Einer motzt ja immer bei Hannover 96, nun also Torwart Martin Hansen. Der Däne, seit Anfang 2020 im Verein, soll bei der U23 trainieren, weil er im internen Schlussleute-Ranking auf Position vier abgerutscht ist. "Sie versuchen mich hinauszudrängen", beklagte sich Hansen gegenüber der dänischen Zeitung Tipsbladet, und er sei dabei zu untersuchen, "ob das legal ist". Übrigens mit Hilfe eines Anwalts, der auch Ex-Coach Jan Zimmermann im Vertragsstreit mit 96 vertreten hat.
Zweieinhalb Jahre im Klub haben Hansen gereicht, um sich ein Urteil zu bilden. Es gebe, sagt er, in Hannover "den Trend, dass es mit sehr vielen ehemaligen Mitarbeitern zu Klagen kommt" - eine kleine Anspielung auf die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Zimmermann oder Ex-Sportchef Gerhard Zuber. Hansen glaubt: "Ich bin sicherlich nicht der Letzte."
Per Mertesacker im Interview:"Irgendwann besteigen die Engländer den Thron"
Seit 2018 leitet Per Mertesacker die Nachwuchs-Akademie des FC Arsenal. Er spricht über Folgen des Brexit, deutsche Trainer auf der Insel - und erklärt, weshalb er die englische Nationalelf auf einem ähnlich guten Weg sieht wie die deutsche vor dem WM-Titel 2014.
In manch anderem Verein würde eine solche Protestnote zu mittelschwerem Unmut führen, aber bei Hannover 96 taugt's nur als Randnotiz. Die Geschichte des Traditionsklubs war in den vergangenen Jahren reich an Zwistigkeiten. Unvergessen ist das Gezänk zwischen dem damaligen Präsidenten und heutigen Geschäftsführer Martin Kind und den Ultras, diese ätzende "Kind-muss-weg"-Debatte, die erst die Stimmung in der Arena killte und dann zum Zweitligaabstieg beitrug.
Oder die Sache mit Zuber, der erst unrechtmäßig gefeuert, dann wieder mit dem Posten des Sportchefs betraut wurde, ehe es zur endgültigen Trennung kam. Was ist da schon ein Torwart, der meint, er sei besser, als der Trainer es befindet?
Die größten Hoffnungen setzt Hannover in den neuen Trainer: Stefan Leitl kam aus Fürth
Hansen ist bei 96 nicht der einzige, der nicht mehr gebraucht wird. Seit dem Bundesliga-Abstieg 2019 versucht es der Klub Sommer für Sommer mit einem Riesenumbruch - bislang mit mäßigem Erfolg. Platz elf in der vergangenen Saison führte auch bloß wieder zum Ergebnis, dass es mit dem vorhandenen Personal nicht geht: Also musste Trainer Christoph Dabrowski gehen (Vertrag lief aus) - und mit ihm gleich elf Spieler. Ein solcher Personaldurchlauf führt zu kuriosen Konstellationen. So ist Stürmer Hendrik Weydandt aktuell der Spieler mit der längsten 96-Historie; dabei wurde er erst 2018 verpflichtet.
Gekommen sind bislang in diesem Sommer 13 neue Kollegen, darunter bekanntere Namen wie der Kölner Louis Schaub oder der Bielefelder Fabian Kunze. Der prominenteste Zugang ist aber der Trainer: Stefan Leitl, 44, der nach dem Bundesliga-Abstieg mit Greuther Fürth auch bei anderen Klubs auf dem Zettel stand, hat sich für 96 entschieden. Und er brachte in Havard Nielsen gleich einen neuen Mittelstürmer mit, der wie Schaub und Kunze über einiges an Erstligaerfahrung verfügt.
Die Hoffnung ist, dass durch Leitl eine gewisse Kontinuität einzieht. Der Trainer habe bewiesen, dass er "Mannschaften entwickeln und besser machen kann", sagte Manager Marcus Mann. Leitl hat sich diesbezüglich einen guten Ruf erworben. In Fürth war er an der Entwicklung von Profis wie David Raum (jetzt 1899 Hoffenheim) und Anton Stach (Mainz 05) beteiligt, die mittlerweile zu Nationalspielern aufgestiegen sind.
Zu seinen ersten Wochen in Hannover zog Leitl ein positives Fazit. Der Test gegen den niederländischen Klub Groningen (3:0) sah vielversprechend aus, viele Dinge, findet Leitl, würden schon funktionieren. "Mit der vollständigen Umsetzung unseres Spiels wird es aber noch dauern", betont der Oberbayer. Er ist übrigens Trainer Nummer 13 in Hannover in den vergangenen zehn Jahren (bei ähnlich vielen Sportchefs). Länger als zwei Jahre war schon lange kein Coach mehr im Amt.
Aber was, wenn es diesmal wirklich funktioniert? Wenn Leitl der passende Coach ist, den der Bigboss Kind seit so vielen Jahren sucht? Wenn vielleicht sogar der Saisonstart glückt, am Freitagabend im Duell der Traditionsklubs beim 1. FC Kaiserslautern? Kind und Mann wissen, dass es außer dem Hamburger SV keinen natürlichen Aufstiegskandidaten gibt - und 96 hier in eine Lücke stoßen könnte. Er habe sogar in sportlich schlechten Phasen der vergangenen Spielzeit erlebt, "welche Euphorie hier entstehen und welche Wucht dieses Umfeld haben kann", sagte Mann über den gefühlten Erstliga-Standort Hannover, der nun aber schon im vierten Jahr im Unterhaus festhängt.
Wirklich offen vom Aufstieg spricht trotzdem niemand. Für einen Klub wie 96 müsse es zwar "immer ein Ziel sein, in die Bundesliga zurückzukehren", sagte Mann. Es ist schließlich nicht lange her, dass Hannover noch im Europapokal spielte - vor zehn Jahren scheiterte man erst im Viertelfinale der Europa League an Atlético Madrid. Leitl sagt, er wolle die Ambitionen von 96 "gar nicht kleinmachen. Aber ich sehe andere Vereine noch einen Tick vor uns." Auch Mann warnt: "Ein neuer Trainer, eine neue Idee und auch viele neue Spieler, das muss sich erst finden."
Neulich, bei einem Testturnier in Osnabrück, haben die mitgereisten Fans seinen Namen skandiert: "Marcus Mann, Marcus Mann." Wenn die Anhängerschaft weiß, wer gerade Sportdirektor ist, ist das in Hannover immer ein gutes Zeichen.