Gut möglich, dass die 5000 Heidenheimer Fans, die am späten Sonntagnachmittag in Regensburg dann doch noch den Aufstieg in die erste Liga feiern konnten, schon in ein paar Tagen Geschichtsklitterung betreiben. Fußballfans sind so. Viele von ihnen werden also Stein und Bein schwören, dass sie das ganze Spiel über gewusst haben, dass ihre Mannschaft es noch schaffen würde, einen 0:2-Rückstand in einen Sieg zu verwandeln. Denn den brauchte es nun mal, um den HSV, dessen Fans derweil schon freudig erregt den Sandhäuser Rasen gestürmt hatten, noch auf den Relegationsplatz zu schubsen.
Und tatsächlich gelang der Sieg dann ja auch: In der 93. und in der 99. Spielminute fielen die entscheidenden Treffer. "Das ist geisteskrank, einfach Wahnsinn", rief Siegtorschütze Tim Kleindienst ins "Sky"-Mikrofon. Und auch er, der mit dem 3:2 das wohl wichtigste Tor seiner Karriere erzielte, hatte es gewusst. Irgendwie: "Das ist der pure Glaube. Wir haben brutal gearbeitet und gemacht. Jetzt haben wir es einfach verdient."
Heidenheim: stärkstes Heimteam, beste Tordifferenz, Torschützenkönig
Das wiederum ist kaum zu bestreiten - weder, was den letzten Spieltag angeht, noch über die gesamte Spielzeit gesehen. Wer in einem solch wichtigen Spiel einen 0:2-Rückstand aufholt, hat sich mehr als Respekt verdient. Wie überhaupt so einige Parameter untermauern, dass mit dem 1. FCH ein verdienter Zweitliga-Meister ermittelt wurde. So verfügt man über die drittbeste Offensive und die zweitbeste Defensive der Liga, Heidenheim stellt zudem die heimstärkste Mannschaft, hat die beste Tordifferenz und in Kleindienst den Torschützenkönig der Liga - 25 Tore muss man erst mal schießen. In der ersten Liga werden selbst die Torschützenkönige das bestätigen.
Und so erweitert der 1. FC Heidenheim 1846 in der kommenden Saison die Ewige Tabelle der Fußball-Bundesliga um eine Zeile - es ist der insgesamt 57. Verein im deutschen Oberhaus. Ein paar Fakten zum Aufsteiger: Knapp 50 000 Menschen leben in Heidenheim an der Brenz, eine Kleinstadt an der württembergischen Grenze zu Bayern. Bis 2007 hieß der Fußballverein Heidenheimer Sportbund und es ist auch das Jahr, in dem Trainer Frank Schmidt die Mannschaft übernahm, er ist der mit Abstand dienstälteste Trainer im deutschen Profifußball.
Die Aufstiegstrainer Schmidt und Lieberknecht kennen sich bereits aus gemeinsamer U-15-Zeit
In Heidenheim gibt es noch eine zweite Konstante: Vorstandschef Holger Sanwald. Der begann beim FCH im Jahr 1994 als ehrenamtlicher Abteilungsleiter in der Landesliga Württemberg, seitdem zeigte die Kurve auf der Ostalb kontinuierlich nach oben. Nur konsequent, dass es nach neun Jahren Zweite Liga nun in der Bundesliga weitergeht.
Trotzdem dürfte dort nicht jeder Kassierer darüber jubilieren, dass statt der Zuschauermagneten aus Berlin und Gelsenkirchen nun Heidenheim und Darmstadt zu Besuch kommen. Doch nach Ansicht vieler Zweitligatrainer sind die beiden als konstanteste und am ausgeglichensten besetzte Mannschaften auch die verdienten Aufsteiger. Dass beide das wechselseitig auch so sehen, ist eine nette Randnotiz dieser Spielzeit. Darmstadts Torsten Lieberknecht, dessen Team bereits seit einer Woche als Aufsteiger feststeht, und Heidenheims Frank Schmidt haben jedenfalls schon mehrfach betont, dass sie liebend gerne zusammen aufsteigen würden. Beide kennen sich seit der Zeit, als beide in der U-15-Nationalmannschaft kickten.
Wobei sich Heidenheim ausgerechnet auf der Zielgeraden eine Kunstpause gönnte, als es in den beiden Spielen gegen Magdeburg und Paderborn nur einen Punkt holte, ehe am vergangenen Wochenende wieder ein Sieg glückte. Sie haben sich dann alle Mühe gegeben, Gelassenheit und die feste Gewissheit auszustrahlen, dass man dann eben am letzten Spieltag aufsteigen werde. Als hätten sie es vorher gewusst.