Hannover 96:Noch ein Hamburger Absteiger

Hamburger SV - FC Augsburg

Ein Bild aus guten Zeiten: In Hannover hoffen sie, dass sie den Nicolai Müller aus seinen frühen Hamburger Tagen verpflichtet haben.

(Foto: Daniel Bockwoldt / dpa)

Die Niedersachsen kämpfen mit Leihspielern um den Klassenverbleib.

Von Jörg Marwedel, Hannover

Der Rasen in der Arena von Hannover wurde kurz nach Weihnachten noch einmal ordentlich umgepflügt. Allerdings nicht von Maulwürfen oder dem Greenkeeper, sondern von den Fußballprofis von Hannover 96. Trainer André Breitenreiter hatte den kürzesten Weihnachtsurlaub aller Bundesligisten verfügt, präzise vier Tage, weil es für den Tabellenvorletzten "viel aufzuarbeiten" gebe. Man müsse einfach mehr tun als die Konkurrenz und dürfe am 3. Januar, wenn das einwöchige Trainingslager in Marbella beginne, "nicht bei null anfangen".

Nun ist das mit dem malträtierten Rasen ohnehin nicht das Hauptproblem bei den Niedersachsen; er wird in diesen Tagen gegen neues Gras ausgetauscht. Schwieriger ist, das in der Hinrunde weit hinter den Erwartungen zurückgebliebene Team so zu verstärken, dass es ihm nicht ergeht wie 2016. Damals investierte der Tabellenletzte in der Winterpause mehrere Millionen Euro in fünf neue Spieler sowie den als Rettungsanker geholten Trainer Thomas Schaaf. Das ging derart schief, dass Schaaf nach elf sieglosen Spielen wieder entlassen wurde und der Klub sich nach 14 Jahren in der Bundesliga erstmals wieder eine Klasse tiefer einreihen musste.

Manager Horst Heldt will nicht die Fehler seines Vorgängers Martin Bader wiederholen. Er ließ Breitenreiter, den zuletzt erfolglosen Aufstiegstrainer von 2017, im Amt. Auch wird er kaum jemanden verpflichten wie damals Hugo Almeida, der zwar als Stürmer bekannt war, aber damals laut Selbsturteil nur "zu 60 Prozent fit" war. Um sich in einem höheren Transferregal bedienen zu können, setzt Hannover zunächst auf Leihspieler. Abwehrspieler Kevin Akpoguma, 23, kommt bis Mai aus Hoffenheim, um die bisher zweitschlechteste Abwehr zu verstärken. Der U 19-Europameister, den die Badener nicht komplett hergeben wollen, verfügt laut Heldt genau über die Qualitäten, die in prekärer Lage besonders helfen sollen: Zweikampfstärke, Schnelligkeit und gutes Kopfballspiel. Auch Spielpraxis hat Akpoguma vorzuweisen, er kam in der Hinrunde immerhin achtmal zum Einsatz. Nun sagt er, er werde "alles dafür geben, dass es eine Leihe wird, von der alle profitieren".

Ähnliches erhofft sich Heldt von Offensivspieler Nicolai Müller, 31, der bei Eintracht Frankfurt am "Trio Infernale" Sebastien Haller, Luka Jovic und Ante Rebic nicht vorbeikam, obwohl er längst von seinem Kreuzbandriss genesen ist, den er sich noch beim Hamburger SV zugezogen hatte. Der zweimalige Nationalspieler, der laut Heldt auf allen Positionen im Angriff eingesetzt werden kann, hat nur einen Nachteil: Er kommt wie seine neuen, alten Mitspieler Matthias Ostrzolek, Bobby Wood und Walace vom einst großen HSV. Und bis auf Ostrzolek, der schon ein Jahr vor dem Abstieg den Hamburger Klub verließ, hat auch Müller den HSV-Absturz nicht verhindert - er fehlte jedoch auch fast die gesamte Saison 2017/2018 verletzt.

Einen größeren negativen Beitrag leistete da schon Wood. Ein meist torloser Stürmer, der als Einzelgänger sowohl in Hamburg als auch in Hannover eher wenig zu einem harmonischen Miteinander beisteuerte. Und Walace, der wie sein brasilianischer Landsmann Felipe Sonderurlaub bis zum 3. Januar erhielt, wies zwar im Mittelfeld als einer der wenigen im 96-Team gehobene Bundesliga-Tauglichkeit nach, hat aber ebenfalls dazu beigetragen, dass die Mannschaft keine Einheit ist, wie Breitenreiter nach dem 0:1 gegen Düsseldorf beklagte. Während die Kollegen nach den Festtagen schon wieder schufteten, postete er über Twitter unbeschwerte Strandmotive aus Brasilien. Das kommt bei den Mitspielern vermutlich weniger gut an.

Erfreulicher klingt, dass zwei Langzeitverletzte, nämlich Edgar Prib und Ihlas Bebou, vor der Abreise ins Trainingscamp erstmals wieder mit der Mannschaft trainierten. Besonders Außenstürmer Bebou könnte im Abstiegskampf mit seiner Flinkheit noch wichtig werden, zumal das Talent Linton Maina sich einer Knieoperation unterziehen muss. Wahrscheinlich kommt auch noch Ersatz für Torjäger Niclas Füllkrug, der wegen eines Knieschadens monatelang ausfällt.

Was aber der Abschied des ehemaligen Kapitäns Philipp Tschauner bedeutet, der zunächst bis zum Saisonende nach Ingolstadt wechselt, wird sich zeigen. Der Keeper, der seinen sportlichen Platz an Michael Esser verlor, galt intern trotzdem ein als wichtiger Ansprechpartner. Wer diese Aufgabe nun übernimmt, damit 96 im Abstiegskampf doch noch als Einheit auftritt, das bleibt die Frage.

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