Verlängerung mit Hansi Flick:Das Heynckes-Experiment

Hans Dieter Flick (Hansi ,Trainer Bayern Muenchen), steht im rot silbernen Konfettiregen, Einzelbild,angeschnittenes Ein

Löste im November Niko Kovac ab und darf laut neuem Vertrag ziemlich lange beim FC Bayern bleiben: Hansi Flick.

(Foto: Frank Hörmann/Sven Simon/Imago)

Mit der Vertragsverlängerung für Hansi Flick wissen die Spieler vom FC Bayern, was sie in Zukunft erwartet. Die Klubführung erinnert er an den Altmeister Jupp Heynckes.

Von Christof Kneer

Hansi Flick hat keine Zeit für schönes Wetter. Am Wochenende hatte er zum Beispiel wieder eine Menge Indoor-Termine, er war mit seinen Spielern zum Videocoaching verabredet. Es ist ja ein Vorurteil, dass ein Fußballtrainer keine Arbeit hat, wenn es keinen Fußball gibt; und so wie Flick seinen Fußball versteht, muss man sich als Trainer auch immer um die Mannschaft kümmern, auch dann, wenn es kein Mannschaftstraining gibt.

Flick war schon als Spieler ein fleißiger Mann, im Mittelfeld hat er all die Bälle apportiert, die andere übrig gelassen haben, und er hat auch jene Meter auf sich genommen, die andere links oder rechts liegen gelassen haben. Flick war die Verkörperung des mannschaftsdienlichen Profis, diesen Charakterzug hat er ins Trainerleben hinüber gerettet. Er dient den Spielern immer noch - inzwischen aber als ihr Vorgesetzter.

Am Wochenende haben die Spieler des FC Bayern, ebenfalls per Videogruß, erfahren, was sie längst geahnt haben dürften: dass Flick, 55, ihr Trainer bleibt. Bis 2023 hat der FC Bayern jenen Mann an sich gebunden, der erst nur für zwei Spiele übernehmen sollte, dann bis Weihnachten, dann bis Saisonende.

Die optimistische Vertragslaufzeit solle das Vertrauen des Klubs dokumentieren, erklärte Klubchef Karl-Heinz Rummenigge, die Elf habe unter Flick "eine sehr gute Entwicklung genommen, sie spielt attraktiven Fußball, der sich auch in den Ergebnissen widerspiegelt". Und, vielleicht der Schlüsselsatz: "Dazu gefällt mir die Art, wie er die Mannschaft führt, seine menschlichen Qualitäten überzeugen, seine Empathie spricht für ihn." Der bislang letzte Coach, über den die Bayern das gesagt haben, war nicht Niko Kovac, auch nicht Pep Guardiola und sowieso nicht Louis van Gaal, der schon auch empathisch sein konnte, vorausgesetzt allerdings, beim Empfänger der Empathie handelte es sich um Louis van Gaal.

Der letzte Coach, über den die Bayern das gesagt haben, hat sich nun zu Wort gemeldet: Hansi Flick sei für ihn "der ideale Bayern-Trainer", sagte Jupp Heynckes.

Beim FC Bayern und seinen Trainern ist es ja so: Gut gegangen ist es all die Jahre meistens, wenn die Trainer verdiente Männer waren, deren Titelsammlung bei Wikipedia (früher: im kicker-Almanach) mehrere Zeilen beanspruchte, schon bevor sie nach München kamen. Nicht gut ging es, wenn die Bayern plötzlich Experimente wagten - mit Sören Lerby in den Neunzigern, mit Jürgen Klinsmann in den Nullerjahren oder jüngst mit Niko Kovac.

Flick ist nichts dergleichen und alles in einem. Er ist einerseits ein verdienter Mann, weil er fünf Jahre bei Bayern spielte, weil er 2014 als einflussreicher Co-Trainer seinen Chef Jogi Löw zum WM-Titel mit Deutschland führte, weil er Erfahrungen als DFB-Sportdirektor sammelte. Andererseits ist Flick auch ein Experiment, weil er auf großer Bühne noch nie alleine an der Rampe stand.

