Funktionärskarrieren bei Hannover 96 verlaufen manchmal sprunghaft, Marcus Mann hätte es wissen können. Ein Blick auf seinen Vorgänger Gerhard „Gerry“ Zuber genügt: Insgesamt sechs Jahre stand der Österreicher beim Fußball-Zweitligisten unter Vertrag, er wurde eingestellt, rausgeworfen, geduldet, jedoch in ein Kellerbüro verbannt. Zweimal hat er sich vor Gericht in seinen Job zurückgeklagt.
Im Januar 2020 wurde es besonders wild, als Zuber erst vor Gericht siegte (die gegen ihn ausgesprochene Kündigung war unwirksam) und tags darauf vom damaligen 96-Boss Martin Kind direkt wieder als Sportlicher Leiter eingesetzt wurde. Hannover benötigte einen Sportchef, Zuber stand auf dem Gehaltszettel. War da was? Streit? Ein Gerichtsverfahren? Wie Zuber von der Kellerkammer ins Chefbüro umzog, ist eine legendäre Geschichte.

Hannover 96:Imagepflege auf Maschsee-Art
Mal wieder ein Trainerwechsel bei Hannover 96: Obwohl Stefan Leitl noch Chancen auf den Bundesliga-Aufstieg hatte, tritt nun Rückkehrer André Breitenreiter den Dienst an. Und der lobt sogar die Arbeit seines Vorgängers.
Ganz so turbulent ist die Lage für Marcus Mann, 40, noch nicht, wobei: In seiner Anklagerede vor dem Zweitligaspiel am Samstag beim 1. FC Nürnberg, das 96 2:1 gewann, klang ein erhebliches Maß an Frustration und Unverständnis durch. Wieder geht es nicht um fußballerische Fragen bei 96 und die mögliche Rückkehr der Mannschaft ins Rennen um den Bundesligaaufstieg, sondern um Posten im Hintergrund. Und nach wie vor scheint der Verein fest in zwei Lager gespalten zu sein.
„Es muss sich was ändern“, sagt Marcus Mann, „dieser Zustand ist unerträglich“
Im Fall von Mann geht es um die Position des Geschäftsführers der Profiabteilung. Dieser Job ist seit acht Monaten vakant, seit Martin Kind diesen im Juli 2024 per Gerichtsurteil verloren hat. Mann, der aktuelle Sportdirektor, würde gern aufsteigen, er darf aber bislang nicht, weil sich der Aufsichtsrat der Management GmbH, die den Spielbetrieb der Profimannschaft verantwortet, nicht einig ist. Wie immer bei 96 ist es kompliziert: Im vierköpfigen Aufsichtsrat sitzen vier Mitglieder, zwei sind von der Investorenseite um Martin Kind bestellt (Gregor Baum und neuerdings Hauke Jagau), zwei vom Mutterverein (Sebastian Kramer, Ralf Nestler). Zuletzt herrschte in der Streitfrage ein Patt, zwei zu zwei. Ergibt: keine Beförderung für Mann.
„Es muss sich was ändern, dieser Zustand ist unerträglich“, sagte Mann also dem Fernsehsender Sky: „Wenn wir so weitermachen, dann werden diese Personen den e.V. als auch die Profiabteilung gegen die Wand fahren.“ Damit meinte er namentlich Vereinschef Kramer und Aufsichtsratschef Nestler, die beide dem Mutterverein, also dem investorenkritischen Lager angehören. Relativ offen drohte Mann mit seinem Rückzug, irgendwann sei der Zeitpunkt erreicht, „wo man den Zirkus nicht mehr mitmacht“.
Der Fall hat einen noch ernsteren Hintergrund, denn es geht nicht nur um einen Geschäftsführerposten, sondern innerhalb der kommenden 14 Tage sogar um die Lizenz. Ohne offiziell bestellten Geschäftsführer hat 96 im Lizenzierungsverfahren, für das der Verein bis zum 17. März die Unterlagen einreichen muss, ein echtes Problem. Für den laufenden Betrieb ist Sportchef Mann zwar mit einer Vollmacht ausgestattet, er darf auch Spielerverträge unterzeichnen. Für die Einreichung der Lizenzunterlagen ist aber zwingend die Unterschrift eines Geschäftsführers erforderlich. „Fakt ist, dass wir zwei Wochen vor Einreichen der Lizenzunterlagen nicht wissen, wer sie unterschreiben soll“, sagte Mann.
Entflieht Mann dem Streit und geht lieber zum KSC?
Dass der Schwarze Peter beim Mutterverein liegt, möchte der Hannover 96 e.V. so nicht stehen lassen. Ohne direkt auf Manns Worte Bezug zu nehmen, gab der Mutterverein eine eigene Verlautbarung heraus, in der die Lage ganz anders dargestellt wird. Man habe sich schon vor längerer Zeit im Aufsichtsrat auf einen namentlich nicht genannten Kandidaten geeinigt. Dieser habe sogar schon einen Dienstvertrag unterschrieben, der „nur noch die Unterschriften der beiden Aufsichtsratsvertreter der Kapitalseite benötigt“. Dass diese zögert, liegt angeblich an den im Vertrag verankerten Weisungsbefugnissen. An wen der neue Geschäftsführer zu berichten hat, an die Vereinsseite, die Kapitalseite oder an beide, ist im schwelenden Lagerstreit bei 96 wie immer von herausgehobener Bedeutung.
Ist dieser Kandidat, auf den sich der Aufsichtsrat geeinigt hat, nun tatsächlich Marcus Mann? Oder ein ganz anderer Name? Weitere Brisanz in den Fall bringt ein Gerücht, das den sportlich von allen Seiten geschätzten aktuellen Sportchef mit dem Ligakonkurrenten Karlsruher SC in Verbindung bringt. Der KSC sucht nach dem Abschied von Oliver Kreutzer einen neuen Sportdirektor, und Mann gehört quasi zur Familie. KSC-Trainer Christian Eichner ist mit Manns Schwester liiert.
Eichner sagte am Wochenende, dass er Fan von vertrauensvollen Beschäftigungsverhältnissen sei: „Ich glaube, dass es gar nicht so verkehrt wäre, wenn man sich kennt, wenn man sich wertschätzt, wenn man weiß, wie der andere tickt.“ Das sollte wohl heißen: Komm nach Karlsruhe, lieber Schwager. Am Montag folgte dann noch die nächste Pointe: Die Gesellschafter stellten laut Bild beim Amtsgericht Hannover einen Antrag auf Einsetzung eines Not-Geschäftsführers.