HandballMit vereinten Kräften gegen die Physik

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Gerade noch mal gutgegangen: Die Handballer des HC Erlangen freuen sich über den Klassenverbleib.
Gerade noch mal gutgegangen: Die Handballer des HC Erlangen freuen sich über den Klassenverbleib. (Foto: Oliver Vogler/Imago)

Der HC Erlangen schafft im letzten Spiel den Verbleib in der Handball-Bundesliga. Über einen Klub, der wieder Halt gefunden hat und nun mit einem verjüngten Team strahlen will.

Von Sebastian Leisgang

Mit Druck ist es so eine Sache, auch und gerade im Sport. Physikalisch weiß man ja, was passiert, wenn bestimmte Kräfte wirken. Übt man, Ursache gleich Wirkung, Druck auf eine Coladose aus, verformt sie sich, doch im Sport, und da vor allem in einer Mannschaftskabine, gelten andere Gesetze als in der Physik. Am Sonntag hat der HC Erlangen mit 25:21 bei der HSG Wetzlar gewonnen und damit am letzten Spieltag doch noch sichergestellt, auch in der nächsten Saison in der Handball-Bundesliga zu spielen. Jetzt betont Carsten Bissel, Erlangens Präsident: „In der Drucksituation ist die Mannschaft zusammengewachsen.“

Als Bissel das sagt, ist er gerade auf Mallorca und läuft, freie Sicht aufs Meer, an der Promenade entlang. Nach der Rettung haben sich die Franken aufgemacht in den Süden, alles fiel ab, die Last der großen Aufgabe, den Klub in der Bundesliga zu halten, der Druck der vergangenen Wochen, der die Mannschaft hätte deformieren können wie eine Coladose. Letztendlich war aber das Gegenteil der Fall: Alles fügte sich, jeder fand seinen Platz, und so geht Erlangen im Herbst bereits in sein zehntes Bundesligajahr am Stück.

So hochstilisiert der professionelle Sport inzwischen auch sein mag, am Ende landet man dann doch immer wieder bei dem, was auch den Amateursport ausmacht: Kameradschaft, sich zugehörig und verbunden fühlen, füreinander da sein.

Matthias Obinger und Johannes Sellin genießen den Rückhalt der Vereinsführung, auch kommende Saison.
Matthias Obinger und Johannes Sellin genießen den Rückhalt der Vereinsführung, auch kommende Saison. (Foto: Wolfgang Zink/Imago)

Krisen können Menschen auseinanderdividieren, sie können sie aber auch zusammenbringen, und das ist es, was in Erlangen geschehen ist und es überhaupt erst möglich gemacht hat, eine ziemlich verkorkste Saison doch noch zu einem guten Ende zu führen. Man sagt das ja oft so dahin: versöhnlicher Abschluss. Auch in Erlangen ist jetzt die Rede davon, doch beim HCE war es nicht der Abschluss, der versöhnte – es war der Weg dorthin. Der Druck brachte die Spieler zusammen. Sie wussten, dass sie im knüppelharten Abstiegskampf nur zusammen bestehen können, und das war es auch, was sie am Ende die Kurve bekommen ließ.

Nun sagt Bissel: „Wir wollen die Mannschaft jetzt wachsen lassen. Wir haben Riesentalente in der A-Jugend. Die werden wir in den Bundesligakader einbauen.“ Etwa Dorian Knezevic, den jungen Torwart, vor allem aber Rückraumspieler Lars Genz, der dem Team schon in der nächsten Saison erheblich weiterhelfen könnte. Nur für den Rückraum soll noch ein weiterer Spieler hinzukommen, mehr wird sich nicht ändern. Es ist ja ein stimmiges Gefüge, und seit Johannes Sellin und Matthias Obinger die Mannschaft trainieren, haben sie im Erlanger Führungszirkel auch wieder das Gefühl, dass sie dieses Gefüge den Richtigen anvertraut haben. Und dieses Gefühl lässt sich auch mit Zahlen untermauern: 15 Spiele, 13 Punkte – der Klub hat wieder Halt gefunden.

Wenn Bissel jetzt also über die nähere Erlanger Zukunft spricht, zeichnet er ein Bild mit hellen und strahlenden Farben. Die Bundesliga ist derart anspruchsvoll, dass es einem Klub wie dem HCE schon mal passieren kann, tabellarisch in Regionen abzurutschen, mit denen er eigentlich nichts zu tun haben will. Aber das soll jetzt der Vergangenheit angehören.

Nach zwei schweren Jahren will Erlangen kommende Saison nichts mit dem Kampf um den Klassenverbleib zu tun haben

Nach zwei Jahren Abstiegskampf will Erlangen mit einer verjüngten und verschworenen Mannschaft in eine bessere Zukunft aufbrechen. Dass dieser Plan durchdacht und stimmig wirkt, liegt einerseits an Sellin und Obinger – andererseits aber auch an Viggo Kristjansson. Der isländische Nationalspieler kam in der Winterpause aus Leipzig, als noch Martin Schwalb auf der Trainerbank saß, fiel wegen einer Knieverletzung aber lange aus und stand Schwalb gar nicht zur Verfügung. Als er sich dann auf dem Feld zurückmeldete, war Schwalb schon wieder Geschichte, und unter Sellin und Obinger brauchte Kristjansson nur 13 Partien, um sich unverzichtbar zu machen und 96 Tore zu erzielen, also mehr als sieben pro Spiel. Bissel aber sagt: „Viggo ist außerhalb des Feldes genauso wichtig wie auf dem Feld, weil er alle in die Gemeinschaft einbindet. Er hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass alle an einem Strang gezogen haben.“

Dass ausgerechnet Kristjansson, der erst im Januar zur Mannschaft stieß, der Klebstoff war, der alles zusammenhielt, verleiht der uralten Geschichte von Kameradschaft, Verbundenheit und Fürsorge einen neuen Anstrich. Und wenn jetzt auch noch die hochtalentierten Spieler aus dem hauseigenen Nachwuchs hinzukommen, könnte in Erlangen tatsächlich wieder etwas entstehen.

Nach dem Spiel in Wetzlar wollte Kristjansson übrigens mit seiner Familie nach Island reisen, doch nach dem Sieg entschied er sich kurzerhand um und stieg mit seinen Teamkollegen in den Flieger nach Mallorca. Viggo Kristjansson wollte, nein, er konnte sich die große Feier einfach nicht entgehen lassen. Auch das macht eine Mannschaft ja aus.

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