Flick ist ein Fan von Timo Werner

Natürlich hätten die Bayern vor einer Vertragsverlängerung gern noch gesehen, ob dieser leise Mann auch die Wettbewerbshärte für ein heißes Champions-League-Halbfinale hat, aber sie haben jetzt einfach beschlossen, dass sie es ihm zutrauen. Sie sehen ja, dass hier einer über einen Qualitätenmix verfügt, der gut in diese Umbruchzeit passt. Flick ist ein moderner Coach, aber er ist kein Nerd, er hat den Pragmatismus, den es bei Bayern braucht. Und er wird von den Spielern so respektiert, wie er selbst die Spieler respektiert.

Der FC Bayern hat viel Kritik einstecken müssen zuletzt, es ging um vollmundig angekündigte Transfers, die dann keine Transfers wurden und um Umbruchverschleppung auf allen Ebenen. Im Moment präsentieren sich die Bayern aber fast wie ein Musterschüler: In einer Zeit bedenklicher Ungewissheiten haben sie schon ein paar wichtige Dinge geregelt und dabei sogar die richtige Reihenfolge eingehalten.

Sie haben mittels Berufung von Herbert Hainer (Präsident) und Oliver Kahn (im Vorstand) zunächst die oberste Hierarchieebene neu sortiert (im Sommer wird Sportdirektor Hasan Salihamidzic ebenfalls in diese Etage aufrücken), und nun haben sie die Besetzung der zweitobersten Ebene (Trainer) geklärt. Alle, die für die drittoberste Ebene in Frage kommen (die Spieler), wissen jetzt, wer sie in München erwartet.

Es erwartet sie unter anderem ein Trainer, den keiner mehr unterschätzt. Flick ist einer, den fast alle mögen, aber es ist nicht die Art von Mögen, die man sich leisten kann, weil der Typ eh harmlos ist. Der Spieler Flick konnte auch mal grätschen in seinem defensiven Mittelfeld, und auch im neuen Job hat er seine Zweikampfstärke bereits angedeutet. Im Winter hat er am Verein vorbei ein paar Sätze lanciert, von denen sich der Sportchef Salihamidzic angesprochen fühlen durfte; Flick forderte einen größeren Kader, ein paar Wochen später bestand er öffentlich auf einem "Vetorecht" beim Kauf möglicher neuer Spieler.

Flicks Wunsch ist nun quasi von oberster Stelle erfüllt worden, der Trainer habe "ein Mitspracherecht, das ist doch klar", sagte Rummenigge der Bild, die Meinung des Trainers spiele "bei unseren Personalentscheidungen eine Rolle". Aber Flick ist keiner, der Erfolge öffentlich ausschlachtet, vielleicht ist er auch da ein wenig wie Heynckes. Flick sieht sich nicht als Zweikampfsieger gegen Salihamidzic, er betont das Miteinander, er weiß, dass er den umtriebigen Sportchef genauso braucht wie der ihn. Immerhin geht es ja darum, bei der Vervollständigung der neuen Elf unterschiedliche Einschätzungen in Einklang zu bringen: Flick gilt im Gegensatz zu Salihamidzic als Anhänger von Timo Werner, während ihm etwa das finanzielle Paket, das für Leroy Sané geschnürt werden müsste, zu wuchtig erscheint. Und während Salihamidzic (verständlicherweise) gerne die Qualitäten seiner Verpflichtungen Lucas Hernandez und Michael Cuisance auf dem Rasen sehen würde, ist Flick (verständlicherweise) der Meinung, dass er lieber die aufstellen sollte, die er am besten findet.

Viel wird nun von dem Mann abhängen, der die Menschen früher grundlos durchgeschüttelt hat und von dem bei Bayern zurzeit alle gut reden. Es wird auch Oliver Kahns Aufgabe sein, die Interessen zu moderieren, und auch das ist: ein Experiment.

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FC Bayern Muenchen verlaengert den Vertrag mit Hans Dieter Flick (Hansi ,Trainer Bayern Muenchen). Archivfoto: Hans Diet; Flick

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