Zwei Kalenderjahre ohne Trainerwechsel sind selten vorgekommen in der jüngeren Geschichte von Hannover 96, und bevor dieser penibel erarbeitete Ruf noch leidet, entledigte sich der Zweitligist aus Niedersachsen kurz vor dem Jahreswechsel noch schnell ein weiteres Mal seines Chefcoachs. Stefan Leitl musste gehen.
So saß am zweiten Tag des Jahres 2025 plötzlich André Breitenreiter, 51, auf dem Podium am Maschsee. Trainer kommen, Trainer gehen, gerade in Hannover. Breitenreiter weiß das gut. Der gebürtige Hannoveraner, der im Stadtteil Altwarmbüchen wohnt, war schon mal Coach bei 96 – und sogar der bisher letzte Übungsleiter, der mit dem Klub einen Aufstieg geschafft hat. Das war 2017, Breitenreiter kam im März und verlor bis zum Bundesligaaufstieg kein Spiel mehr. Nach anderthalb weiteren Jahren und einem 1:5 bei Borussia Dortmund war er seinen Job allerdings wieder los.

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Trotzdem fühle sich der Schritt nun wie „ein Nachhausekommen“ an, sagte Breitenreiter am Donnerstag: „Jeder weiß um meine besondere Verbindung zu Hannover 96.“ Sein altes Stadion, die alten Wege, „so viele bekannte Gesichter“ - Breitenreiter lächelte viel bei seiner offiziellen Präsentation. Hinzu kam das Lob von den alten und neuen Vorgesetzten: „Ihn zeichnet diese Überzeugung aus, etwas gewinnen zu können“, sagte etwa Sportchef Marcus Mann.
Auch Breitenreiter sagte dann Sätze, die alle hören wollten. „2017 ist komplett anders als heute. Das Gleiche ist das Ziel: Wir wollen aufsteigen“, erklärte der neue Trainer. Dabei waren Breitenreiters jüngste Engagements in Hoffenheim und beim englischen Zweitligisten Huddersfield weniger erfolgreich. Für ihn ist Hannover eine Chance, wieder im deutschen Fußball Fuß zu fassen – am besten mit der Rückkehr in die Bundesliga.
Die Zweifel an Vorgänger Leitl gärten schon länger im Verein
Für seinen Vorgänger Leitl, 47, musste sich die Demission kurz vor Silvester hingegen wie ein schlechter Scherz anfühlen, wobei: Auch er hatte bereits eine Ahnung davon, wie gespannt der Geduldsfaden in Hannover manchmal ist. Um vom Image des Hire-and-fire-Vereins wegzukommen, hatte der damalige Profiabteilungschef Martin Kind für Leitl ursprünglich einen Dreijahresplan ersonnen: zwei Jahre Aufbau, im dritten Jahr dann die Rückkehr in die Bundesliga, so die Theorie. Gemessen daran lag Leitl im Soll: Er hatte das Team verjüngt, eine Durchlässigkeit vom Nachwuchs zu den Profis geschafft – und lag aktuell auf Platz sieben in der extrem engen Weihnachtstabelle, nur zwei Punkte hinter Platz zwei. Der Aufstieg war in dieser wilden Zweitligasaison zwar keinesfalls sicher, ist aber ausdrücklich noch möglich.
Doch die Zweifel an Leitl gärten seit einiger Zeit im Verein, spätestens seit der Erstrundenpleite im DFB-Pokal beim Drittligisten Arminia Bielefeld. Aus dieser Zeit im August stammt das bekannte Zitat von Sportchef Mann, der den Sport, den Leitl in Hannover praktizieren ließ, als „Schlafwagenfußball“ bezeichnete. 96 stand zwar defensiv in dieser Saison solide, fuhr im eigenen Stadion auch verlässlich seine Punkte ein. Im Sturm haperte es aber mitunter gewaltig. Hinzu kam eine ausgemachte Auswärtsschwäche, nur ein Sieg gelang in der Hinrunde auf fremdem Rasen. Am schwersten wog sicher die 0:2-Derbyniederlage im Oktober beim verhassten Nachbarn aus Braunschweig.
Der Glaube an einen erfolgreichen Weg mit Leitl sei „nicht mehr vorbehaltlos vorhanden gewesen“, sagte Sportdirektor Mann deshalb jetzt. Der langjährige Präsident, Geschäftsführer und heutige Aufsichtsratschef Kind tat sich ebenfalls nicht als großer Leitl-Fürsprecher hervor. Von ihm ist ohnehin nicht bekannt, dass er länger als nötig an seinen Übungsleitern festhält. Immer, wenn es in den vergangenen zweieinhalb Jahren nach oben gegangen sei, habe es unter Leitl Einbrüche gegen leichtere Gegner gegeben, sagte Kind dem Sender Sport1: „Das ist eine Entwicklung, die auch ich nicht erklären kann.“ Also senkte sich der Daumen gegenüber Leitl.
Unter Leitl war 96 das konterschwächste Team der Liga
Bemerkenswert ist, dass Breitenreiter die Arbeit seines Vorgängers lobt. „Vieles war gut, vieles hat funktioniert“, sagte Breitenreiter über das 96-Spiel unter Leitl: „Aber es gibt Ansatzpunkte, an denen wir vom ersten Tag an arbeiten werden.“ Damit meinte er gewiss die Chancenverwertung, ein neuer Stürmer soll in der Winterpause noch verpflichtet werden. Und er meinte auch den Umstand, dass Hannover in der aktuellen Spielzeit das konterschwächste Team der Liga ist (null Tore). Eigentlich ein Hohn, erwarb sich 96 unter dem damaligen Trainer Mirko Slomka doch einst den Ruf als gefürchtetste Kontermannschaft der Bundesliga.
Apropos Slomka: Einen früher bei 96 erfolgreichen Trainer zurückzuholen, das ist in Hannover auch schon schiefgegangen. Die bislang letzte Rückholaktion auf der Trainerbank hatte jedenfalls niemanden glücklich gemacht. 2019 wurde Slomka reaktiviert, der mit 96 in den besten Zeiten zuvor im Europapokal gespielt hatte. Nach 13 Zweitliga-Partien wurde Slomka schon wieder entlassen.