Bundesliga:Hannovers Opposition könnte Kinds Macht übernehmen

Hannover 96 - Präsident Martin Kind

Klubpatron mit Regenschirm: Für Martin Kind geht es um die Frage, ob die internen Gegner seiner Pläne bei Hannover 96 an Einfluss gewinnen.

(Foto: Jan Huebner/imago)
  • Martin Kind hört als Präsident auf, will aber Geschäftsführer bleiben und als Investor die Mehrheit beim Bundesligisten Hannover 96 erwerben.
  • Die Lage ist jedoch verzwickt: Seine Gegner könnten die Macht im Aufsichtsrat übernehmen.
  • Was beim Geldgeber Kind möglicherweise doch noch ein Umdenken bewirken könnte.

Von Carsten Scheele, Hannover

Wenn Martin Kind von der "sogenannten Opposition" bei Hannover 96 spricht, klingt das immer, als nehme er die Gruppe nicht sonderlich ernst. Als sei diese nur eine Randerscheinung - aufgetaucht, aber sicher bald wieder verschwunden. Ein bisschen wie die Piratenpartei in der Politik, die unter großem Getöse populär wurde, aber ebenso schnell wieder ziemlich winzig wurde. Wenn sich der Präsident da mal nicht täuscht.

In Hannover steht an diesem Samstag eine Mitgliederversammlung an, und vieles deutet darauf hin, dass Kind einen kniffligen Tag erleben wird - weil sich die "sogenannte Opposition" anschickt, ein großes Stück der Macht im Verein zu übernehmen. Die Interessensgemeinschaft "Pro Verein 1896" könnte die Mehrheit im neu zu wählenden Aufsichtsrat stellen und Kinds Arbeit künftig erschweren.

Ein Kandidat der Opposition ist "Fußballgott" Carsten Linke

Bislang haben die Kind-Vertreter in dem Gremium eine dünne Mehrheit von 3:2 Stimmen, was dem Präsidenten eine komfortable Machtfülle verschafft hat. Damit könnte es nun vorbei sein, und die Spaltung des vom Streit zerfressenen Vereins noch ein Stück vorangetrieben werden.

Eine Zäsur gibt es so oder so, denn Kind, 74, wird nach mehr als 20 Jahren als Präsident des Hauptvereins zurücktreten. Geschäftsführer der Profifußballgesellschaft sowie einiger Untergesellschaften (das Machtgeflecht bei 96 ist kompliziert) will er hingegen bleiben, ebenso Hauptinvestor und wichtigster Geldgeber des abstiegsbedrohten Klubs, dem womöglich der nächste teure Neustart in Liga zwei bevorsteht.

Richtungsweisend wird, wer Kind an der Vereinsspitze beerbt: Der neue Aufsichtsrat darf den Präsidenten ernennen. Für das Kind-Lager und einen Großteil der Abteilungsleiter geht der Immobilien-Unternehmer Matthias Herter ins Rennen, der zwar seine Unabhängigkeit betont, aber für Kind der angenehmste Nachfolger wäre. Herter hat angekündigt, sich nicht in Kinds Arbeit auf der Management-Seite einmischen zu wollen. Von ihm hätte Kind den wenigsten Widerstand zu erwarten bei seinem Plan, die Mehrheit am Verein zu übernehmen und dafür bei der Deutschen Fußball-Liga eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Klausel zu erwirken. Zu jenen Kandidaten für den Aufsichtsrat, die Herter ins Amt heben sollen, zählt Karsten Surmann, Kapitän der Pokalsieger-Elf von 1992, sowie NDR-Moderator Andreas Kuhnt. Ihr Motto: "Alles bleibt neu."

Deutlich unangenehmer wäre für Kind ein Sieg der Opposition. Dann würde Sebastian Kramer neuer Präsident werden, ein Kind-Kritiker, der zehn Jahre lang Fanbeauftragter war. Auch "Pro Verein" schickt fünf Anwärter für den Aufsichtsrat ins Rennen, neben dem früheren 96-Profi und Manager Carsten Linke, den sie bis heute "Fußballgott" nennen, auch den Anwalt Ralf Nestler (seit 2016 im Gremium). Ihm gehe es um die "demokratischen Grundrechte bei 96", sagt Nestler. Die Mitglieder hätten unter Kind zu wenig mitbestimmen dürfen, und in Sachen 50+1 habe der Hörgeräte-Unternehmer jahrelang machen können, was er wollte. Einen Beschluss der Mitglieder, die über 50+1 mitbestimmen wollten, durfte Kind ignorieren. Er betrachtete das Votum lediglich als "Empfehlung". Auch eine von den Mitgliedern im Winter 2018 erwirkte außerordentliche Mitgliederversammlung hielt er nicht ab.

Die Frage wäre: Bleibt Kind auch bei einer Niederlage Geldgeber?

Nach Wunsch der Opposition soll der Aufsichtsrat künftig in alle Prozesse eingebunden werden, die Mitgliederversammlung soll das oberste Vereinsorgan sein. Ein Verein sei ein "demokratisches Gebilde", sagte auch "Fußballgott" Linke: "Und wenn diese Demokratie nicht gelebt wird, und das wird sie nicht bei Hannover 96, dann stimmt etwas nicht."

Die Nervosität im Verein ist spürbar. Bei der Versammlung 2018 versuchte das Kind-Lager, die Oppositionellen als Ultras und Krawallmacher zu brandmarken - vergeblich. Die Gegnerschaft war gut organisiert, verlor keine einzige Wahl. Nun erwartet Nestler ein knappes Rennen: "Das Ding ist nicht durch!" Das Kind-Lager sei vor allem auf die aktiven Sportler zugegangen, um sie zu überzeugen. Nestler setzt auf die geheimen Wahlen: Viele 96er würden es bereits mit der Opposition halten, sich aber nicht trauen, das öffentlich zu sagen.

Kind dagegen betont seine Verdienste im Verein, ohne ihn würde Hannover vielleicht unterklassig herumdümpeln. Auch Kind hat sich zuletzt ärgern müssen. Etwa, als das Gerücht aufkam, die Opposition plane, den 50+1-Kritiker Andreas Rettig, der einen Abschied vom FC St. Pauli angekündigt hat, als neuen 96-Geschäftsführer einsetzen zu wollen. Rettig habe ihn angerufen und dementiert, berichtet Kind: "Sollte die sogenannte Opposition solche Gedankenspiele anstellen, wäre das ein deutlicher Hinweis darauf, dass es ihr nicht um die Interessen des Vereins, sondern um Einfluss auf den Profifußball bei 96 geht."

Bleibt die Frage, ob Kind unter einem oppositionsdominierten Aufsichtsrat weitermachen würde - oder ob er sein Geld bei 96 abziehen würde. Dieses Szenario geistert ebenfalls durch die Stadt. Nestler sagt, Kind dürfe natürlich Geschäftsführer bleiben, "daran ändert sich gar nichts". Und sollte er tatsächlich gehen, hätte "Pro Verein" eigene Geldgeber an der Hand. Andererseits würde man das Ergebnis akzeptieren, würden sich Kinds Kandidaten durchsetzen. "Gar kein Problem", sagt Nestler. Dann hätten die Mitglieder ja gesprochen.

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