Bundesliga:Hannover 96 sucht den richtigen Hebel

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Hannover-Trainer André Breitenreiter (r.) kann mit der Leistung von Zugang Bobby Wood noch nicht zufrieden sein. (Foto: dpa)
  • Hannover 96 steht mit zwei Punkten auf dem letzten Platz der Bundesliga.
  • Trainer André Breitenreiter und Manager Horst Heldt rätseln, woher die plötzliche Krise kommt.
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Von Tobias Schächter, Frankfurt

Das Spiel war schon 90 Minuten vorbei, im Kabinentrakt des Frankfurter Stadions herrschte Kehrausstimmung, nur ein paar Ordner standen noch herum. Und Horst Heldt. Der Manager von Hannover 96 wollte nach dem 1:4 bei der Eintracht doch noch seine Sicht der Dinge loswerden. In TV-Kameras hatte er zunächst nicht sprechen wollen, aber ohne Kommentar wollte der Sportchef die vierte Niederlage in Serie nicht im Raum stehen lassen. Zuvor hatte schon Trainer André Breitenreiter nach der offiziellen Pressekonferenz ausführlich das Gespräch mit den Reportern gesucht.

Hannover ist mit nur mit zwei Punkten Letzter, und der desolate Auftritt in Frankfurt entsprach genau diesem Tabellenplatz: "Wenn man so viele einfache Fehler macht wie wir, wird es schwer, in der Bundesliga Spiele zu gewinnen", resümierte Breitenreiter. Und weil 96 zu jenen Traditionsvereinen gehört, in denen die Stimmung schnell in Extreme umschlagen kann, mahnte Heldt: "Es geht jetzt in erster Linie darum, Ruhe zu bewahren und gemeinsam da unten rauszukommen. Panik ist definitiv fehl am Platze."

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Breitenreiter und Heldt taten nach dem Debakel von Frankfurt das, was von Verantwortlichen erwartet wird: Sie stellten sich. Am Montag erklärte Klubchef Martin Kind, "vollstes Vertrauen" in Trainer und Manager zu haben. In Hannover wollen sie das Tief durch demonstrierte Einigkeit meistern. Mittelfeld-Routinier Pirmin Schwegler beschrieb die Situation so: "Am Anfang war es eine Ergebniskrise, nun ist es eine Leistungskrise."

Eigentlich war 96 ordentlich gestartet: Zwei Remis in Bremen und gegen Dortmund sowie ein 6:0 im Pokal beim Karlsruher SC stimmten hoffnungsvoll. Doch aktuell agiert das Team von Mal zu Mal schwächer: "Vor der Länderspielpause waren wir zufrieden, es war nicht erkennbar, dass es so wird", haderte Heldt. Überschwang oder Selbstüberschätzung könne er der Mannschaft nicht vorwerfen, aber offenbar büßten die Spieler mit jeder Niederlage mehr Selbstbewusstsein ein. In Frankfurt sei seine Elf "zusammengefallen wie ein Kartenhaus", rügte Breitenreiter. Der Trainer will nun vor dem wichtigen Heimspiel gegen Stuttgart wieder die "Grundtugenden" wecken: "Zweikampfverhalten, Laufbereitschaft und Wille." Heldt fordert: "Wir müssen mehr investieren, das ist die Basis. Wir müssen jetzt Hebel finden, da ist jeder gefordert."

Auch Breitenreiter hat den Leistungsabfall "so nicht erwartet". Aber so ganz überraschend kommt die Not dann doch nicht. Eher überraschend war, wie Hannover in der Vorsaison als Aufsteiger recht souverän den Klassenerhalt schaffte (Rang 13) - trotz der Dauerfehde zwischen Teilen der Fans und Klubboss Kind wegen dessen Übernahmeplänen. Die Mitgliedschaft eines Klubs wie 96 in der Bundesliga ist nicht selbstverständlich. Auf Nachteile gegenüber der Konkurrenz bei Infrastruktur und Etat wies Breitenreiter am Sonntag sachlich hin, ohne zu jammern.

Hannover geht es ähnlich wie Mainz, Freiburg oder Augsburg: Mehr als der Klassenerhalt ist nur in einem Ausnahmejahr drin, wenn die Konkurrenz schwächelt - und bei einem selbst alles passt. Dass es im Vergleich zum Vorjahr "nicht einfacher" werden würde, ahnte Breitenreiter schon vorab. Der Kader wirkt nach einem schwierigen Transfersommer eher schwächer als zuletzt. Unter anderem verlor der Coach in Salif Sané (Schalke) seinen Abwehrchef, in Felix Klaus (Wolfsburg) einen wichtigen Außenspieler und in Martin Harnik (Bremen) einen guten Stürmer. Noch keiner der Zugänge übernahm bisher eine tragende Rolle: weder Walace im Mittelfeld noch Bobby Wood im Angriff (beide vom HSV gekommen) oder in der Innenverteidigung Kevin Wimmer (Stoke), der beim 1:4 verletzt fehlte.

"Wir haben die Chance, das Feld von hinten aufzurollen"

Für Hannover gilt wie für alle Klubs aus dem wirtschaftlich unteren Mittelfeld der Liga: Werden Weggänge von Leistungsträgern nicht adäquat ersetzt, ist der Klassenerhalt gefährdet. Auch deshalb ließ 96 im Sommer nicht auch noch Torjäger Füllkrug trotz einer 18 Millionen-Euro-Offerte aus Gladbach ziehen. In Frankfurt blieb Füllkrug in der Halbzeit verletzt in der Kabine, sein Einsatz gegen Stuttgart ist wegen einer Kapselverletzung gefährdet.

Nicht nur augenzwinkernd sagt Breitenreiter: "Wir haben die Chance, das Feld von hinten aufzurollen." Noch ist die Saison jung. Aber die letzten Eindrücke bestätigen die Vermutung, dass genau dies die Aufgabe von Hannover für die ganze Spielzeit sein könnte.

© SZ vom 02.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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