Hart erkämpfter Sieg gegen Australien:Chile verspielt seinen Geheimfavoriten-Status

Lesezeit: 2 min

Chiles Marcelo Diaz kämpft mit den Australiern Mark Milligan und Tim Cahill (re.) um den Ball. (Foto: Stu Forster/Getty Images)

Nach einem starken Auftakt und einer 2:0-Führung gerät das Spiel der Chilenen ins Stocken. Australien hat gute Gelegenheiten zum Ausgleich, bis Beausejour kurz vor Schluss für die Entscheidung sorgt. Die Südamerikaner sind nur noch ein sehr geheimer Geheimfavorit.

Vor einer Weltmeisterschaft gehört es zu den beliebten Fachgesprächen, wem die besten Chancen eingeräumt werden. Es wird dann meist ein Kreis von Favoriten ernannt, ein sehr kluger Trainer in München kennt vermutlich auch einen der Top-Top-Top-Favoriten. Die Namen der Favoriten sind meist die gleichen, weswegen die Lieblingsdisziplin der Experten eine andere Art des Favoriten ist: der Geheimfavorit.

Der Geheimfavorit hat es besonders schwer, er will ja nicht Favorit sein, und zugleich wollen alle Experten ihm diesen Status zuschreiben: dass dieses Team die große Überraschung werden könnte (und dieser Experte das schon immer wusste). Ein besonderer Geheimfavorit vor der WM in Brasilien war Chile - schließlich hielten die Spieler ihre eigenen Ansprüche nicht sonderlich geheim. Sie sahen sich selbst durchaus auch als Geheimfavorit. Um dieser Rolle gerecht zu werden, war ein Sieg im ersten Spiel gegen Australien Pflicht, gerade in der Gruppe mit Titelverteidiger Spanien und Titelverteidiger-Besieger Niederlande.

Vidal spielt von Beginn an

So drehten sich die Nachrichten vor dem Auftakt auch nicht darum, ob Chile gegen Australien gewinnt. Sondern darum, welche Spieler gewinnen werden. Und vor allem darum, ob Arturo Vidal dazu zählen wird. Der Mittelfeldspieler von Juventus Turin wurde Anfang Mai am rechten Knie operiert, zuletzt konnte er nicht trainieren, da sich die Wunde entzündet hatte. Am Donnerstag noch sagte der Mannschaftsarzt, dass ein Einsatz zu riskant sei.

Die wichtigste Nachricht der Partie gegen Australien: Arturo Vidal spielte (wenn auch sehr unauffällig). Ebenfalls wichtig: Chile gewann 3:1 (2:1). Souverän war der Sieg jedoch nicht.

Spanien in der Einzelkritik
:Als Casillas zur Robbe wurde

Iker Casillas robbt wie ein Kleinkind durch den Strafraum, Diego Costa wird ausgebuht, als sei er Sepp Blatter - nur Xavi begeistert mit seiner berühmten Welpen-Imitation. Die Weltmeister aus Spanien beim WM-Katastrophenstart in der Einzelkritik.

Von Carsten Eberts

Zunächst kontrollierte der Geheimfavorit wie erwartet die Partie. Australien, der große Außenseiter des Turniers, war überfordert vom Tempo der Südamerikaner. Und so dauerte es nicht einmal eine Viertelstunde, bis Chile 2:0 führte. Im Strafraum passten sich die Spieler den Ball zu, ganz in Ruhe, schließlich verwandelte Alexis Sanchez, ganz in Ruhe (12.). Der Stürmer des FC Barcelona leitete auch das zweite Tor ein, nach seinem Zuspiel stand Jorge Valdivia frei am Strafraum und schlenzte den Ball ins Tor (14.).

Anschließend reduzierten die Chilenen das Tempo, sie führten ja souverän, gegen einen Gegner, der zu diesem Zeitpunkt so gefährlich wirkte wie ein schlafendes Känguru. Es folgten ein paar bissige Zweikämpfe in der Spielfeldmitte - und dann merkte Australien plötzlich, dass es von dort gar nicht mehr so weit bis zum gegnerischen Strafraum ist. Nach ein paar sachten Annäherungen flankte Ivan Pranjic, und Tim Cahill, der australische Rekordtorschütze, traf mit dem Kopf (35.). Ein Spielstand, der erst einmal schmeichelhaft war für den Außenseiter. Es war aber auch ein Spielstand, der den Außenseiter immer mutiger aufspielen ließ. Bis er gefährlich war wie ein gereiztes, boxendes Känguru.

In der 53. Minute jubelte Cahill erneut - jedoch nur für wenige Augenblicke; er stand im Abseits. Chile glückte nun nicht mehr viel, es fehlte an Tempo, es fehlte an Präzision, und immer deutlicher wurde: Es fehlte an einer gefestigten Verteidigung. In der 56. Minute hatte Mark Bresciano eine Doppelchance, erst scheiterte er am chilenischen Torwart Bravo, dann am Außennetz. Kurz darauf, in der 61. Minute, hatte Chile eine letzte gute Möglichkeit, Alex Wilkinson wehrte einen Schuss von Eduardo Vargas auf der Torlinie ab. Doch es waren weiter die Jungs aus Down Under, die die Partie bestimmten. Meisten waren ihre Angriffe jedoch zu harmlos; ein Kopfball von Cahill landete auf dem Tornetz (70.), ansonsten erspielten sie sich kaum Chancen.

Als das Spiel fast schon vorbei war, in der 92. Minute, erzielte Jean Beausejour den Endstand. Und so freuten sich die Chilenen über einen glücklichen Pflichtsieg. Sie sind nun aber erst einmal nur noch ein sehr geheimer Geheimfavorit.

© Süddeutsche.de/bwa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: