Handball-BundesligaZum Abschied die Katastrophe verhindern

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„Wir sind in dieser Situation, weil wir die ersten 20 Spiele der Saison komplett in den Sand gesetzt haben“: Nikolai Link, hier bei seiner Verabschiedung beim letzten Heimspiel.
„Wir sind in dieser Situation, weil wir die ersten 20 Spiele der Saison komplett in den Sand gesetzt haben“: Nikolai Link, hier bei seiner Verabschiedung beim letzten Heimspiel. (Foto: Daniel Marr/Zink/Imago)

Während es für den HC Erlangen am Sonntag in Wetzlar um alles geht, geht es für Abwehrspieler Nikolai Link nur noch um eines: die Karriere mit dem Klassenverbleib zu beenden.

Von Sebastian Leisgang

Jedem Anfang wohnt ein Ende inne, heißt es nicht so? In Erlangen zumindest, draußen in der Karl-Heinz-Hiersemann-Halle, in der der Handball-Bundesligist seine Trainingseinheiten abhält, beginnt und endet gerade was. Beides liegt dieser Tage ziemlich dicht beieinander, und weil ja sowieso alles mit allem zusammenhängt, gibt es jetzt eine direkte Linie, die vom Nachwuchs des HC Erlangen zu Nikolai Link führt, einem Abwehrspieler der Bundesliga-Mannschaft.

Vor einer Woche ist Erlangens älteste Jugendmannschaft in dieser Halle deutscher Meister geworden, und nun hat sich Link nach mehr als 13 Jahren zum letzten Mal in der Kabine die Schuhe gebunden. Und draußen dann, beim Training auf dem Parkett, ein paar Bälle geblockt, Kommandos gegeben und Gegenspieler, die eigentlich Mitspieler sind, am Torwurf gehindert.

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Der Nachwuchs ist die Zukunft des HCE, Link ist die Vergangenheit, jedenfalls von Sonntagabend an, nach den 60 Minuten von Wetzlar, in denen es für Erlangen um nicht weniger als alles geht: um den Verbleib in der Bundesliga, der anerkannt stärksten Liga der Welt. Und auch wenn man bei all den Aufgeregtheiten in der Sportwelt inzwischen dazu neigt, Trainer schon nach drei Spielen ohne Sieg anzuzählen, Niederlagen zu Katastrophen zu erklären und im Oktober Endspiele auszurufen – das Duell mit Wetzlar ist tatsächlich eines. Und eine Niederlage wäre dieses Mal unter Umständen wirklich „eine Katastrophe“.

So sagt es Nikolai Link. Ein Abstieg zum Abschied, „das wäre das Schlimmste, was passieren kann“, findet der Abwehrchef. Dann schickt er noch einen Nebensatz hinterher, und gerade deshalb, weil der Satz so beiläufig daherkommt, weil Link ihn wie eine Selbstverständlichkeit ausspricht, verfehlt es seine Wirkung nicht, wenn Link noch sagt: „Was wir aber verhindern werden.“ So sei es. Punkt. Aus. Ende.

Nach dem jüngsten 29:23-Sieg in Bietigheim, schon das ein Endspiel, ist Erlangen voller Selbstbewusstsein. „Wir sind in dieser Situation, weil wir die ersten 20 Spiele der Saison komplett in den Sand gesetzt haben“, erklärt Link und meint: An all den Begegnungen, die danach kamen, lag es gewiss nicht. Die Mannschaft spiele „eine solide Rückrunde“, betont Link und fordert mit Blick auf das große Saisonfinale an diesem Sonntag in Wetzlar: „Wir müssen so auftreten wie in Bietigheim ab der zehnten Minute.“

Link sah vor dem Endspiel in Bietigheim „erwachsene, große Männer, die rumzittern“

Da griffen die Rädchen im Angriff ineinander, die Abwehr um Torwart Dario Quenstedt hielt dicht, und am Ende war es sogar ein ziemlich souveräner Sieg, den Erlangen feierte. Dabei sei die Mannschaft anfangs „brutal nervös“ gewesen, verrät Link: „Das ging schon los, als wir in den Bus eingestiegen sind. Lauter erwachsene, große Männer, die da rumzittern – das war krass.“

Wie bravourös die erwachsenen, großen Männer die Drucksituation dann aber meisterten, wie sie Bietigheim mit ihrer Abwehr entnervten und wie ungefährdet sie am Ende doch gewannen, das macht Erlangen nun Mut für die letzten 60 Minuten der Saison. Weil das Torverhältnis im Vergleich zu dem des TVB Stuttgart deutlich besser ist, müssen die Franken bloß ihre Aufgabe in Wetzlar lösen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Was aber, wenn die erwachsenen, großen Männer wieder zittern und sich dieses Mal nicht nach zehn Minuten fangen?

Daran wollen sie in Erlangen gar nicht erst denken. „Wir können einen guten Handball spielen“, sagt Link und klingt dabei fast so, als müsste er es sich selbst einreden. Allzu oft hat es die Mannschaft in dieser Saison ja noch nicht gezeigt, sonst stünde sie jetzt wohl kaum mit dem Rücken zur Wand. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der HCE seit Ende Februar tatsächlich einen guten Handball spielt – seit Johannes Sellin wieder die Trainingseinheiten in der Karl-Heinz-Hiersemann-Halle leitet und der im Winter verpflichtete isländische Nationalspieler Viggo Kristjansson seine Knieverletzung auskuriert hat.

Und so könnte die Katastrophe in Form eines Abstiegs doch ausbleiben. Für Link wäre es ein versöhnlicher Abschluss. Und das ist auch das Einzige, was er jetzt noch im Sinn hat. Nach all den Bällen, die er geblockt, nach all den Kommandos, die er gegeben und nach all den Gegenspielern, die er am Torwurf gehindert hat, will Nikolai Link nur noch eines: es zu einem guten Ende bringen.

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