Heiko Herrlich:"Ich schäme mich auch dafür"

Mönchengladbach Deutschland DFB Pokal Achtelfinale Borussia Mönchengladbach Bayer Leverkusen 0 1

Wirkungstrefferle: Heiko Herrlich, vom Gladbacher Zakaria nur leicht berührt, geht zu Boden.

(Foto: Norbert Schmidt/imago)
  • Bei Leverkusens Pokalerfolg über Gladbach lässt sich Trainer Heiko Herrlich nach einer Berührung theatralisch fallen.
  • Der Trainer entschuldigt sich, der DFB ermittelt trotzdem.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Heiko Herrlich spricht gerne über christliche Werte und die Bibel. Wer sich fragt, warum der Trainer von Bayer Leverkusen am Mittwochabend einen kleinen Sünden-Fall aufgeführt hat und versucht hat, die Öffentlichkeit zu täuschen, der sollte berücksichtigen, dass Fußballtrainer während eines Spiels einen bis zu fünf Mal höheren Wert des Stresshormons Cortisol entwickeln.

Damit kann man schon erklären, warum Herrlich im Affekt so getan hat, als werfe ihn in der hektischen Schlussphase des spannenden Pokalspiels in Mönchengladbach eine Berührung durch den Borussia-Spieler Denis Zakaria zu Boden. Weil die Bilder aber unzweifelhaft erkennen ließen, dass Herrlichs Sturz in der 75. Minute nur gespielt war, will nun der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes prüfen, ob der Bayer-Coach sich "unsportlich" verhalten hat. In diesem Falle droht Herrlich wohl eine Geldstrafe.

"Ich hatte nicht vor, eine rote Karte für den Spieler zu provozieren"

"Ich bin weggerutscht", sagte Herrlich nach dem Spiel, aber die Fernsehbilder belegen das nicht. Er ist zwar schon ein bisschen ausgerutscht, aber erst, als er sich bereits im freiwilligen Fall befand. Herrlich war einst Stürmer, womöglich steckt ihm die Furcht vor körperlichen Attacken in der DNA. Zakaria wollte einen ins Aus gesprungenen Ball schnell zurückholen, seine Gladbacher lagen 0:1 hinten. Herrlich stand ihm im Weg. Zakaria schubste den Bayer-Coach zwar etwas, berührte ihn aber nur leicht - nicht genug, um umzufallen. Herrlich blickte irritiert, machte einen Schritt zur Seite, taumelte, ging dann träge zu Boden und rollte sich seitlich ab. Es war zu erkennen, dass er sich fallen ließ.

Herrlich wusste, dass er sich rechtfertigen musste; er versuchte also gar nicht erst, Zakaria zu belasten. Dass er weggerutscht sei, war seine einzige kleine Notlüge, damit es nicht so peinlich erschien. Ansonsten gestand er umfangreich, dass ihm das nicht hätte passieren dürfen: "Das sah sicher blöd aus", sagte er nach dem Spiel, "ich schäme mich auch dafür und möchte mich entschuldigen. Ich hatte nicht vor, eine rote Karte für den Spieler zu provozieren." Noch im allgemeinen Tumult am Spielfeldrand vertrugen sich Herrlich und Zakaria bereits wieder. Herrlich entschuldigte sich. Niemand bekam eine Strafe. "Er hat ein bisschen Comedy gemacht", witzelte Zakaria verständnisvoll.

Eine vergleichbare Szene spielte sich vor zwölf Jahren in Duisburg ab. Dort kam der damalige Kölner Spieler Albert Streit dem Duisburger Trainer Norbert Meier am Spielfeldrand sehr nah, die beiden standen grimmig Stirn an Stirn, als Meier erst mit der Stirn leicht nach vorne ausschlug und dann sofort nach hinten wegkippte und theatralisch zu Boden fiel. Obwohl die Fernbilder zeigten, dass Meier sich fallen ließ, gab er sich noch nach dem Spiel als Opfer und beharrte auf dem Vorwurf einer Tätlichkeit. Meier wurde von seinem Klub abgemahnt und vom DFB für drei Monate gesperrt - plus Geldstrafe. Begründung: Er habe laut Ausbildungsstatut seine "Vorbildfunktion missachtet". Diese Sperre brachte Meier beim MSV Duisburg dann auch noch die Entlassung ein.

Herrlich wurde nach dem Spiel in Mönchengladbach auf die Meier-Geschichte angesprochen, aber da verwandelte sich sein reumütiger Blick in Unverständnis. "Das kann man, glaub' ich, nicht vergleichen", sagte er streng. Eine Entlassung droht ihm deshalb natürlich sowieso nicht. Meier war damals Vorletzter mit seinen Duisburgern, er hatte ohnehin einen schweren Stand und hätte drei Monate lang nicht mehr mit der Mannschaft arbeiten dürfen. Deshalb trennte sich der Klub von ihm.

Der DFB ermittelt schon

Herrlich hingegen ist gerade sehr erfolgreich mit seinen Leverkusenern. Der 1:0-Sieg im Pokal-Achtelfinale bei den Gladbachern war Leverkusens 14. Pflichtspiel nacheinander ohne Niederlage. Ein Konter durch den blitzschnellen Jamaikaner Leon Bailey in der 70. Minute genügte gegen eigentlich bessere Gladbacher für das entscheidende Tor des Abends. "Unser Sieg war glücklich", sagte Herrlich. Da war er aber sowieso auf Demut programmiert. Er wollte niemanden mehr provozieren.

Als er noch Trainer beim damaligen Drittligisten Jahn Regensburg war, hatte Herrlich das Fehlverhalten eines Spielers vor der wütenden Mannschaft einmal dadurch relativiert, dass er aus dem Johannes-Evangelium berichtete und zur Mannschaft sagte, wer ohne Sünde sei, der werfe den ersten Stein. Das habe alle beruhigt. Diese Anekdote erzählt der Trainer noch heute gern, wenn er die Wirksamkeit der Bibel im Fußballalltag belegen will.

Der DFB-Kontrollausschuss hat Herrlich angeschrieben und zu einer Stellungnahme aufgefordert. Nach der Auswertung wird entschieden, ob Herrlich bestraft wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Johannes-Evangelium in Herrlichs Stellungnahme Erwähnung findet.

Sein deeskalierendes Verhalten nach dem Sturz und seine umfänglichen Entschuldigungen sollten seine Strafe in Grenzen halten. Auch sein Humor half, die öffentliche Pein zu lindern. "Mit meinen 46 Jahren", witzelte er bereits kurz nach dem Spiel im Kabinengang des Gladbacher Stadions, "hätte ich es schaffen müssen, stehen zu bleiben."

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