Krise bei Hannover 96:Gelächter bei jedem Ballkontakt

Lesezeit: 3 min

Mirko Slomka kämpft bei Hannover 96 um seinen Job. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Gegen Nürnberg kassiert Hannover 96 eine heftige Niederlage.
  • Zwar bekommt Trainer Mirko Slomka eine Gnadenfrist bis zum Spiel gegen Dynamo Dresden - doch sein Team scheint er nicht immer richtig einzuschätzen.
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Von Carsten Scheele, Hannover

Es ist nicht drei Wochen her, auch nicht zwei, sondern erst ein paar Tage, da hat Hannovers Trainer Mirko Slomka vom Aufstieg gesprochen: "Ich schreibe das Thema noch nicht ab", sagte Slomka vor der Partie gegen den 1. FC Nürnberg. Klar, der Hamburger SV und der VfB Stuttgart seien die Favoriten, "aber Platz drei kann auch reichen" - die Qualität, ganz oben in der zweiten Liga mitzuspielen, habe sein Team auf jeden Fall.

Am Montagabend hat Slomka nach dem Schlusspfiff noch lange auf das Spielfeld gestarrt. Die Fans hatten das eigene Team verlacht, vom "Europapokal" gesungen und "Auswärtssieg, Auswärtssieg" skandiert, obwohl die eigene Mannschaft verloren hatte, nicht zu knapp übrigens, 0:4 (0:3). Slomka hat danach nicht mehr vom Aufstieg gesprochen; er hat sogar eine übliche Medienrunde ausgelassen. Hannover liegt mit acht Punkten auf Platz 15, die Abstiegszone ist ganz nah. "Ein absoluter Albtraum", sagte der Trainer.

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Von Carsten Scheele

Es ist Slomkas komplette Hannover-Mission, die sich zu einem Albtraum entwickelt, die den Verein spüren lässt, dass es immer noch ein bisschen weiter bergab zu gehen scheint. Der Trainer war im Sommer gekommen, als Nachfolger von Thomas Doll, um das abgestiegene Team wieder in die Bundesliga zu führen. Slomka hatte ja einen guten Namen in der Stadt.

"Keine Ahnung, was in die Jungs gefahren ist"

Er war der Trainer hier, als Hannover in der Saison 2012/2013 zum bislang letzten Mal im Europapokal spielte. Es verleitete Klubchef Martin Kind dazu, ihm die verunsicherte Abstiegsmannschaft anzuvertrauen, obwohl Slomka mehr als zwei Jahre keinen Verein trainiert hatte und schon länger in Verdacht stand, dass ihm als Coach die gewissen Ideen fehlen, um mit der neuen Trainergeneration mitzuhalten. Zusammen mit Jan Schlaudraff, dem Novizen auf der Sportchefposition, sollte er mit der Mannschaft um den Aufstieg mitspielen - ein Wagnis, mindestens.

Von solchen Zielen ist 96 gerade einige Meilen weit entfernt. Die Mannschaft ist mit Spielern gespickt, die eigentlich Fußball spielen können: mit dem früheren Nationaltorhüter Ron-Robert Zieler, mit dem japanischen Nationalspieler Genki Haraguchi, mit dem Abwehrtalent Waldemar Anton, seit kurzem auch mit Dennis Aogo, der - manche erinnern sich noch - schon mal WM-Dritter war. Doch nicht mal ein Heimspiel wurde bislang gewonnen, zudem fällt auf, wie wenig Slomka seine Mannschaft einzuschätzen weiß.

Nach dem Auswärtssieg bei ebenfalls schwächelnden Kielern habe er eine "gute Trainingswoche" erlebt, sagte Slomka, sein Team gegen Nürnberg auf dem Platz aber nicht wiedererkannt. Er habe "keine Ahnung, was in die Jungs gefahren ist", sagte Slomka. Ein Freistoß, zwei Konter und ein Eckball genügten Nürnberg zum nie gefährdeten Auswärtssieg.

Auch Schlaudraff zeigte sich von den Geschehnissen erschüttert. "Denkbar, denkbar schlecht" sei die Leistung gewesen, Fragen nach der Zukunft von Slomka wurden erst am Dienstag mit einigen Stunden Abstand beantwortet. Ja, Slomka soll vorerst Trainer bleiben, die Vereinsführung erwartet allerdings am Samstag beim Auswärtsspiel bei Dynamo Dresden eine "deutliche Antwort auf die enttäuschende Vorstellung gegen Nürnberg". Der Trainer wird ahnen, dass es sich hierbei um ein freundlich formuliertes Ultimatum handelt.

Denn Slomka kennt Hannover, er kennt vor allem Geschäftsführer Kind, der im Umgang mit seinen Übungsleitern schon immer ungeduldig war. Auch Slomka hat er schon einmal entlassen, kurz vor Silvester, im Weihnachtsurlaub. Aktuell ist es fraglich, ob Slomka die Feiertage noch im Amt erlebt. Als er bei Sky gefragt wurde, ob der Bund mit Kind und Schlaudraff noch stark genug sei, um diese Krise zu überstehen, sagte Slomka: "Das ist in Hannover immer schwer zu beurteilen."

Bezeichnend war die Reaktion der Fans auf das schlechteste Heimspiel seit Jahren (und es gab einige schlechte Spiele in der Abstiegssaison). Bei den treuesten Anhängern in der Nordkurve machte sich Defätismus breit. Sie lachten irgendwann bei jedem Ballkontakt der eigenen Mannschaft; bei einem hilflosen Rückpass auf Torwart Zieler brach lauter Jubel aus, auf dem Höhepunkt der Unterlegenheit, kurz nach dem 0:4 durch Nürnbergs Georg Margreitter (83.), der auch schon das frühe 0:1 erzielt hatte (3.), sang die Kurve: "Oh, wie ist das schön."

Slomka wurde später gefragt, ob er so ein Verhalten goutiere. Er hätte darauf verweisen können, dass eine verunsicherte Mannschaft umso mehr auf die Unterstützung von den Rängen angewiesen ist - tat er aber nicht. "Es war zu spüren, dass die Fans uns nicht mehr unterstützen wollten", sagte Slomka, "ich kann das verstehen."

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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