien und der EM 2004 in Portugal, die schwachen Leistungen in der Qualifikation, der Ärger um die Torhüter - alles passé. Die Franzosen hoffen wieder auf ein blaues Wunder, und ihre 23 Repräsentanten am Ball ebenso. Die neue Zuversicht dürfte zwei Ausnahmespielern zu verdanken sein: Henry und Ribéry.
Stürmer Thierry Henry von Arsenal London, bei den Endrunden 2002 und 2004 angeschlagen und ausgepowert, reist diesmal ausgeruht und in bestechender Form zur WM. Nach seiner Vertragsverlängerung bei Arsenal London mit sich und der Welt im Reinen, vermittelt der 28-Jährige den Eindruck, dieses Team führen zu können. Während Zinédine Zidane noch hauptsächlich mit sich selbst und der Suche nach Energie für die letzten Geniestreiche beschäftigt ist, hat Henry auch die Muße, sich um die Jungen zu kümmern, allen voran Franck Ribéry, 23.
Den Namen des offensiven Mittelfeldspielers von Olympique Marseille hat Domenech als letzten auf seine Liste geschrieben, doch in den ersten beiden Länderspielen hat der pfeilschnelle Dribbler - angeleitet von Henry - gleich die Herzen der Franzosen erobert und gezeigt, dass es auch ein Leben neben und nach Zidane geben kann.
Ribérys Sorglosigkeit und Frische beleben eine alternde Mannschaft. Domenech hat den jungen Draufgänger dem etablierteren Ludovic Giuly vom FC Barcelona auch deshalb vorgezogen, weil er ihn zu denen rechnet, "die ganz einfach glücklich sind, dabei zu sein und die wissen, dass sie zehn, fünfzehn Minuten spielen werden oder auch mal gar nicht, aber die kein langes Gesicht machen werden.
In einer Gruppe, die sechs Wochen zusammen ist, tut es gut, Spieler zu haben, die nicht unzufrieden sind." Ihr Personal für ein so langes Abenteuer stellen Trainer nicht einfach zusammen, indem sie die Besten nehmen. Das Verhalten in der Gemeinschaft wiegt nicht weniger als das Können. Und anscheinend passt Domenechs Charakter-Cocktail. "Nach dem Essen beim Café lachen alle miteinander", erzählt Henry, "es hat sich ein echtes Zusammenleben entwickelt."
Willy Sagnol vom FC Bayern München freut sich darüber, dass "die Neuen mentale Frische bringen. Alle werden von ihrem Lächeln und ihrer Lust profitieren. Für andere ist es die letzte Endrunde, auch das stimuliert". Der Verteidiger, im Trainingslager meist an der Seite Zidanes zu sehen, bildet mit Henry das Bindeglied zwischen den Generationen.
Selbst dem Eklat um Torwart Coupet, der, frustriert wegen seiner Degradierung zur Nummer zwei, zwischenzeitlich abreisen wollte, gewinnt Sagnol Positives ab. Da der Gefühlsausbruch früh passierte, habe er dem Gefüge nicht geschadet, im Gegenteil: "Diese Geschichte kann uns noch etwas mehr zusammenschweißen."
In den kritischen Medien und den verwöhnten Zuschauern in Paris haben Les Bleus gemeinsame äußere Feinde gefunden, die sie nun im Inneren nicht mehr suchen müssen. Domenech kanzelte neulich einen Beitrag des Haussenders TF1, demzufolge die Spieler Autogramme verweigert hätten, live im Fernsehen als "skandalös" ab und fand einhelligen Beifall beim Personal.
Und die Pfiffe gegen Torwart Barthez und Mittelfeldakteur Dhorasoo beim Test gegen Mexiko im Stade de France stärken den Zusammenhalt, weil die Kollegen die Ausgebuhten unisono verteidigten. "Die Gruppe ist gesund", resümiert Abwehrchef Thuram, der genug Erfahrung hat, um die guten Vorzeichen nicht überzubewerten: "Ich hoffe, dass das so bleibt, denn es wird schwieriger werden, wenn der Trainer seine Wahl treffen muss." Was die gute Stimmung wert ist, wird sich erst am Dienstag zeigen, wenn die Auftaktpartie gegen die Schweiz vorbei ist.