Athletenvertreter:Gut bekömmlich für den Sport

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Fechter unter sich: Max Hartung (im Vordergrund) und die deutsche Athletenvertretung positionierten sich in den vergangenen Jahren als wertvolles Gegengewicht zu Sportvertretern wie dem deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach (Foto: Martin Hoffmann/Imago)

Vor fünf Jahren stellten sich die deutschen Athletenvertreter um ihren scheidenden Präsidenten Max Hartung unabhängig auf - und legen bis heute eine Kultur an den Tag, die man im organisierten Sport lange vermisste.

Kommentar von Johannes Aumüller

Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die Präsidenten-Wahl, die an diesem Wochenende ansteht, schon formal anders abläuft als es bei wichtigen deutschen Sportorganisationen üblich ist. Zu deren traditionellem Verständnis gehört es, im Hinterzimmer einen Kandidaten auszubaldowern und diesen am Wahltag nur noch abnicken zu lassen. Wenn nun aber Säbelfechter Max Hartung nach fünf Jahren als (Gründungs-)Präsident des Vereins "Athleten Deutschland" abtritt, ist noch unklar, wer ihm nachfolgt.

Gleich drei Kandidaten gibt es - Beachvolleyballerin Karla Borger, Rollstuhlbasketballerin Mareike Miller und Wasserballer Tobias Preuß -, die zirka 1400 Mitglieder der Sportlervertretung haben also tatsächlich eine Wahl, wer sie künftig vertreten soll. Das ist nicht nur viel demokratischer als das übliche Prozedere, sondern passt auch viel besser zum Kerngedanken des Sports: Wettbewerb.

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Wie wünschenswert wäre es, eine ähnliche Konstellation bei der Präsidentenkür des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im März und dem Wahlkonvent des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) im Dezember zu erleben. Immerhin bei Letzterem sieht es derzeit danach aus, dass es zu einer echten Wahl kommt, zu der mindestens der Tischtennis-Funktionär Thomas Weikert und Nordrhein-Westfalens Landessportbundchef Stefan Klett antreten.

Man sollte diesen Umstand natürlich nicht verklären. Auch bei den Athleten gibt es interne Auseinandersetzungen und einen harten Kampf um Mehrheiten. Aber die Wahl ist doch ein Beispiel dafür, dass bei ihnen eine andere Kultur herrscht - und zwar eine, die dem deutschen Sport gut bekommt.

Bisweilen wirkt es gar so, als machten die Athletenvertreter die Arbeit, die der Dachverband leisten müsste

Vor fünf Jahren begannen die deutschen Sportler um Fechter Hartung, sich unabhängig vom organisierten Sport aufzustellen - gegen massiven Widerstand. Dabei gehört es zu den Grundübeln des Sports, dass die Athleten viel zu selten ernsthaft mitreden dürfen. Deswegen war dieser Schritt sehr bedeutsam. Und gleichsam war es erstaunlich, wie sich in diesen fünf Jahren die Stellung der Athleten und damit die Statik in der deutschen Sportpolitik entwickelt hat.

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Die Athleten sind längst eine der einflussreichsten Stimmen in der Szene. Sie haben es nicht nur geschafft, sich mit Blick auf ihre ureigenen Interessen zu positionieren, sondern generell als Alternative zu den eingefahrenen Strukturen. Sie hatten den Mut zu scharfer Kritik im System und präsentierten zu vielen Themen einen anderen Zugang, mit dem sie den DOSB und die angeschlossenen Verbände vor sich hertreiben.

Bisweilen wirkt es gar so, als machten die Athletenvertreter die Arbeit, die der Dachverband leisten müsste: von den Diskussionen um ein unabhängiges "Zentrum von Safe Sport", an das sich die Opfer sexualisierter Gewalt richten können, bis zur Unterstützung für belarussische Sportler, die gegen den Diktator Alexander Lukaschenko aufbegehren. Nebenbei wird auch noch der Eindruck vermittelt, als treibe sie eine echte Leidenschaft an der sportpolitischen Auseinandersetzung an. So etwas kann helfen, eine neue Generation an Sportlern für wichtige Themen zu gewinnen.

Es kam den Athleten sicherlich nicht ungelegen, dass der DOSB bei vielen Themen ein großes Vakuum ließ, in das sie hineinstoßen konnten. Und auch, dass das Verhältnis zwischen der aktuellen DOSB-Führung und vielen Vertretern des politischen Betriebes so schwierig ist, dass man sich dort über alternative Ansprechpartner freute.

Aber die Statik im Sport verschiebt sich nun erneut. Bald gibt es einen neuen Sportminister und einen neuen DOSB-Präsidenten, bei dem - unabhängig von der konkreten Besetzung - unklar ist, wie stark er sein wird. Längst laufen Debatten, den Spitzensport und den Breitensport, die sich 2006 unter dem DOSB-Dach vereinigten, wieder voneinander zu entkoppeln. Die Chancen für die Athleten, ihren Einfluss zu wahren, sind da. Ob ihnen das so gelingt wie in den vergangenen fünf Jahren, bleibt abzuwarten.

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