Hannover 96:Neue Qualität, die nicht greift

30 01 2016 Fussball Saison 2015 2016 1 Bundesliga 19 Spieltag Bayer 04 Leverkusen Hannover

Geschlagen nach Hause: Spieler von Hannover 96 nach dem 0:3 in Leverkusen.

(Foto: imago/Team 2)

Nach dem 0:3 in Leverkusen wirken die Aussagen beider Trainer über Verbesserungen bei Hannover 96 angesichts des Tabellenstands kühn.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Ron-Robert Zieler ächzte und hustete, eine dicke Erkältung plagt den Torwart und Weltmeister von Hannover 96. Trotzdem hat er sich am Samstagnachmittag im ergiebigen Dauerregen ins Tor seiner Mannschaft gestellt, und was er während des Spiels in der Leverkusener BayArena von seinem peripheren Standort aus hat erkennen können, das war nicht geeignet, um seine Gesundung zu beschleunigen. Zieler klang nach der 0:3-Niederlage seiner Mannschaft alles anders als hoffnungsfroh, dass diese abermals auf die schiefe Bahn geratene Saison im Tabellenkeller ein gutes Ende nehmen würde: "Wir haben in der ersten Halbzeit ganz gut dagegengehalten" - diese Äußerung war schon das größte Kompliment, das dem stellvertretenden Nationaltorwart zum Auftritt seiner Mitspieler einfiel.

Ansonsten sagte er viele dieser alarmierenden Sätze, die man vom Tabellenende der Bundesliga kennt: "Klar ist, dass es jetzt nicht leichter wird." - "Irgendwann brauchen wir auch mal ein paar Punkte." Und dann fügte er noch hinzu, was besonders beunruhigend für Hannover klang, dass sich die Euphorie, die nach dem Einstieg des neuen Trainers Thomas Schaaf in der Mannschaft aufgekommen sei, inzwischen "relativiert" habe - "am Anfang war sie größer", stellte Zieler nach der zweiten Niederlage unter Schaaf fest.

Dass Hannover 96 im Rheinland ein paar Punkte oder wenigstens ein sogenanntes Pünktchen mitnehmen dürfte, diese Hoffnung hatte sich mehr oder weniger nach 44 Minuten erledigt. In jenem Moment kurz vor der Pause hatte Leverkusens Stürmer Stefan Kießling einen Eckball von Hakan Calhanoglu mit viel Schwung zum 1:0 für die Hausherren in die Torecke befördert: "Wenn wir mit 0:0 in die Pause gegangen wären, dann wäre das ein anderes Spiel gewesen", behauptete später der 96-Defensivspieler André Hoffmann, und auch Zieler stellte fest, dass sein Team im Anschluss nach der Pause "überhaupt nichts mehr auf den Platz bekommen" habe.

Just der vor Weihnachten von 96 umworbene Stefan Kießling trifft zum 1:0

In jener überaus einseitigen zweiten Halbzeit war Bayer Leverkusen die Mannschaft, die das Tempo machte, die das Spiel beherrschte und die im Laufe der Zeit erwartungsgemäß auch die nötigen Tore schoss, um den Heimsieg sicherzustellen. Hannover wehrte sich eifrig und pflichtbewusst, aber insgesamt unzureichend. "Es war ein Spiel auf ein Tor, das Ergebnis hätte dann auch höher ausfallen können", stellte Bayer-Verteidiger Ömer Toprak mit Recht fest.

In der 80. Minute hatten die dramatisch harmlosen 96er ihre erste Torchance im zweiten Abschnitt - Tin Jedvaj stellte sich erfolgreich in den Weg. Bernd Leno im Bayer-Tor verbrachte einen nervenschonenden Nachmittag. Erstaunlicherweise verband dessen Leverkusener Trainer Roger Schmidt das Lob für die Leistung seiner Profis mit einem Lob für den Gegner "Ich glaube, dass Hannover eine neue Qualität gewonnen hat", bemerkte er kühn und spielte damit auf die im Winter verpflichteten Stürmer Adam Szalai und Hugo Almeida an. "Mit den beiden Spitzen sind sie schwerer zu bespielen", meinte Schmidt.

Damit könnte er auf Dauer sogar recht behalten, beim Spiel am Samstag war von markanter Niveausteigerung oder gar ausgeprägter Torgefährlichkeit durch die Neulinge allerdings noch nicht so viel zu sehen. Trainer Schaaf bemühte sich zwar, das Gute hervorzuheben, allerdings war der Maßstab seiner Diagnose ein sehr bescheidener: "Insgesamt war die Leistung klar besser als gegen Darmstadt 98", sagte er. Gegen den Aufsteiger hatte Hannover in der Vorwoche ohne Einwirkung von Pech oder höherer Gewalt 1:2 verloren, nicht nur ein psychologischer Dämpfer, wie ihn Zieler und Hoffmann beklagten. Sondern auch ein Hinweis auf die realen Zustände in dieser über Jahre ziemlich willkürlich zusammengestellten Mannschaft.

Schaaf beklagte, dass seine Mannschaft noch nicht imstande sei, aus eigenem Ballbesitz Gefahr für den Gegner zu kreieren - das typische Leid eines Abstiegskandidaten im fortgeschrittenen Stadium.

Besser als das naturgemäß noch wenig aufeinander abgestimmte ungarisch-portugiesische Sturmduo der Hannoveraner kam das deutsch-mexikanische Sturmduo der Leverkusener zur Geltung. Der kürzlich just von 96 umworbene Kießling sorgte nicht nur für das erste Tor, sondern auch für den Foulelfmeter vor dem zweiten Tor (Chicharito, 61.). Sehr effektvoll war er über Sakais Bein gefallen. Eventuelles Unrechtsbewusstsein leugnete er entschieden: "Er lässt das Bein stehen und ich komme nicht durch. Wo soll ich denn hin? Ich bin doch kein Hürdenläufer."

Mancher Anhänger der 96er sah es vermutlich mit Wehmut. In der Adventszeit war Kießling noch fest entschlossen gewesen, ein Übernahmeangebot der 96er anzunehmen und in den Abstiegskampf zu wechseln, weil er die Leverkusener Reservebank leid war. Bayer ließ ihn jedoch nicht gehen und Trainer Schmidt glaubt: "In der Nachbetrachtung ist er, glaube ich, selbst froh darüber."

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