Hannover 96:Trennung nach zehn Niederlagen

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Ein letzter Blick als 96-Trainer in die tief stehende Sonne: Thomas Schaaf beim verlorenen Heimspiel gegen den Hamburger SV. (Foto: Peter Steffen/dpa)

U19-Trainer Stendel löst Thomas Schaaf in Hannover ab. Seit fast neun Stunden hat 96 zu Hause kein Tor mehr erzielt.

Von Jörg Marwedel, Hannover

Unmittelbar nach dem Spiel schien Martin Bader noch keine große Sympathie für diese Lösung zu entwickeln. Jetzt schon wieder den Trainer zu wechseln, könne ja keine optimale Lösung sein, "was gewinnst du dadurch?", fragte der Geschäftsführer von Hannover 96 rhetorisch. Das sollte wohl so viel heißen: Wenn wir Thomas Schaaf jetzt entlassen, rettet uns das auch nicht mehr. Dabei hatte ihm der in Hannover bemerkenswert glücklose Trainer nach dem 0:3 gegen den Hamburger SV den Rauswurf fast schon angeboten: "Ich bin nicht das Problem, aber wenn irgendeiner da ist, der es besser machen kann, dann soll er es machen", hatte Schaaf gesagt; wenn die Klubführung eine andere Meinung habe als er, sei "das kein Problem".

24 Stunden später war Thomas Schaaf dann doch nicht mehr Trainer in Hannover. "Nach der zehnten Niederlage im elften Spiel sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass wir so die Saison nicht beenden wollen und mit dem Wechsel auf der Trainerposition noch einmal einen neuen Impuls zu geben versuchen", verkündete Bader im offiziellen Funktionärsdeutsch.

Seit fast neun Stunden hat 96 zu Hause kein Tor mehr erzielt

Er gab aber auch ehrlich zu erkennen, dass er von dem Impuls nicht zwingend den in solchen Fällen üblichen Klassenerhalt erwarte. Man habe die Entscheidung getroffen, sagte Bader, "wohl wissend, dass der Klassenerhalt bei zehn Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz nur noch sehr theoretisch möglich ist". Man habe sich "die Entscheidung ganz bestimmt nicht leicht gemacht", Schaaf sei seiner Arbeit "immer sehr akribisch und zielorientiert nachgegangen" - was man eben so sagt, wenn es auseinandergeht. Als Nachfolger übernimmt fürs Erste der bisherige U19-Coach Daniel Stendel, ein ehemaliger 96-Profi; von ihm versprechen sich die Verantwortlichen eine hohe Motivation, denn Stendel wird versuchen, sich für einen möglichen Neuaufbau in der zweiten Liga aufzudrängen. Nach 14 Jahren Erstklassigkeit muss Hannover nun fürs Unterhaus planen - auch, weil Schaaf seit seiner Amtsübernahme am 4. Januar exakt drei Punkte holte; sein Vorgänger Michael Frontzeck hatte nach 14 Punkten in der Vorrunde gehen müssen. Neben Schaaf wurden auch seine langjährigen Assistenztrainer Wolfgang Rolff und Matthias Hönerbach freigestellt.

Schaaf, der einst in Bremen für Titel und torreichen Rauten-Fußball stand, hinterlässt in Hannover nicht nur zehn Niederlagen in elf Spielen, sondern eine weitere hässliche Zahl: Seit 530 Minuten haben die 96er in der eigenen Arena kein Tor mehr geschossen. Seit fast neun Stunden. In der Heimbilanz steht der Klub nun sogar schlechter da als Tasmania Berlin, der schlechteste Klub der Liga-Historie. Die Niedersachsen haben zwölf ihrer bislang 14 Heimspiele verloren, sechs davon unter Anleitung von Schaaf - mit 1:13 Toren.

"Außer Zieler könnt ihr alle gehen", singen die Fans. Aber der Torwart wird kaum bleiben

Im Moment sei "alles so negativ belastet", hatte Kapitän Christian Schulz nach der Partie gesagt, und diese Analyse gilt ja keineswegs nur für die Aktionen auf dem Spielfeld. In der aktuellen Situation hinterlässt kaum ein Hannoveraner einen überzeugenden Eindruck; neben Schaaf wurde zuletzt auch über die Personalpolitik des ebenfalls noch recht neuen Geschäftsführers Martin Bader diskutiert, und Bader selbst beklagte öffentlich, dass keine Entscheidungen getroffen würden, was womöglich auf den sonst so entscheidungsfreudigen Martin Kind zielte. Seit Kind den intern für gescheitert erklärten Ex-Manager Dirk Dufner im Sommer zunächst noch weiterwerkeln ließ, ist der Klubchef tatsächlich mehr mit Ratlosigkeit als mit klaren Beschlüssen aufgefallen. Kind spürt nun auch im Verein Gegenwind. Die Interessengemeinschaft ProVerein 1896 hat kritische Kandidaten für den Aufsichtsrat benannt, und der Gesellschafter Gregor Baum, 45, ein Immobilienunternehmer, bringt sich verstärkt in Position.

Das Nordderby wirkte über weite Strecken schon wie ein vorgezogenes Zweitliga-Spiel, was zunächst aber eher an den Hamburgern als an Hannover lag. Doch als HSV-Verteidiger Clebér einen Eckball von Hunt zum 0:1 (61.) verwandelte, war das Spiel gelaufen - wie fast immer, wenn 96 ein Gegentor bekommt. "Dann hören wir immer auf, Fußball zu spielen", befand Torwart Ron-Robert Zieler. So war es auch diesmal, und so durfte der HSV die 96er zweimal innerhalb von nicht einmal 180 Sekunden auskontern. Schipplock legte Ilicevic (73.) und Müller (75.) die weiteren Tore auf.

Während Schaaf seine Arbeit danach einstellte - er verzichtete auf weitere Wechsel - setzten die 96-Fans ihren Kampf gegen das Team und den Präsidenten fort. "Außer Zieler könnt ihr alle gehen", sangen sie, wohl wissend, dass der Nationaltorwart nach Abschluss der Saison wohl das Weite suchen wird. Und am Ende sangen die Anhänger: "Oh, wie ist das schön!" Hohn und Spott sind wohl die schlimmste Art der Bestrafung.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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