Diskus bei der Leichtathletik-EM:"Das ist schon ein kleiner Schock"

European Championships - Leichtathletik

Robert Harting: Mit Ach und Krach ins Finale. Für seinen Bruder Christoph wurde es nichts.

(Foto: dpa)
  • Bei der Leichtathletik-EM läuft es für die Harting-Brüder im Diskuswurf unterschiedlich gut.
  • Robert Harting schafft es ins Finale, sein Bruder Christoph scheidet aus.

Von Joachim Mölter, Berlin

Wer ganz sicher gehen wollte, den Diskuswerfer Robert Harting bei seinen letzten internationalen Titelkämpfen zu erleben, bei den Europameisterschaften in seiner Heimatstadt Berlin, der machte sich am Dienstag lieber zeitig auf den Weg ins Olympiastadion. Dort begannen bereits am frühen Vormittag die Qualifikationswettkämpfe, und für 9.40 Uhr war die erste Werfergruppe einbestellt worden, jene, in der auch Robert Harting an der Reihe war. Der hatte tatsächlich ein bisschen Mühe, das Finale der besten Zwölf zu erreichen, das an diesem Mittwoch (20.20 Uhr/ ARD und Eurosport) ausgetragen wird: Die fürs automatische Weiterkommen geforderten 64 Meter verpasste er jedenfalls selbst mit dem besten seiner drei Würfe (63,29); aber weil insgesamt nur fünf Konkurrenten die Marke übertrafen, rückte er als letztlich siebtbester Qualifikant nach.

Damit ist gesichert, dass die Abschiedsparty des nach dieser Saison zurücktretenden Olympiasiegers, dreimaligen Welt- und zweimaligen Europameisters vor großem Publikum über die Bühne gehen wird und nicht vor der traurigen, spärlich besetzten Kulisse endet, die sich am Dienstagmorgen in der riesigen Arena bildete.

Robert Harting war sich seiner Sache schon unmittelbar nach dem Wettkampf sicher gewesen, obwohl später noch ein weiteres Dutzend Bewerber antreten sollte. Er erinnerte an den Wattenscheider Kollegen Jasinski und dessen Quali fürs Olympiafinale 2016: "Daniel ist mit 62,31 Metern irgendwie durchgekommen", sagte Harting - und folgerte: "Von daher muss es eigentlich reichen." Und weil er in einer langen Karriere viel Erfahrung gesammelt hatte, ahnte der 33-Jährige: "Auch die anderen werden ihre Problemchen bekommen."

Wie recht er damit hatte. Denn den ersten Vormittag dieser Europameisterschaften kann man guten Gewissens als Tag der Favoritenstürze abspeichern. Christoph Harting, der Olympiasieger von Rio 2016, und der Pole Piotr Malachowski, der Weltmeister von 2015 und EM-Titelverteidiger, schieden ohne gültigen Versuch aus; der Olympiadritte von 2016, Daniel Jasinski, scheiterte als Neunzehnter mit bloß 60,10 Metern. Und der österreichische 69-Meter-Mann Lukas Weißhaidinger, immerhin drittbester Europäer in diesem Sommer, zitterte, ehe er die Finalteilnahme sicher hatte: als Elftbester, mit 62,26 Metern.

In dieses Szenario passt das Aus für den Zehnkampf-Weltmeister Kevin Mayer aus Frankreich, der nach verheißungsvollem Beginn mit 100-Meter-Bestzeit (10,64 Sekunden) im Weitsprung keinen gültigen Versuch in den Sand setzte. "Es ist ein schwarzer Tag", sagte Mayer, der ja nicht allein war mit diesem Malheur. Seine beiden französischen Mitkämpfer leisteten sich kurioserweise den gleichen Fauxpas, und der Ulmer Matthias Brugger machte es ihnen nach.

Die gestürzten Diskus-Riesen waren hernach ratlos. "Mein Kopf ist leer", sagte Piotr Malachowski, 35, im Vorbeigehen. Daniel Jasinski, 29, klagte, "die Beine haben nicht mitgemacht". Bei Christoph Harting war es irgendwas mit dem Arm: "Das erste Gefühl war, dass die Bewegung flüssig läuft, nur der Abwurf hat gefehlt. Aber ich habe keine Ahnung warum, ich kann es nicht erklären", resümierte er: "63 Meter werfe ich normalerweise auch aus dem Stand." Sein Trainer Torsten Lönnfors hatte von der Tribüne aus beobachtet: "Er hat dreimal denselben Fehler gemacht, den Diskus zu früh losgelassen, dreimal ins Netz - das ist schon ein kleiner Schock."

Er stand extra um 6:01 Uhr auf

Unter all den Ratlosen wirkte Robert Harting dann erst recht wie ein weiser, wissender, alter Mann, als er den Wettkampf Revue passieren ließ. Auch er hatte sich zeitig auf den Weg ins Stadion gemacht und seinen Wecker auf 6.01 Uhr gestellt: "Ich wollte nicht um sechs Uhr aufstehen, das war mir zu früh", erklärte er.

Mit müdem Körper schleppte er sich dann durch einen stumpfen Ring - "dann wird's halt schwer", sagte er und beschrieb das Gefühl so: "Als ob man auf Sandpapier wirft. Da war natürlich nicht viel Beindynamik aufzubauen, da kannst du keine Drehenergie in die Füße kriegen, deswegen gab's auch diese vielen komischen Würfe." Der Schwede Daniel Stahl (67,07 Meter) und der 39 Jahre alte Peking-Olympiasieger Gerd Kanter aus Estland (64,18) waren die einzigen, die sich auf Anhieb für das Finale qualifizierten. Alle anderen quälten sich mehr oder weniger durch die Qualifikation.

Nachdem Robert Harting diese nun bestanden hat als einziger der drei deutschen Diskuswerfer, sieht er dem Finale gelassen entgegen. Im Olympiastadion hat er bei der WM vor neun Jahren den ersten seiner vielen Titel gewonnen. "Ich bin voller Vorfreude, hier kommt eine Glücksebene dazu", sagte er, "ich hoffe, die hilft mir noch so ein, zwei Meter weiter." In seinem letzten Titelkampf will er jedenfalls "mit Risiko rangehen", anders als in der Qualifikation: "Da waren die Würfe alle ein bisschen brav. Da bin ich zu taktisch angegangen, das macht's langsam."

Noch bevor er am Dienstagvormittag das Olympiastadion verließ, dachte er darüber nach, wie er fürs Finale "die Schuhe schnell" kriegt, um in dem stumpfen Ring ein besseres Drehmoment zu bekommen. Eine Idee hatte er schon: "Vielleicht muss ich mit dem Messer am Schuh rubbeln, damit er Profil verliert und glatt wird."

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